Was ist das Schönste, was das Schwierigste in Ihrer neuen Rolle?
Der Anfang war sicher happig. Ich wusste nicht, was auf mich zukommt, und musste mich schnell anpassen. Aber da hat mir auch meine Vergangenheit geholfen. Durchs Tennis habe ich gelernt, mich einzusetzen und Durchhaltevermögen zu entwickeln. Aber ich mache es gerne. Es ist eine wundervolle Erfahrung.
Teilen Sie und Ihr Mann Harry sich die Nächte auf?
Ich schaue zu Lia. Denn Harry muss als Arzt frisch sein. Es ist schön, wenn er dann heimkommt und sich um sie kümmert. Aber die Rollenverteilung ist klar.
Der Schlafmangel …
… ist noch auszuhalten. Sie kommt so alle drei bis vier Stunden. Ziemlich regelmässig.
«Ich habe mein Ding gemacht. Jetzt freue ich mich, meine Tage mit Lia zu verbringen. Alles hat seine Zeit.»
Schätzen Sie es darum umso mehr, als Turnierbotschafterin in Lugano wieder unter die Leute zu kommen und etwas anderes zu arbeiten?
Auf jeden Fall. Nach fünf Wochen tut das gut. Ich war zwar schon im Pferdestall und auf dem Tennisplatz im TC Ried, aber nicht unter den Freundinnen, die ich hier habe. Diese Kontakte zu pflegen, ist wichtig. Es ist schön, hier zu arbeiten. Ich bin auch froh um die Hilfe meiner Mutter, die auf die Kleine schaut, wenn ich gerade gebraucht werde.
Haben Sie Sehnsucht nach dem Tennis, wenn Sie die Profis sehen?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte mein Leben auf der Tennistour. Nicht nur einmal, sondern mit meinen Comebacks gleich dreimal. Ich habe mein Ding gemacht. Jetzt freue ich mich, meine Tage mit Lia zu verbringen. Alles hat seine Zeit. Ich habe meine Karriere schon gehabt. Ich hatte danach den Luxus, zu entscheiden, dass ich Kinder haben möchte und Zeit dafür investieren kann.
Was haben Sie gelernt?
Meine Mutter hat mir gesagt: Sobald du Mutter wirst, musst du Kompromisse eingehen. Das stimmt. Als Sportler ist man sehr egoistisch. Muss man auch sein. Aber wenn so ein kleines Wesen da ist, rückt man an zweite Stelle. Das ist schon gut so.
Martina Hingis Harald Leemann und Lia
Belinda Bencic hat – trotz der Startniederlage in Lugano – erfolgreiche Wochen hinter sich, bezwang im Februar und März die Nummern 1, 2, 4, 5, 6 und 9 der Weltrangliste. Überrascht Sie das?
Überhaupt nicht. Ich wusste immer, dass sie gutes Tennis spielen kann. Meine Mutter gab ihr das mit auf den Weg. Und natürlich auch ihrem Vater Ivan, der nun wieder dabei ist. So kommt sie wieder in ihr Tennis hinein, in dem sie sich gut fühlt. Sie ist bereit und fitter als zuvor. Sie ist auch reifer geworden. Ich mag es ihr wirklich gönnen.
Sie gingen als junge Frau auch einmal eigene Wege und wollten ohne die Mutter auf der Tour sein. Ist das ein Prozess, der nötig ist?
Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, gibt es halt schwierige Phasen. Auch die eine oder andere Auseinandersetzung. Es ist schön, dass sie den Weg zueinander wieder gefunden haben.
Was kann Belinda in den nächsten Jahren erreichen? Wo ist ihr Limit?
Ihre Resultate sprechen eine deutliche Sprache. Überflüssig, zu sagen, wozu das reichen kann, wenn sie in ein paar Wochen sechs der zehn Besten besiegt.
Hat das Turnier in Lugano eine Schweizerin in den Top Ten nötig, um noch attraktiver zu werden?
Wichtig ist für uns, dass die besten Schweizer Spielerinnen hier sind. Belinda, Timea und Co. sind nicht nur Spitzenspielerinnen, sie kommen auch gut an. Wir haben die nötigen Zutaten für Erfolg. Natürlich spielt keine Serena Williams. Weil Lugano ein kleines Turnier ist. Klein, aber fein.
«Ich habe keine Nanny. Ich will mir nicht Zeit erkaufen, nur um wieder das machen zu können, worauf ich Lust habe.»
Sie haben derzeit mit Ihrer Tochter alle Hände voll zu tun. Wäre es in Zukunft dennoch denkbar, dass Sie wieder als Coach unterwegs sind?
Warum nicht? Vielleicht zeitweise, sicher nicht als Vollzeit-Job. Ich will vorläufig ganz Mutter sein. Nicht nur mit halber Kraft. Zeit ist das Wichtigste für das Kind. Ich habe ja auch keine Nanny. Ich will mir nicht Zeit erkaufen, nur um wieder das machen zu können, worauf ich Lust habe. Klar hilft mir die Mutter, damit ich Pausen habe. Aber das reicht auch. Ich will gar nicht, dass jemand anders mein Kind erzieht.
Tennis ist auch eine schöne Lebensschule. Sie haben mit zwei Jahren begonnen. Ist es verlockend, dasselbe mit Lia zu versuchen?
Für mich ist es das Natürlichste der Welt. Klar gebe ich ihr die Freude am Sport mit auf den Weg. Wir werden verschiedene Sportarten machen, nicht nur Tennis. Reiten, Skifahren, alles Mögliche.
Wer reitet derzeit Ihre Pferde?
Ich reite, wenn auch kürzer. Mal schnell eine Stunde. Das reicht. Dafür habe ich viel Wertvolleres. Das erste Lächeln. Solche Dinge. Jeden Tag etwas Neues.