Benjamin Giezendanner (41) ist der jüngste Sohn des ehemaligen SVP-Nationalrats Ulrich Giezendanner. Er war ein Teenager, als seine Mutter nach langer Krankheit mit 44 Jahren den Kampf gegen den Krebs verlor. Zum Muttertag hält er seine Erinnerungen fest und erklärt, was er ihr gerne noch sagen würde.
«Heute würde ich meiner Mutter sagen, dass ich glücklich bin, glücklich mit meiner Familie. Und dass vieles in meinem Leben gut gegangen ist. Sie kann also beruhigt ‹obenabe luege› und sagen: ‹Doch, er hat seinen Weg gefunden.› Ich glaube, sie war nicht immer sicher, ob es gut mit mir kommt. Ich war 15, ein Teenager, als sie starb. Mein Vater ist ein cooler Typ, hatte aber gar nicht die Möglichkeit, Papi zu sein. Er war entweder im Geschäft oder in Bern. Wir haben nach wie vor ein gutes Verhältnis. Aber als Bub waren meine Mutter und ihre Familie für mich wichtiger. Nach ihrem Tod kümmerte sich die Grossmutter um meine Geschwister und mich.
Hätte meine Mutter länger gelebt, wäre ich nie in die Politik gegangen. Dieser Entscheid wurde von meinem Vater beeinflusst. Mit 18 war ich der jüngste Grossrat aller Zeiten. Meine Mutter hätte gesagt: ‹Geh in die Welt hinaus, lebe!› Das war damals mit meinem Engagement in der Politik nicht mehr möglich. Ich konnte nie frei in die Welt hinaus. Vielleicht hätte auch ich einen sozialeren Beruf gewählt, denn meine Mutter war eine sehr soziale Frau.
Ja, sie war eine grossartige Frau. Sie war das Herz der Familie. Unsere Beziehung war sehr eng. Ich glaube, ich wurde schon ein bisschen verwöhnt von ihr. Ich war ja das jüngste Kind. Eine Szene aus meiner Kindheit, obwohl sie etwas banal ist, ist mir für immer in Erinnerung geblieben. Wir sind in unserem Häuschen im Tessin in den Ferien. Es ist Sommer. Die ganze Familie rennt um den Tisch. Wir haben wohl eine Art ‹Fangis› gespielt. Meine Mutter rennt mir nach und lacht …
Ich hatte sieben Jahre Zeit, mich von ihr zu verabschieden. Wir wussten alle, dass sie krank ist. Eigentlich ist es eine schöne Sache, wenn man diese Chance bekommt. Trotzdem ist es heute noch immer sehr hart für mich, wenn ich höre, dass ein Kind seine Mutter verloren hat. Das ist mein wunder Punkt. Wenn ich intensiv an sie denke, werde ich emotional. Es ist wie eine Brücke, die noch nicht fertig ist. Am meisten spreche ich mit ihr, wenn es mir schlecht geht. Ich gehe oft an ihr Grab.
Zwischen 20 und 30 habe ich viel gemacht in meinem Leben: Militär, Politik, Studium. Es war nicht immer einfach. Ich brauchte jemanden. Meine Mutter gab mir Kraft, obwohl sie nicht mehr da war. Ich habe viel gebetet. Ich glaube an Gott. Wenn ich heute mit ihr sprechen könnte, würde ich mit ihr gerne über Gott sprechen. Denn auch die christlichen Werte habe ich von meiner Mutter übernommen.
Gefehlt hat mir in diesen Jahren vor allem die Geborgenheit. Heute ist dieses Gefühl wieder da. Dank meiner Frau und meiner Familie. Ich wünsche mir, meine Mutter hätte meine Frau kennengelernt und meine drei Töchter. Ich wünsche mir, sie hätte für meine Kinder da sein können. Sie wäre sicher eine gutes Grossmami geworden.
Ja, es waren harte Jahre in meiner Jugend. Aber dadurch habe ich früh kämpfen gelernt. Der Tod meiner Mutter hat mich also auch stark gemacht.»
Wie sich Skilegende Vreni Schneider und Komiker Beat Schlatter an ihre zu früh verstorbenen Mütter erinnern, erfahrt ihr in der aktuellen Schweizer Illustrierten (Nummer 19, 2023).