Offenbar existiert im deutschen Sprachraum der Nachname Oberbillig. Auch Kussmaul oder Hasenfratz sind Steigbügelhalter für Hänseleien. Dass man solche Namen nicht an seine Kinder weitergeben möchte, kann ich verstehen. Die Überlegung, ein Kind solle den klangvolleren, bedeutungsschöneren und vorurteilsfreieren Nachnamen beider Elternteile tragen, leuchtet mir ein.
Ich heisse aber Kempa. Kempa ist schön, selten, leicht zu buchstabieren. Der Name ist polnischen Ursprungs und soll die schöne Bedeutung «kleines Wäldchen» haben, das erkläre ich gerne. Ich identifiziere mich stark damit, obwohl ich keinen Bezug zu Polen habe. Dass meine Kinder gleich heissen sollen, war für mich immer klar. «Wir Kempas» haben nämlich ein Geheimrezept für unsere eigene Kempa-Tomatensauce, sehr früh aufstehen ist «typisch Kempa», unser dünnes, steckengerades «Kempahaar» finden wir unpraktisch.
Mein Name hat für mich einen starken emotionalen Wert, meine Kinder sind das Wichtigste in meinem Leben – Name und Nachwuchs gehören für mich also irgendwie zusammen. Bauchgefühl. Es gibt aber auch praktische Gründe, warum mir ein gemeinsamer Nachname mit meinen Kindern wichtig ist: Mein Alltag als alleinerziehende Mutter wird leichter, wenn man mich in der Schule oder beim Arzt den Kindern zweifelsfrei zuordnen kann.
Auf Reisen ist jedem Zollbeamten klar, dass wir dieselbe Familie sein müssen. Nicht zuletzt schaffe ich damit, dass ich als Frau meinen Nachnamen weitergebe, ein gewisses geschichtliches Gleichgewicht – während Generationen war dieses Recht den Vätern vorenthalten.
Es hat für mich so viele Vorteile, denselben Nachnamen zu tragen wie meine Kinder, dass ich absolut verstanden hätte, wenn dies dem Vater wichtig gewesen wäre. Dann hätte ich bestimmt mit mir reden lassen.
Sie haben gerade meinen Namen gelesen. Und wissen somit mit Sicherheit, dass ich Wurzeln im Balkan habe. Meine Eltern stammen aus Serbien. Ich finde das super. Ich bin zweisprachig aufgewachsen und habe quasi zwei Herzen, die in meiner Brust schlagen. Eines im Schweizer Takt, das andere im serbischen.
Was wunderbar klingt, war aber nicht immer simpel. Bei der Wohnungssuche und der Lehrstellensuche zum Beispiel war mein Name immer hinderlich. In der Schule war ich mit Z als Anfangsbuchstabe immer die Letzte, wenn es nach Alphabet ging.
Klar, die Zeiten haben sich geändert. Dennoch: Ich weiss nicht, wie viel Zeit meines Lebens ich damit verbracht habe und immer noch damit verbringe, meinen Namen zu buchstabieren.
Der Vater meines Kindes hat einen sehr klassischen Schweizer Nachnamen. Als ich schwanger wurde, waren wir beide zuerst der Meinung, dass unser Sohn meinen Namen bekommt. Bis wir beide ins Grübeln kamen. Wir haben «vic» versus unkompliziert schweizerisch. Je länger die Schwangerschaft dauerte, desto klarer wurde uns, dass der Junge den Schweizer Nachnamen bekommen soll.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mich nie wehmütig stimmt, dass mein Kind und ich anders heissen. Ich bin aber dennoch überzeugt, dass wir die richtige Entscheidung gefällt haben. Nicht zuletzt weil das Kind mit seinen zwei Jahren den eigenen Namen bestens aussprechen kann, während er so sehr über meinen stolpert, dass er sich regelmässig frustriert zu Boden wirft. Haha!