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Seit fünf Jahren lebt Olympiasieger Donghua Li ohne seinen Sohn Janis, der mit sieben Jahren an einem unbekannten Krebs-Tumor gestorben ist. In seinem Kinderzimmer wimmelt es nur so von Erinnerungen. Langsam ist der Turner bereit, aufzuräumen und sich von einigen Dingen zu trennen. Blick
Vor fünf Jahren verlor Donghua Li seinen Sohn Janis

«Das schwarze Loch schliesst sich langsam»

Mit dem Albtraum aller Eltern, das eigene Kind zu verlieren, muss der ehemalige Spitzensportler Donghua Li umgehen. Das seit fünf Jahren. Woraus er Kraft schöpft und weshalb er langsam beginnt, die Kleider von Janis zu verschenken, erzählt er exklusiv Blick.

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Eine Libelle, die «Star Wars»-Stofffigur Meister Yoda und eine hellgrüne Kerze. Das legt Donghua Li (56) auf das Grab von Janis (†7) auf dem Friedhof von Adligenswil LU, sechs Tage vor dem fünften Todestag seines geliebten Sohnes. Blick darf den Schweizer Olympiasieger im Pauschenpferd von Atlanta 1996 begleiten. Es ist heiss, rund 29 Grad, Gewitterwolken zeigen sich am Horizont. Vier weitere Kindergräber liegen links und rechts der letzten Ruhestätte seines einzigen Sohnes.

Auf dem Grab seines Jungen liegt bereits eine Libelle aus Stahl, die sein Vater im Frühling 2021 hingelegt hat. Lächelnd sagt Li: «Janis und ich haben Libellen geliebt. Die neue habe ich extra in China bestellt.» Die Nacht davor habe er von Janis geträumt. «Wir waren auf dem Boot, was er liebte, er kam zu mir und hat gestrahlt, ich war so glücklich, es fühlte sich so real an.»

Plötzlich schwoll der Bauch von Janis an

Vor fünf Jahren ereignete sich im Leben des ehemaligen Spitzensportlers ein Drama, vor dem sich alle Eltern fürchten. Es war Freitag, der 16. August 2019 gegen Mittag. «Janis sagte mir: ‹Schau mal, wie dick mein Bauch ist.›» Schmerzen habe der Kleine keine verspürt, und doch ist Li mit ihm notfallmässig zum Kinderarzt gegangen, der ihn anwies, sofort ins Kinderspital Luzern zu fahren.

«Janis hat im Auto immer wieder gesagt, er möchte unbedingt ein ‹Happy Meal› bei McDonald’s in Dierikon essen gehen. Kurz bevor wir im Spital ankamen, bin ich umgekehrt und habe ihm die Freude gemacht, da ich nicht wusste, wie lange er im Krankenhaus bleiben muss. Janis hat so gestrahlt vor Freude.»

Danach begann der viertägige Albtraum. «Acht Kanülen Blut wurden ihm genommen, Biopsien, Untersuchungen, zwei Vollnarkosen und Operationen. Es war für meinen Sonnenschein eine unglaubliche Tortur. Ich glaube, ihm wurde da viel zu viel zugemutet», erzählt Li den Tränen nahe. Das Schönste im Spital sei für seinen Sohn gewesen, dass ihm seine Halbschwester Jasmin (27) einen Schulthek mit kleinen Drachen geschenkt hatte. «Janis liebte Drachen, wurde im Jahr des Drachen geboren, das sich nun nach zwölf Jahren wiederholt», so der gebürtige Chinese, der ergänzt: «Janis freute sich so sehr auf seinen ersten Schultag, aber er war dann leider im Spital.» Am Dienstag, 20. August 2019 um 17.55 Uhr verstarb Janis Li an den Folgen eines unbekannten Krebs-Tumors und innerer Blutung.

Die Fragen nach dem Warum haben Donghua Li lange gequält

In den Folgejahren kämpfe Li mit einem Anwalt um Einsicht in die medizinischen Berichte. «Weil man mir immer sagte, Janis sei zu fünfzig Prozent heilbar. Als Kind stünden die Chancen noch grösser.» Er habe da viele Gespräche mit den Zuständigen geführt, ohne eine Erklärung zu erhalten. Der Tod von Janis Li wurde als aussergewöhnlicher Todesfall klassifiziert. Li sagt: «Für mich ist es, als sei er einfach plötzlich aus meinem Leben verschwunden.»

Donghua Li fiel daraufhin über ein Jahr in ein tiefes, schwarzes Loch. «Ich habe so viel geweint, die Fragen: Warum er? Warum ich? haben mich bewegungsunfähig gemacht. «Doch ich wusste, ich muss da raus. Es tut mir nicht gut, und Janis wäre sehr traurig gewesen, mich so zu sehen.»

Sein christlich-buddhistischer Glaube habe ihm geholfen, weiterzumachen, wieder Freude zu empfinden. «Ich glaube an eine grössere Kraft. Eine, die uns sagt, akzeptiere, wie es ist, und geh weiter.» Er wisse, dass er im Geist immer mit seinem Sohn verbunden ist. «Ich habe den Moment gespürt, als sich seine Seele langsam von seinem Körper löste. Da habe ich mit meiner Familie in China Facetime gemacht, dass sie sich von ihm verabschieden konnten.»

Langsam ist er bereit, die Kleider zu verschenken

Szenenwechsel. Nach dem Besuch auf dem Kindergrab zeigt uns Donghua Li das Kinderzimmer von Janis, das fast unverändert aussieht. Der Staub auf dem Schreibtisch darf nicht entfernt werden. «Er verbindet mich mit Janis, auch wenn das komisch tönt. Meine Mutter hat mir gesagt, es sei Zeit, das Zimmer zu räumen. Manchmal denke ich, Janis kommt jeden Moment nach Hause. Heute wäre er zwölf. Ich beginne langsam damit, seine Kinderkleider und Spielsachen an Freunde zu verschenken. Ganz im Sinne von Janis, der so ein wunderbares, soziales Kind war. Ich habe auch vor, Kinderturnen zu geben. Auch das würde ihn glücklich machen.»

Mittlerweile habe sich seine Trauer in Dankbarkeit umgeschlagen. Für all die schönen Momente, die Donghua Li mit seinem Sohn hatte. «Das schwarze Loch schliesst sich langsam. Ich glaube an die Kraft des positiven Denkens. Für mich ist es das Beste, um weiterzuleben und Freude zu empfinden.»

Am 20. August, dem Todestag von Janis Li, wird Donghua Li zu seinem Grab gehen, weitere Spielsachen darauflegen und danach zu McDonald's fahren. An den Tisch setzen, an dem er mit Janis glücklich das letzte «Happy Meal» ass.

Von Flavia Schlittler und Philippe Rossier am 19. August 2024 - 18:00 Uhr