Lieber Oliver Pocher
Da haben Sie den Bogen aber ganz schön überspannt. «Ich muss doch keine, die 45 ist, attraktiv finden», halten Sie in der 18. Folge ihrer Podcastsendung «Die Pochers hier» ihrer Gattin Amira schnöde entgegen.
Ihre Frau will davor von Ihnen wissen, welche reife Celebrity-Schönheit Ihnen so gefällt. Auf ihre Vorschläge (Charlize Theron, 45, oder Milla Jovovich, 44) antworten Sie empört: «Ja, aber vor zehn oder zwölf Jahren.»
Klar, Sie machen Comedy und provozieren quasi jobbedingt, doch Ihre Haltung und Häme drücken glasklar durch (und Ihre Frauen werden de facto immer jünger. Abstand aktuell: 15 Jahre).
Sie geben sogar noch einen obendrauf: Die präparierten «Botox-Hackfressen» der Ü40erinnen gefallen Ihnen ebenso wenig wie natürliches Reifen mit Falten und Hängebusen.
«Sollen wir uns mit 40 zu Hause einsperren?», fragt Ihre 27-jährige Frau zerknirscht. Worauf Sie irgendetwas Besänftigendes vor sich hinnuscheln.
Ja, lieber Herr Pocher, drehen wir den Spiess zunächst einmal um: Schauen Sie in den Spiegel. Da sehen Sie einen 42-jährigen älter werdenden Mann mit stetig schütterem Haar. Wie wollen Sie eigentlich attraktiv älter werden? (und nein: loses Mundwerk und ein dickes Portemonnaie allein reichen nicht).
Und schon stecken wir mitten in der spannenden Frage, was ältere Frauen denn attraktiv macht. Wenn ich so um mich blicke, sehe ich auf den ersten Blick tatsächlich viel Entmutigendes: Viele Frauen scheinen vom Leben enttäuscht. Viele sind verunsichert.
«Gehöre ich mit 40 schon zum alten Eisen? Bin ich plötzlich unsichtbar?», fragt sich in Anbetracht der boomenden Schönheitsindustrie offenbar eine wachsende Mehrheit. Den Fokus einzig aufs Herumschnipseln und Spritzen setzen, löst das Problem leider nicht. Machts gar nur noch schlimmer.
Ja, Herr Pocher, da kann ich sogar verstehen, dass Sie sich zum jungen unbeschwerten Gemüse hingezogen fühlen (umgekehrt wollen wir den alternden, schlaffen Couchpotatoe auch nicht).
Aber eben: Wir wollen Ihnen ja zeigen, was ältere Frauen attraktiv macht. Da kommt, kurz nachgedacht, rasch eine Liste zusammen, die sich beliebig verlängern liesse. Bittschön:
- Die attraktive ältere Frau weiss, wer und was ihr gut tut. Spätestens ab 45 fängt die «No Bullshit»-Phase an. Das Leben ist einfach zu kurz, um sich mit mageren Dingen zufrieden zu geben. Es wird ausgemistet. Bei Freundinnen wie bei Männern. Diese Haltung glitzert vergnügt in ihren Augen und schenkt ihr einen geschmeidigen Gang.
- Sie steht mit beiden Beinen im Leben. Jetzt ist Schluss mit dem Prinzessinnen-Getue. Talentshows und andere Casting-Ereignisse im TV sind nur noch zum Gähnen.
- Sie genügt sich selbst und benötigt für ihr Sicherheitsgefühl keine Bestätigung oder einen Mann an ihrer Seite.
- Sie realisiert ihre Träume.
- Sie nimmts locker. Egal, was der Mann schon alles angestellt hat. Sie hat ihre eigenen kunterbunten Geschichten.
- Sie kann sich selbst beschäftigen und schaut nicht gelangweilt das Formel-1-Rennen im TV, auf das er gerade Bock hat, mit. Sie hat ihre von ihm unabhängigen Hobbys und ihren eigenen Freundeskreis.
- Sie geht alleine shoppen und bezahlt mit ihrer Kreditkarte.
Noch ein letzter Gedanke, lieber Herr Pocher, vielleicht ein etwas unangenehmer: Könnte es sein, dass gleichaltrige Frauen Sie im Bett überfordern? Bekanntlich hat die Libido eines Mannes ihren Höhepunkt schon Anfang 20 überschritten. Bei der Frau geht es ab 30 erst richtig los und wird ab 40 immer besser.
Die attraktive ältere Frau kennt ihren Körper und ihre Lust, weiss, was ihr gefällt und sagt das auch. Sie ist mit Leib und Seele dabei und hat gelernt, auch im Bett egoistisch zu werden. Sie wird zum Vulkan!
Während die junge Frau mit dem Orgasmus des Mannes das Liebesspiel als erfolgreich abgeschlossen abhakt (ihr Schoss ruht in einer Art Dornröschenschlaf), will die ältere Frau ebenfalls auf ihre Kosten kommen und das nicht nur in Form einer einmaligen Mini-Rakete oder irgendwie am Rande: Sie will ein Erdbeben mit gefühlt ewigem Nachhall. Sie will mit ihrem Gegenüber verschmelzen und sich auflösen.
Ich kann verstehen, dass solche Worte, lieber Herr Pocher, etwas Angst machen können. In diesem herzergreifenden und für beide Seiten zutiefst befriedigenden Liebesreigen sind beide Geschlechter gefordert.
Doch wissen Sie, was an Ihrer Lage das Gute ist? Sie haben noch 13 Jahre Zeit, um sich auf eine Amira vorzubereiten, bei denen Ihnen Hören und Sehen vergehen wird. Freuen Sie sich darauf und üben Sie fleissig. Es lohnt sich!
Herzlichst,
Ihre Maria Ryser (bald 43 Jahre alt, hurra!)