Bella gibt ein Hicksen von sich, dann noch eins … und noch eins. «Oje, hast du Schluckauf?», fragt Belinda Bencic (27) ihre Tochter und hebt sie hoch, um ihr Erleichterung zu verschaffen. Sie hat ihr Baby gerade fertig gestillt. Auf einer Bank in der Garderobe des Tennisklubs Lokomotiva in der slowakischen Hauptstadt Bratislava, ihrer zweiten Heimat. Davor hat die St. Gallerin eine Stunde auf dem Hartplatz trainiert. «Das war wohl Milchshake, den du da gekriegt hast», meint sie lachend zu ihrer Kleinen.
Knapp drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter arbeitet die Olympiasiegerin von 2020 an ihrem Comeback. Dass sie den Kampf um die Titelverteidigung im Einzel in Paris knapp verpasst, nimmt sie gelassen. «Würde ich wegen einer Verletzung ausfallen, wäre das mit Frust verbunden. Aber so habe ich den besten Grund der Welt, nur vor dem Fernseher mit dabei zu sein.»
Bella kam in der Schweiz zur Welt. «Die Geburt verlief so, wie man es sich wünscht», sagt Bencic. Am 23. April um sechs Uhr in der Früh gingen die Wehen los, zehn Stunden später schnitt Papa Martin Hromkovic (42) die Nabelschnur durch. Unvergesslich! «Da hast du 41 Jahre lang ein schönes Leben, und dann kommt ein Moment, der das alles in den Schatten stellt», sagt er. «Das war überwältigend.» Er sehe nicht nur das Leben, sondern auch seine Verlobte jetzt mit neuen Augen: «Ich wusste immer, dass Belinda stark ist, aber was sie während der Geburt geleistet hat, macht mich sprachlos.»
«Sie ist nie gestresst, sondern selbstsicher, ruhig und liebevoll»
Martin Hromkovic
Als Mama erstaune Belinda ihn jeden Tag mehr. «Sie ist nie gestresst, sondern selbstsicher, ruhig und liebevoll.» – «Bella macht es mir auch einfach», erwidert Belinda. «Ich habe erwartet, dass es anstrengender wird, und bin jetzt überrascht, wie sehr ich die Anfangszeit mit ihr geniessen kann.»
Darum ist Belinda Bencic jetzt Botschafterin von Bimbosan
Besonders, dass das Stillen reibungslos klappt, erleichtert die junge Mutter. «Das wünschte ich mir sehr, weil ich es für die beste Ernährungsform eines Säuglings halte.» Ihre neue Aufgabe als Botschafterin des Schweizer Herstellers von Säuglingsnahrung Bimbosan hat sie aus Solidarität angenommen. «Mir ist bewusst, dass nicht alle Mütter stillen können. Darum ist es toll, gibt es gute Alternativen.»
Auch die Nachtruhe klappt. «Bella gönnt uns jeweils ein paar Stunden Schlaf.» Nur wenn die Kleine kuscheln will, meldet sie das lautstark. «Das hat sie von ihrer Mutter», bemerkt Hromkovic. «Wenn Belinda etwas will, gibt sie dafür auch immer 110 Prozent.»
Bella wächst mehrsprachig auf
Als der Schluckauf vorbei ist, legt Belinda Bencic ihr Töchterchen in den Kinderwagen. Zeit für einen Spaziergang durch die Stadt. Bratislava hat einen besonderen Stellenwert für das Paar: Martin Hromkovic ist wie Belindas Eltern in der Slowakei aufgewachsen. «Kaum war Bella auf der Welt, haben wir für sie den Schweizer Reisepass beantragt, damit wir mit ihr zwischen der Schweiz, der Slowakei und Monaco pendeln können.»
Im Fürstentum hat die Familie ihren Hauptwohnsitz – wo Bella aufwachsen wird, ist jedoch noch nicht ausdiskutiert. Dafür sind sich die Eltern einig, dass sie Bella mehrsprachig aufziehen möchten. «Ich habe selbst von einer zweisprachigen Kindheit profitiert und bin meinen Eltern dankbar dafür», sagt Bencic. Sie spricht mit ihrem Kind Deutsch, er Slowakisch.
So hart arbeitet Belinda Bencic an ihrem Comeback
Ohne Nannys zurück auf Profitour
Die Sportlerin und ihr Bruder Brian (24) der ebenfalls Tennis spielte, wuchsen in Oberuzwil SG auf, direkt neben einem Tennisplatz. Schon im Alter von zwei Jahren schlug Belinda erste Bälle. Die Eltern erkannten schnell ihr Talent und krempelten das Familienleben um, damit sie Belinda entsprechend fördern konnten.
Sie ermöglichten ihr den Besuch der Nick-Bollettieri-Tennisschule in Florida und zügelten nach Wollerau SZ, damit Melanie Molitor, die Mutter von Tennisstar Martina Hingis, Belinda trainieren konnte. «Meine Eltern haben alles getan für mich und meinen Bruder», sagt Bencic. «Und ich weiss, ich würde für Bella genau dasselbe tun. Was immer sie im Leben machen will: Martin und ich stehen hinter ihr.»
Ihr Comeback nach der Geburt ist ebenfalls eine Familienangelegenheit. Martin Hromkovic begleitet seine Verlobte als Fitnesscoach, ihr Papa Ivan ist ihr Trainer, und Mama Dana hütet wann immer nötig,ihre kleine Enke-lin. Die junge Mutter Belinda fühlt sich in einer privilegierten Situation. «Ich hatte immer den Wunsch, eine eigene Familie zu gründen. Und ich wusste von Anfang an, dass ich mich nicht zwischen Kind und Karriere entscheiden muss, weil ich auf diese Unterstützung zählen darf.»
Aktuell trainiert der Tennisstar jeden Vormittag eine Stunde auf dem Platz. Dazu kommen 60 Minuten im Fitnessstudio. «Das ist für Belinda relativ wenig Sport», sagt ihr Verlobter. «Vor der Schwangerschaft hat sie sich mit täglich vier bis fünf Stunden Sport fit gehalten.» In der Schwangerschaft habe sie die körperliche Anstrengung vermisst, sagt Belinda Bencic. «Von hundert auf null, das war eine Herausforderung für mich.»
So erlebte Belinda Bencic die körperliche Zwangspause
Obwohl die Zwangspause auch ihre Vorteile mit sich brachte: «Alte Verletzungen hatten Zeit, komplett auszuheilen. Mir tut nichts weh, und ich habe viel Energie.» Auch mental profitierte sie von der Entschleunigung, verbrachte die Tage damit, Puzzles zu legen, zu malen, sich spontan mit Freunden zu treffen. Dinge, für die sie vorher selten Zeit fand. «Meine Sichtweise hat sich verändert. Tennis ist nicht mehr der alleinige Mittelpunkt meines Lebens. Ich sehe, wie viel das Leben auch neben dem Court zu bieten hat.»
So hart arbeitet Belinda Bencic an ihrem Comeback
Dennoch ist ihr Wunsch, auf Weltklasseniveau zurückzukehren, gross. Als Mutter profitiert sie während drei Jahren von einem geschützten Ranking. So lange will sie sich jedoch nicht Zeit lassen. «Andere Mütter kehren auch nach drei Monaten in den Beruf zurück.» Ihr Comeback möchte Belinda Bencic am liebsten noch dieses Jahr schaffen. «Aber Bella hat Priorität. Sie gibt den Takt vor. Ich würde nichts tun, das ihr schadet.»