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Der Komiker teilt seine Erinnerungen

Beat Schlatter hat sein Mami bis zuletzt gepflegt und begleitet

Vreni Schneider, Beat Schlatter & Benjamin Giezendanner wurden in jungen Jahren zu Halbwaisen. In unserer Serie zum Muttertag vom 14. Mai sprechen sie über ihre Gefühle, kramen in Erinnerungen und erzählen, was sie ihren Müttern gern noch gesagt hätten.

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Muttertag

Beat Schlatter hat schon als junger Mann seine Mutter verloren. 

Geri Born

Während drei Jahren pflegte Beat Schlatter (62) seine Mutter Irma daheim in Rüschlikon ZH. Er war in seinen Anfängen als Komiker – als eine seltene rheumatische Krankheit ihm im Alter von 25 Jahren die Mutter nahm. In eigenen Worten hält er fest, was ihn bewegt, wenn er an sie denkt. 

«‹Mami, ich sitze nicht mehr mit Räucherstäbli auf einem marokkanischen Hocker unter einer Ikea-Lampe›, würde ich heute zu ihr sagen. Denn als sie verstarb, war ich 25 Jahre alt, in meiner Punkphase und in den Anfängen als Komiker mit Kabarett Götterspass.

«Ich gab mein Mami nie auf! Ich ging sogar mit ihr zu Geistheilern, die meine ganzen Gagen kosteten.»

Beat Schlatter

Meine Mutter wurde nur 54 Jahre alt und war zuletzt schwerst behindert. Es hatte lange gedauert, bis sie die Diagnose Sklerodermie erhielt, eine seltene rheumatische Krankheit. Dennoch hatten wir uns bewusst entschieden, sie ambulant zu pflegen. Tagsüber ich, abends mein Vater. Vom Spitalpersonal lernten wir alles Notwendige wie Lymphdrainagen machen. Irgendwann gewöhnte ich mich daran und machte es auch gerne. Wir wussten, dass ihre Krankheit tödlich endet, dennoch habe ich immer auf ein Wunder gehofft. Ich gab mein Mami nie auf! Ich ging sogar mit ihr zu Geistheilern, die meine ganzen Gagen kosteten.

Mutter und ich haben viel gelacht. Aktivsport war nicht unser Ding. Stattdessen sagten wir: ‹Zwanzig Minuten lachen verbrennt so viele Kalorien wie drei Minuten rudern.› Zu Weihnachten wollten wir uns nichts ausser weiterhin grosse Liebe schenken – und trotzdem lagen unter dem Christbaum jedes Jahr Geschenke. Mami war Hausfrau und erhielt monatlich Haushaltsgeld. Manchmal hat sie davon im St. Annahof lieber schöne Pyjamas für meinen Bruder und mich gekauft. Wenn es Ende Monat knapp wurde, gabs nur noch Rüebli und Härdöpfel zu essen.

«Mami hat gesehen, dass ich eine blühende Fantasie habe und diese manchmal mit mir durchgaloppiert.»

Beat Schlatter

Ich verstand nie, warum sie auf dem Esszimmertisch drei Tischtücher übereinanderlegte. Heute mache ich das selber: So muss man sie nicht bügeln! Auf dem Weg zum Bahnhof plane ich wie sie immer zehn Minuten mehr ein. Und bevor ich das Zugabteil verlasse, drehe ich mich nochmals um und schaue, ob ich etwas vergessen habe.

Meinen Eltern waren die inneren Werte viel wichtiger als berufliche Erfolge. Dennoch sagten sie stets, ich solle etwas Anständiges lernen, sonst werde ich Strassenputzer. Wer hätte gedacht, dass ich während siebeneinhalb Jahren als Strassenputzer Willi in der TV-Soap ‹Lüthi & Blanc› einen Haufen Geld verdienen würde! Und ich habe eine Frau gefunden. An Frau Fischer hätte mein Mami ihre Freude! Auch meine neue Putzfrau würde sie lieben – sie sieht den Dreck, bevor er da ist.

Mami hat gesehen, dass ich eine blühende Fantasie habe und diese manchmal mit mir durchgaloppiert. Als Komiker hat sie mich nie auf der Bühne erlebt. Ich war auf dem Weg zu einem Auftritt in Disentis, als ich die Nachricht erhielt, dass Mami gestorben ist. Den Auftritt haben wir absolviert, es hätte nichts geändert. Dass sie von uns gegangen ist, habe ich sowieso erst viel später realisiert – und was es bedeutet, keine Mutter mehr zu haben.

Muttertag

Der 62-jährige Komiker pflegte mit seinem Vater sein Mami bis zu ihrem Tod. Irma Schlatter starb mit 54 Jahren – drei Jahre nach der Diagnose – an Sklerodermie, einer seltenen Form entzündlichen Rheumas. «Eine sehr brutale Krankheit», sagt Schlatter. Der Schauspieler ist mit «Frau Fischer» verheiratet, wie er seine Gattin Mirjam nennt, und lebt in Zürich.

Geri Born

«Die Trauer kommt in Wellen. Zum Beispiel, wenn ich eine Mutter mit ­ihrem Sohn durch die Stadt flanieren sehe.»

Beat Schlatter

Die Trauer kommt in Wellen. Zum Beispiel, wenn ich eine Mutter mit ihrem Sohn durch die Stadt flanieren sehe. Das Bewusstsein, dass es die Mutter-Sohn-Beziehung nur ein einziges Mal im Leben gibt, schmerzt. Mami und ich haben nie zusammen die Wolken angeschaut und nie gemeinsam den Müssiggang gepflegt. Wir wussten aber beide, dass das Leben aus ständigen äusseren und inneren Veränderungen besteht, von der Geburt bis zum Tod. Durch den Tod geschieht die grösste Veränderung. So will ich es zumindest glauben.

Muttertag

Das Eau de Toilette «Rive Gauche» von Yves Saint Laurent war der Duft seines Mamis. Noch heute erhältlich, kauft und benützt es Schlatter immer mal wieder.

Geri Born

Mein Mami war meine Königin der Gegenwart. Sie zu pflegen und bis in den Tod zu begleiten, war etwas vom Wertvollsten, das ich je erlebt habe. Diese Phasen gehören genauso zum Leben, wie miteinander die Freude zu teilen.»

Wie sich Vreni Schneider und Benjamin Giezendanner an ihre zu früh verstorbenen Mütter erinnern, erfahrt ihr in der aktuellen Schweizer Illustrierten (Nummer 19, 2023).

Von Aurelia Robles und Janine Urech am 14. Mai 2023 - 07:00 Uhr