Hand aufs Herz: Wer hat nicht auch schon einmal im Geiste Eltern verurteilt, die ihren Kindern beim gemeinsamen Essen nicht nur den Teller, sondern auch das Tablet vorsetzen? Mea culpa. Fakt ist jedoch: Smartphones, Tablets und TV sind nicht nur in unserem, sondern auch im Alltag der meisten Kinder kaum noch wegzudenken. So oft schon waren die handlichen Geräte Retter in Not so mancher Eltern, die dringend kurz Ruhe brauchten, eine Unterhaltung führen oder ein entspanntes Essen geniessen wollten und die Kids dafür vor den Bildschirm setzten.
Anja schaut ihren Kindern mit dunklen Augenringen zu
Doch kaum ein Thema in der Kindererziehung triggert so sehr, wie die Fragen, ob, wann, wie und wo Kinder vor dem Bildschirm hängen dürfen. Auch Anja Zeidler (30) sieht sich mit dem Reizthema konfrontiert. Auf Instagram widmet die Influencerin darum der ernsten Erziehungsfrage ein humorvolles Video.
Darin spielt sie sich selbst erst als selige Schwangere, die der Überzeugung ist, dass ihre Kinder einst ohne iPad aufwachsen würden. Dann kommt der Umschnitt und damit der Sprung ins Jetzt: Völlig überdreht hüpfen ihre beiden Kinder Jela (4) und ihr Sohn (1), der im März 2023 via Hausgeburt zur Welt kam und dessen Namen sie nicht öffentlich macht, vor dem TV herum. Gleichzeitig laufen links und rechts weitere Videos auf Tablet und Laptop. Mami Anja schaut dem Treiben mit dunklen Ringen unter den Augen zu und lässt die Kinder machen.
«Wer lästerte auch über die Eltern, die ihre Kinder vor den Screen setzen?», fragt die Influencerin ihre Community und gibt dann offen zu, dass sie ihre Meinung zu Kindern mit Tablets und Co. revidieren musste, sobald sie selber Nachwuchs bekam. «Dann hat man selbst Kinder und plötzlich kommen sie mit dem Ding in Berührung. Viel früher als eigentlich geplant. Und dann gibt es auch die Momente, wo wir gottenfroh um das Teil sind. Oder die Momente in denen wir uns fragen, wie das unsere Eltern damals bloss ohne gemacht haben.»
Bildschirmzeit für Kinder: Das Reizthema der Kindererziehung
Dass sich heutzutage bei kaum einer Erziehungsfrage die Geister so scheiden wie beim Thema Kinder am Smartphone, weiss auch Anja Zeidler: «Jetzt gibt es die Menschen, die dieses Reel sehen, lachen und sich verstanden fühlen, sowie die Menschen, die empört sind. Ist schliesslich eines der Nummer-1-Hater-Themen im Punkto Kindererziehung.»
«Ich stehe dazu, meine Kinder kennen (und lieben) Screentime»
Anja Zeidler
Anja Zeidler rechnet offenbar bereits mit Negativkommentaren zum Video und geht die Thematik darum schon im Vorfeld mit Humor an. «Ich kann euch beruhigen, das Reel ist natürlich überspitzt mit einer guten Prise Sarkasmus dargestellt. Natürlich laufen keine drei Geräte miteinander und meine Kinder basteln auch, spielen Kaufmannsladen und matschen gerne im Dreck draussen. Aber ich stehe dazu, meine Kinder kennen (und lieben) Screentime.»
So handhabt Anja Zeidler Bildschirmzeit für die Kinder
Die Luzernerin verrät im Post, wie sie und Partner Milan Anicic (27) Bildschirmzeit für ihre beiden Kinder handeln. Die Eltern setzen dabei weniger auf strikte Zeitlimiten, sondern ihnen ist viel mehr wichtig, was die Kleinen schauen. «Manchmal gibt's mehr, manchmal weniger, manchmal gar nichts und manchmal nonstop. Wichtig finde ich, zu kontrollieren WAS man sie schauen lässt», so das ehemalige Fitness-Model.
So habe sie gewisse Videos bewusst gesperrt – bei den erlaubten Videos ist es Zeidler wichtig, dass diese zumindest einen gewissen Sinn stiftenden Inhalt bieten. «Cool finde ich zum Beispiel, dass wir gewisse ‹Seich›-Videos gesperrt haben und 99% der Screentime auf Serbisch oder Englisch stattfindet, so dass sie etwas von den Sprachen mitnehmen.»
Das raten Expertinnen
Ähnlich sieht die Handhabung von Bildschirmzeit bei Kindern auch Medienpsychologin Lilian Suter von der ZHAW. Im Interview mit der Schweizer Illustrierten erklärt sie: «Ein intensives Handyverhalten ist nicht zwangsläufig problematisch». Denn nicht die Dauer der Bildschirmzeit sei relevant dafür, ob ein Kind eine Handysucht entwickelt. «Viel wichtiger ist, was ein Kind konsumiert.»
Genauso relevant sei der Grund, warum ein Kind zum Handy greift – oder warum Eltern einem Kind ein Handy in die Hand drücken. «Ausnahmen sind kein Drama. Problematisch ist, wenn das zu einem Muster wird. Wenn man immer als Lösungsstrategie gegen Langeweile oder zur Gefühlsregulation dem Kind ein Handy in die Hand drückt. Oder wenn das Kind immer in diesen Situationen das Handy als einzigen Lösungsweg sieht», so Suter.
Medienpädagogin Eva Baumann findet in Sachen Medienerziehung die Präsenz der Eltern besonders wichtig, wie sie gegenüber der Schweizer Illustrierten sagt: «Die Begleitung der Eltern trägt dazu bei, dass Kinder einen gesunden Umgang mit dem Handy lernen. Dazu gehört Anteilnahme. Selbst wenn mich Games nicht interessieren, sollte ich als Elternteil auch mal mit meinem Kind gamen, um zu sehen, was es da so macht». Ausserdem findet die Medienpädagogin es sinnvoll, den Kontakt mit dem Smartphone eher früher als später zu fördern: «Es ist sinnvoll, den Besitz des ersten Smartphones nicht allzu lange hinauszuzögern. Lieber etwas früher, dafür gut begleiten. Ab ungefähr 12 Jahren sind erzieherische Grundlagen gelegt, ältere Kinder entziehen sich dem elterlichen Einfluss zunehmend.»
Ist in eurer Familie das Thema Tablet oder Smartphone auch ab und zu ein Streitpunkt? Hier erfährt ihr, warum man mit dem ersten Handy fürs Kind nicht zu lang warten soll. Und hier lest ihr, wie Eltern Handysucht erkennen und vorbeugen können.