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Anlässlich ihres 30-jährigen Bühnenjubiläums zeigt die Walliser Sängerin Sina ihren Kraftort im Lötschental. Im Video erzählt sie vom Haus ihrer Grossmutter und verrät, weshalb sie sich auch im Exil noch immer ganz als Walliserin fühlt. Sina Albisetti
Mundartsängerin Sina auf Familienbesuch im Wallis

Daheim ist sie «s Ursli» geblieben

Vor 30 Jahren stand die Mundartsängerin am Scheideweg. Wäre ihr damaliges Album gefloppt, würde sie wohl wieder auf der Bank ­arbeiten – als Ursula Bellwald. Aber sie hat bis heute grossen Erfolg – auch dank ihrer Familie.

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Manchmal ist es ein Augenblick, der entscheidet, wie es weitergeht im Leben. So einen Moment erlebt Sina (58) vor gut 30 Jahren. Die Walliserin, heute eine der erfolgreichsten Mundartsängerinnen der Schweiz, covert erst englische und französische Songs und nimmt später eine Platte mit dem Titel «Mein Herz steht in Flammen» auf. Ein Flop. Mit eigenen Songs wagt sie sich dann noch einmal ins Tonstudio – um Mundart zu singen. «Ich sah das als letzte Chance.» Für sie steht damals fest: «Wird das nichts, gehe ich zurück auf die Bank. Dann wars das mit der Musik, vielleicht fehlt mir eben doch das Talent, Glück – oder sonst was.»

«Äs chunnt där Tag, äs chunnt di Ziit.
Äs chunnt där richtig Öigublick
Ich wartu hiä
Wartu uf ds Glick
Uf ds Mal is da und chlopfut a …»
(Aus ihrem Song «Wartu uf ds Glick»)

<p>Einst: Vor 30 Jahren ­posiert Sina vor dem Grundsee im Lötschental. </p>

Einst: Vor 30 Jahren posiert Sina vor dem Grundsee im Lötschental. 

SI

An Talent fehlt es Sina keineswegs. Das Glück und der richtige Augenblick sind 1994 da mit der Veröffentlichung ihres ersten Mundartalbums «Sina». 23 Wochen in den Charts, erreicht es Platinstatus. Für Sina ein Scheideweg – und Auftakt ihrer Karriere. Aus Ursula Bellwald, so Sinas bürgerlicher Name, wird über Sina Campell einfach Sina – und damit die, die sie heute ist: von der Bankangestellten über die Schlagerinterpretin zur Mundartmusikerin.

«Für uns ist sie immer s Ursli geblieben», sagt Monique Martig (47). Der Erfolg ihrer grossen Schwester sei dieser nie zu Kopf gestiegen. «Sie ist geerdet und offen geblieben und hat sich ihre Herzensgüte bewahrt.» Sinas Bruder Daniel Bellwald (57), der als Anwalt und Notar in Visp VS lebt, pflichtet bei. «In der Art, wie sie bis heute auf Leute zugeht, ist unsere Schwester eine echte Walliserin geblieben.» Das hätten alle Kinder vom Vater mit auf den Weg bekommen: jeden Menschen auf Augenhöhe zu betrachten und zu behandeln. «Es gab und gibt keinen Grund, mich als etwas Besonderes zu fühlen», bringt es Sina auf den Punkt.

<p>Erinnern, ohne nachzutrauern: Im Restaurant Nest- und Bietschhorn in Blatten VS amüsieren sich Sina und ihre Geschwister über den SI-Bericht von vor 30 Jahren (u.). «Die Pink-Floyd-CD ist von mir», erinnert sich Sinas Schwester.</p>

Erinnern, ohne nachzutrauern: Im Restaurant Nest- und Bietschhorn in Blatten VS amüsieren sich Sina und ihre Geschwister über den SI-Bericht von vor 30 Jahren (u.). 

Kurt Reichenbach

Im Wallis und im Aargau daheim

Mit 18 verlässt sie das Wallis. Als junges Mädchen zieht es sie zuerst nach Genf, dann nach Zürich. Seit nunmehr 20 Jahren lebt sie gemeinsam mit «meinem Mann», dem Musiker Markus Kühne (72), am Hallwilersee im Kanton Aargau.

«Als ich jung war, wollte ich wissen, was hinter den Bergen vom Lötschental ist.» Heute kehrt sie etwa einmal im Monat dahin zurück, wo ihre Wurzeln liegen. «Heimat ist für mich der Ort, an dem ich die Menschen um mich habe, die ich liebe. Wo sie sind, bin ich zu Hause. Und ich habe das grosse Glück, neben dem Wallis eine zweite Heimat im Aargau gefunden zu haben.»

<p>«Die Pink-Floyd-CD ist von mir», erinnert sich Sinas Schwester.</p>

«Die Pink-Floyd-CD ist von mir», erinnert sich Sinas Schwester.

SI

Gerade eben ist Sinas erstes Livealbum «Bescht of 30 Jahr» erschienen. Sina singt darauf Geschichten wie «Fiirvogl» und «Ich schwöru». Sie selbst ist mit Geschichten im Lötschental gross geworden.

«Ein magisches Tal!»

Ihre Grossmutter Maria war einst eine der ersten Hebammen hier. Auch deren Haus birgt eine einerseits traurige und andererseits berührende Geschichte. Denn als Sinas Grossvater 1948 einem Unglück zum Opfer fiel, baute sie quasi im Alleingang das Haus fertig, und wo Hilfe nötig war, halfen ihr die Menschen im Tal.

In den Geschichten des Tals stecke neben dem Magischen und Unerklärlichen viel Glaube, sagt die Sängerin. All das habe sie geprägt – auch die Kirche. Ihren allerersten überraschenden Auftritt hat die kleine Ursula, als der Pfarrer sie fragt, ob sie das Vaterunser singen könne. Bis dahin hat «s Ursli» in der Gemeinde als Gitarrenschülerin die Messen begleitet.

«Ab da wurde ich viel sensibler»

Zu einem von Sinas grössten Hits zählt bis heute ihr Lied «Där Sohn vom Pfarrär». Ein Song mit Sprengkraft – vor allem im Wallis. Als er 1994 veröffentlicht wird, weigert sich das lokale Radio sogar, diesen zu spielen.

Auch Sinas Familie erhält Reaktionen. «Das war ein bisschen so, als hätte sie die Büchse der Pandora geöffnet», erzählt Daniel. Er ist damals 26 und studiert an der Uni in Fribourg Jura. «Vor allem unsere Mutter Regina ist im Kirchenchor darauf angesprochen und gefragt worden, was denn die Ursula da singe? Da lastete schon ein gewisser Druck auf uns.»

Sina selbst bekommt damals in Zürich nicht viel davon mit. «Ich realisierte das lange gar nicht, weil mich nie jemand direkt darauf ansprach. Die Reaktionen gingen an die Familie und die Verwandten.» Mit der Zeit sei ihr bewusst geworden, dass das, «was ich aus mir rauslasse, über die Familie zurückkommt. Aber im Gegensatz zu mir sind sie vor Ort, müssen damit klarkommen und darauf reagieren. Ab da wurde ich viel bewusster in dem, was ich in Bezug auf das Wallis in meinen Liedern verarbeitete.»

<p>Heute: Da die Zufahrt zum Grundsee im Lötschental noch wegen Schnee gesperrt ist, stellten wir das Bild aktuell sechs Kilometer unterhalb am Fluss Lonza nach.</p>

Heute: Da die Zufahrt zum Grundsee im Lötschental noch wegen Schnee gesperrt ist, stellten wir das Bild aktuell sechs Kilometer unterhalb am Fluss Lonza nach.

Kurt Reichenbach

«Sich treu werden» lautet der Titel eines Buches, das vergangenes Jahr erschienen ist. Es zeigt Sina von verschiedenen Seiten, ihre Liebe zu Menschen, Duettpartnern und auch ihre ersten Gehversuche als «Nachtclub»-Moderatorin beim früheren Radio DRS.

Eigentlich heissts ja «sich treu bleiben». Warum also hat Sina die Redewendung abgewandelt? «Zu sich selbst finden ist ein langer Prozess.» Anfangs sei sie in die Musikwelt hineinkatapultiert worden, habe null Ahnung gehabt, was sie erwarte und was von ihr erwartet werde. Für sie sei alles Learning by Doing gewesen. «Damals konnte ich mir selbst noch gar nicht treu sein», sagt sie. «Ich musste erst herausfinden, was mir wichtig ist, wie ich dorthin komme und wie ich mich schützen muss in diesem Business.»

<p>Hoch hinaus, aber nicht abgehoben: Sina zeigt sich ausgelassen mit Monique und ­Daniel, zwei ihrer drei jüngeren Geschwister.</p>

Hoch hinaus, aber nicht abgehoben: Sina zeigt sich ausgelassen mit Monique und Daniel, zwei ihrer drei jüngeren Geschwister.

Kurt Reichenbach

Musikalische Familienbande

Musik verbindet Sina bis heute mit ihren Geschwistern. Monique unterrichtet einmal pro Woche als Lehrerin – unter anderem Musik. Daniel verfügt über ein sensibles Ohr, er hört jede noch so kleine Dissonanz aus Liedern heraus. Und wenn sie gemeinsam im Lötschental unterwegs sind, kann es sehr wohl vorkommen, dass Wanderern ein lauthals singendes Trio begegnet – zwar ohne die berühmte Mundartsängerin Sina, aber dafür mit dem «Ursli». Und die tönt – wie Sina!

Von René Haenig vor -701 Minute