Achtung, der höchste Schweizer macht eine Ansage: Die Zuhörer sitzen am Tisch und essen gerade Joghurt und Babybel zum Zvieri. «Also, hört zu», sagt Eric Nussbaumer, «wir müssen noch ein paar Fotos machen. Drinnen und draussen. Wer ist dabei beim Fussballspielen?»
Schon rollt der Ball über die Quartierstrasse in Liestal BL, und der 63-Jährige mutiert zum Trainer. «Was müemmer mache, Grosspapi?» – «Mit links stoppen, mit rechts passen.» Zehn Jahre lang war Eric Nussbaumer Captain des FC Nationalrat. Wer hört besser auf seine Kommandos, Nationalräte oder Enkelkinder? Nussbaumer lacht. «Beim FC Nationalrat brauchts klare Ansagen, bei den Enkelkindern sollte man liebevoll motivieren.» Kunststücke mit dem Ball bringt Nussbaumer ihnen aber nicht bei. «So was kann ich nicht, ich bin ein reiner Zuspieler.»
Bevor der Sozialdemokrat Ende vergangenen Jahres Nationalratspräsident und damit zum höchsten Schweizer wurde, steckte er schon in mancher Schublade: Nussbaumer, der «Unternehmer», weil er als Elektroingenieur ein Energieunternehmen leitete. Nussbaumer, der «Banker», weil er Verwaltungsratspräsident der Alternativen Bank war. Nussbaumer, der «Euro-Turbo», weil ihm die Beziehungen zur EU wichtig sind. Auf seinem Sofatisch liegt – natürlich – das passende Buch: «Die Schweiz in Europa».
«Es geht mir nicht darum, sofort der EU beizutreten», sagt Nussbaumer, während sich seine Enkelkinder verzogen haben und seine Frau Margrit den Znacht vorbereitet. «Aber die Region Basel ist ein grenzüberschreitender Lebensraum. Die Beziehung zu unseren Nachbarn ist für uns überlebenswichtig, und hinter jedem Export steckt ein Arbeitsplatz.» Die Ferien verbringen er und seine Familie in ihrem Häuschen im Elsass. Dort steht auch das, was für seine Enkel das Coolste am Grosspapi ist – «sein Traktor!».
Ein linker Kirchgänger
Noch eine Schublade: Nussbaumer, der «Pfarrer». Mit seinem Glauben ist der SP-Mann bei den Linken beinahe ein Exot. Wobei Nussbaumer seine Mitgliedschaft bei der Evangelisch-methodistischen Kirche nicht an die grosse Glocke hängt. «Es gibt halt mehr im Leben, als einfach nur durchzufräsen», sagt er typisch trocken. «Daran kann man ab und zu einen Gedanken verlieren.» Er selbst wurde religiös erzogen, lernte auch seine Frau Margrit in der Kirche kennen. Seinen drei Kindern und seinen Enkeln lässt er diesbezüglich freie Hand. «Das müssen sie selbst entscheiden.»
Jetzt wird die Kinderschar noch mal zusammengetrommelt. Gerade sind sie dabei, die Schlafplätze zu verteilen, denn heute dürfen alle sieben bei den Grosseltern übernachten. Von gross bis klein sind das: Miro (11, Hobby Leichtathletik), Emilian (10, Basketball), Naïm (9, E-Bass), Jaron (9, Gitarre), Maxime (8, Tennis), Lyn (7, Pfadi) und Aurel (6, Ballsport).
Als die Diskussion über die Bettenverteilung immer lauter wird, stellt sich Emilian in die Mitte des Zimmers und versucht zu schlichten. Ähnlich wie sein Grossvater vor der Bundesversammlung. Doch der hat dort immerhin eine Glocke zu Hilfe, mit der er im Saal für Ordnung sorgen kann. «Bei der Bundesratswahl im Dezember war ich angespannt», sagt Nussbaumer, der seit 16 Jahren Nationalrat ist. Als Präsident muss er dem Parlament das «Rederecht» ermöglichen, gleichzeitig aber verhindern, dass es zu respektlosen verbalen Angriffen kommt. «In der Jungschar habe ich als Leiter gelernt, dass es immer einen gibt, der blöd findet, was man macht. Bei Konflikten lohnt es sich trotzdem, weiter miteinander zu reden.»
«Ein Mann, der Wort hält»
SVP-Nationalrat Rino Büchel sitzt mit Nussbaumer in der Aussenpolitischen Kommission – und im Büro des Nationalrats. «Eric und ich sind politisch vielfach nicht gleicher Meinung, zum Beispiel, wenns um die EU geht. Aber ich schätze seine überlegte Art. Und er ist ein Mann, der Wort hält.»
Nach 16 Jahren in Bern ist dies nun Nussbaumers letzte Legislatur. Besonders spannend findet er im Moment die Diskussion um die Neutralität. Und er hofft, dass die Schweiz «das Zeitfenster für Verhandlungen mit der EU nutzt». Und dann? «Gehe ich vielleicht in einen Chor. Das Sin-gen kam bisher neben der Politik zu kurz.»
Bei allen Vergleichen, die man zwischen seiner Rolle als Grossvater und jener als Chef der Bundesversammlung anstellen kann – für Nussbaumer ist ganz klar: «Bundesbern ist keine Familie.» Mit seiner eigenen Familie hat er ein hochgestecktes Ziel beinahe erreicht: Vor zehn Jahren sagte er der Schweizer Illustrierten, er wünsche sich eine Fussballmannschaft an Enkelkindern. Sieben von elf hat er für seinen nächsten Match bereits beisammen.