Sie lachen, diskutieren, und essen – so ist es immer, wenn Christa Rigozzi, 36, Lorenza Rigozzi, 61, und Rina Pestoni, 91, sich sehen. Heute jedoch ist ein ganz besonderer Tag. «Meine Nonna hat Geburtstag!», sagt Christa.
Die viel beschäftigte Moderatorin hat das Datum schon vor Monaten dick in ihrer Agenda als «Familientag» eingetragen. Wir treffen die drei Generationen beim gemeinsamen Mittagessen im Hotel Giardino in Ascona TI.
Es war Christas Wunsch, ihrer Nonna Rina einmal die Ehre zu erweisen, die sie verdient. Zusammen diskutieren sie über die Veränderung der Rolle der Frau im Lauf der Zeit. Nonna Rina lacht gerührt und etwas verlegen: «Meine Freundinnen haben mir schon heute um halb acht in der Früh telefoniert und zum Geburtstag gratuliert, weil ich ihnen erzählte, dass ich danach ein Fotoshooting mit der Schweizer Illustrierten habe.»
Tanti auguri zum Geburtstag! Sie sehen fantastisch aus.
Ich gehe auch jede Woche zum Coiffeur. Weisse Haare, das kommt bei mir nicht infrage. Und ich habe jetzt auch eine moderne Frisur. Früher trug ich einen Pony.
Tochter Lorenza (schmunzelnd): Nicht zu vergessen, deine Creme aus der Apotheke, die ich dir immer besorgen muss.
Nonna: Oh ja. Ich benutze täglich eine wirklich teure Körperlotion, denn ich habe drei Kilo zugenommen. Aber mit der Creme geht das wieder weg. (Alle lachen.)
Rina, wohnen Sie denn immer noch allein zu Hause?
Mein Mann ist vor 12 Jahren gestorben. Seither lebe ich allein.
Christa: Zum Glück hat sie keine gesundheitlichen Beschwerden. Sie geht immer noch selber einkaufen, kocht und kümmert sich um den Haushalt.
Nonna: Eine Putzfrau brauche ich sicher nicht!
Lorenza: Meinen Putzfimmel habe ich von dir geerbt. Mein Mann wollte schon etliche Mal den Staubsauger am liebsten aus dem Fenster werfen. (Lacht.)
Ist Ihnen nie langweilig?
Nonna: Ich habe immer etwas zu tun, und mein Gemüsegarten nimmt viel Zeit in Anspruch – obschon ich selber gar kein Gemüse esse. Und ich liebe Kreuzworträtsel. Das von der Migros-Zeitung ist am schwierigsten.
Lorenza: Manchmal ruft sie mich dann an, damit ich für sie ein Wort google.
Nonna: Und ich mache bei jedem Wettbewerb in den Zeitungen mit. Gewonnen habe ich leider noch nie etwas. Aber es macht mir trotzdem Freude.
Ihre Enkelin ist sehr erfolgreich.
Für mich ist nur wichtig, dass Christa glücklich ist. Aber ich mache mir halt immer Sorgen, wenn sie mit dem Auto oder dem Flugzeug unterwegs ist.
Lorenza: Dann sitzt sie die ganze Zeit vor dem Radio, um sich zu vergewissern, dass nichts passiert ist. (Und flüsternd sagt sie:) Darum erzählen wir ihr das meistens erst im Nachhinein, wenn Christa wegfährt.
Christa: Ich habe für Nonna extra einen Facebook-Account eingerichtet, damit sie immer schauen kann, was ich so mache.
Nonna Rina Pestoni: «Nach der Schule arbeitete ich in einem Laden, um die Ausbildung meiner Brüder mitzufinanzieren.»
So ändern sich die Zeiten …
Nonna: Ich konnte damals nicht mal eine Ausbildung machen.
Lorenza: Dabei war sie so begabt als Schneiderin.
Nonna: Das stand nie zur Diskussion. Ich hatte drei Brüder und zwei Schwestern. Wir Mädchen mussten im Haushalt helfen, und nach der Schule arbeitete ich in einem Laden, um die Ausbildung meiner Brüder mitzufinanzieren.
Lorenza: Dafür nähte sie alle Kleider für uns Kinder selbst …
Nonna: … und ich häkle gern. Das lernte ich schon von meiner Mutter.
Lorenza: Und ich von dir. Heute noch sitzen wir gern zusammen und machen Häkeldeckchen.
Und Christa?
Als Kind konnte ich das ganz gut. Aber jetzt habe ich leider kaum noch Zeit dazu.
Nonna: Es macht mich manchmal schon traurig, dass ich sie nicht mehr so oft sehe wie früher.
Lorenza: Ich sehe Christa auch viel weniger. Früher, wenn sie mit der Arbeit fertig war, kam sie immer noch kurz bei mir vorbei. Heute will sie so schnell wie möglich nach Hause zu Gio und den Kindern. Die haben Priorität – aber das ist ganz normal.
Christa: Früher konnte ich nach der Arbeit auch mal einfach die Füsse hochlegen. Das geht heute nicht mehr. (Lacht.) Jede Minute ist durchorganisiert. Es ist mir einfach wichtig, meiner Familie so viel Zeit wie möglich zu widmen.
Gibt es auch mal Momente, in denen Ihnen alles zu viel wird?
Eigentlich nicht. Gio und ich arbeiten beide selbstständig und können so die Zeit gut einteilen. Dadurch bin ich in einer privilegierten Situation. Manchmal bin ich eine ganze Woche daheim oder gehe erst mittags aus dem Haus.
Und die Grosseltern der Zwillinge wohnen ja ganz in der Nähe.
Lorenza: Natürlich springe ich noch so gern als Babysitter ein, wenn Christa und Gio mal eine Einladung haben. Sie sind einfach bellissima – meine beiden «patatone». (Strahlt.)
Nonna: Alissa und Zoe lieben es, mit meinen Haaren zu spielen. Aber ich lasse sie machen, das ist mir egal. Ich hoffe, dass ich es noch erlebe, dass sie zur Schule gehen. Ma non so …
Lorenza: Christa hat als Kind auch viel Zeit bei ihrer Grossmutter verbracht – und wir Eltern genossen dann den kinderfreien Abend.
Christa: Ich erinnere mich noch genau, wie wir immer an Silvester bei Nonna waren und sie uns mit Panettone und Rimuss verwöhnte.
Christa ist eine berufstätige Mutter und Ehefrau. Wäre so etwas früher überhaupt möglich gewesen?
Nonna: No, no! Eine verheiratete Frau, die arbeitet, das wäre in der damaligen Zeit eine Schande gewesen. Dazu die Tessiner Mentalità! (Lacht.) Das hätte mein Mann nie erlaubt. Ich war für Haushalt und Kinder verantwortlich.
Lorenza: Mein Grossvater war Winzer, und wir wohnten mit ihnen und meinen Urgrosseltern im gleichen Haus in Monte Carasso.
Nonna: Das war am Anfang nicht leicht für mich. Unser Zuhause war noch gar nicht richtig fertig und das Geld knapp. Trotzdem war das Leben viel entspannter als heute.
Was für Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
Lorenza: Es war eine wunderschöne Zeit. Ich durfte einfach Kind sein. Meine Mutter wollte nie, dass wir zu Hause mithelfen.
Nonna: Da habe ich zwischen meinem Sohn und den beiden Mädchen keinen Unterschied gemacht.
Lorenza: Als ich heiratete, konnte ich nicht einmal einen Risotto kochen! Sie hat immer alles allein gemacht. Sogar die Erziehung der Kinder hat mein Vater gern ihr überlassen.
Haben Sie es Ihrer Mutter gleichgemacht?
Lorenza: Auch ich bin damals zu Hause geblieben, als die Kinder kamen. Obschon ich vorher als Sekretärin bei der Stadtkanzlei in Bellinzona gearbeitet habe. Erst als Christa und ihr Bruder Christian mit dem Studium anfingen, stieg ich wieder 50 Prozent ins Berufsleben ein.
Christa: Meine Mutter war immer für uns da. Sie hat sich um uns gekümmert, für uns gekocht und uns herumchauffiert. Mich ins Ballett und meinen Bruder ins Schwimm- und Hockeytraining gefahren. Wir konnten mit ihr über alles reden. Das finde ich super. Und ich möchte, dass meine Kinder das auch haben. Was aber nicht heisst, dass nur ich und nicht auch ihr Papà einen Teil davon übernehmen kann.
Christa Rigozzi: «Für mich war immer klar, dass ich Kinder möchte. Jedoch ohne auf eine Karriere und auf Reisen zu verzichten.»
Wie haben Sie reagiert, als Christa Ihnen erzählte, dass Gio in Zukunft die Rolle des Hausmanns übernimmt?
Lorenza: Ich wusste sofort: Das ist die richtige Entscheidung! Ich kenne Gio ja schon sehr lange und zweifelte nie, dass er dieser Herausforderung gewachsen ist. Im Gegenteil. Mein Mann beneidet unseren Schwiegersohn heute oft, dass er so viel Zeit mit seinen Kindern verbringen kann. Er selber hat früher vieles verpasst.
Christa: Für mich war immer klar, dass ich Kinder möchte. Jedoch ohne auf eine Karriere und auf Reisen zu verzichten. Gio hat als Raumgestalter zum Glück einen Job, den er gut von zu Hause aus machen kann. Er ist ja nicht nur Hausmann!
Inwiefern hat Sie das Muttersein verändert?
Christa: Ich bin als Frau reifer geworden. Und meine Prioritäten haben sich verändert. Heute verzichte ich gern mal auf eine Party oder einen Abend mit Freunden, damit ich bei meinen Kindern sein kann. Ich vermisse mein altes Leben nicht. Sicher bin ich auch verantwortungsbewusster als früher.
Wie würden Sie Ihre Mutter-Tochter-Beziehung beschreiben?
Lorenza: Meine Mutter und ich hatten immer ein gutes Verhältnis. Aber es ist sicher eine andere Beziehung, als Christa und ich sie haben. Rina ist meine Mamma, aber es gibt Sachen, die ich nicht mit ihr besprechen würde. Das wäre komisch. Während Christa und ich uns alles erzählen. Natürlich bin ich Christas Mutter, aber wir sind auch beste Freundinnen!
Christa: Ich habe mich mit meiner Mutter immer sehr gut verstanden. Es hat schon eine Zeit während des Studiums gegeben, in der Ausgang, Freunde und Reisen für mich wichtiger waren. Doch seit ich wieder im Tessin wohne, ist es wie früher. Und ich merke, dass ich, seit ich selber Mutter bin, vieles unbewusst von meiner Mutter übernommen habe.
Zum Beispiel?
Mir ist es ganz wichtig, dass Alissa und Zoe Dankbarkeit, Respekt und Anstand lernen – so wie ich es als Kind gelernt habe. Sie sind zwar erst zwei Jahre alt, aber wenn ich sie frage: «Was sagt man?», dann antworten sie mit «Grazie». Sie spielen gern mit unserem Hund Joker. Sie wissen aber, dass er ein Tier ist. Sie müssen lieb und respektvoll mit ihm umgehen. Zudem reisen wir viel. Da ist es wichtig, dass man sich in einem Restaurant anständig benimmt. Da bin ich sehr streng!
Wie würden Sie ihre Kinder beschreiben, Christa?
Ich darf jetzt nicht sagen: die besten Kinder der Welt!