Ein Sprung hier, ein Sprung da. Gefolgt von eleganten Pirouetten und schnellen Steppschritten. Moritz Fischli (12) ist in seinem Element. Immer und überall. Auch in der heimischen Stube in Luzern nutzt der Zwölfjährige jeden freien Augenblick, um sich seiner grossen Passion, dem Tanzen, zu widmen. Und das, obwohl die Ruhezeiten daheim gerade jetzt essenziell wären: Seit rund zwei Monaten steht er nämlich als Billy Elliot auf der Bühne und hat damit die Hauptrolle im gleichnamigen Musical-Hit ergattert.
Für Moritz ein ganz besonderes Debütstück, denn der Film über die Geschichte von Billy Elliot, der sich gegen den Willen des Vaters fürs Ballett statt fürs Boxen entscheidet, hat seine heutige Leidenschaft geweckt: «Es gibt eine Szene, in der Billy energievoll auf einer Pflastersteinstrasse steppt. Diese Kraft und diese Emotionen haben mich beeindruckt. Ich bin aber froh, dass ich mich nicht durchsetzen musste, sondern immer unterstützt wurde.»
Moritz Fischli: «Wenn ich tanze, vergesse ich alles um mich herum»
Nach einem Hip-Hop-Sommerkurs schlägt seine Mutter Barbara Huber-Fischli (51) ihrem Jüngsten Ballett vor. «Ich habe in ihm immer diese beeindruckende Körperbeherrschung und stilvolle Haltung gesehen», erklärt die Deutschlehrerin. «Am Anfang war ich skeptisch», gesteht Moritz. «Ich hatte das Gefühl, dass Ballett nur für Mädchen ist. Gleichzeitig befürchtete ich, in der Schule aufgezogen zu werden.» Trotz allen Vorbehalten findet der damals Neunjährige Gefallen daran. Mit dem Wechsel in eine Ballettschule, bei der weitere Buben dabei sind, entfaltet sich Moritz’ Begeisterung vollends.
Auch Hänseleien seiner Mitschüler bremsen ihn nicht aus – im Gegenteil! «Das ist etwas, das mich und Billy verbindet. Für uns steht Ballett an erster Stelle. Auch wenn wir eher zierliche Personen und absolut keine harten Boxertypen sind, lassen wir uns nicht unterkriegen», sagt der Schüler selbstsicher.
Für die aktuelle Rolle nimmt Moritz einiges auf sich. Seit diesem Sommer wohnt er bei einer Gastfamilie in Zürich und besucht die dortige Sportschule. Diese ermöglicht ihm, die schulische Ausbildung stressfrei zwischen Proben und Auftritten zu absolvieren.
Herzschmerz, Stolz und Sorge
«Bisher funktioniert alles super. Ich habe mich eingelebt und fühle mich wohl. Auch in der neuen Klasse und mit meinen Musicalfreunden verstehe ich mich gut», sagt Moritz. Für seine Eltern war es deutlich schwieriger. «Das letzte Jahr war extrem hart», sagt Barbara Huber-Fischli. «Wir konnten am Anfang nicht abschätzen, was Moritz’ Engagement bedeutet. Rückblickend hat es in unserem Familienalltag sehr viel Raum eingenommen und uns gefordert. Wir sind aber froh, dass wir in langen Gesprächen eine Lösung ausarbeiten konnten, die für alle stimmt.» Trotzdem sei es für sie als Mami schmerzhaft, den Jüngsten ziehen zu lassen. «Gleichzeitig ist es beeindruckend zu sehen, wie erwachsen er in den letzten Monaten geworden ist.»
Von den fordernden Monaten ist bei Moritz nichts zu spüren. Trotz straffem Zeitplan, mehreren Trainingscamps und unzähligen Verpflichtungen sprüht er vor Energie. Doch in einem ruhigen Moment schmeisst er sich aufs Sofa zu seiner Mama, die ihm liebevoll durch die Haare fährt. Was er denn von zu Hause am meisten vermisse? «Nichts», flachst er und lässt seine Liebsten laut auflachen. Weiter stellt er mit einem spitzbübischen Lächeln klar: «Natürlich euch alle! Und meine Heimat Luzern. Alles andere ist mir aber ziemlich egal.»
Vater Stefan Fischli (51) zeigt sich ebenfalls zufrieden: «Wir sehen, dass es unserem Junior gut geht. Er ist mit Herzblut dabei, und alle Involvierten geben acht auf ihn. Moritz auf der grossen Bühne strahlen zu sehen, erfüllt mich mit Stolz.» Dennoch seien sie als Eltern stets achtsam: «Sollten wir in irgendeinem Moment Bedenken haben, werden wir selbstverständlich einschreiten. Gerade in Sportarten, die eine hohe Leistungsbereitschaft von Kindern fordern, ist es wichtig, dass sie daneben einen guten Ausgleich haben – zu Hause, mit Freunden und vielleicht auch mal bei einer anderen Freizeitbeschäftigung.»
Da sind auch die beiden älteren Geschwister, Linus (17) und Selma (15) hilfreich, die nichts mit Ballett am Hut haben und mit ihrem kleinen Bruder einen ganz normalen Familienalltag leben.
Die Bühne als Heimat
Moritz macht sich da überhaupt keine Gedanken, er träumt von einer Ballettkarriere. Sein grosser Wunsch ist es, später an der Tanz Akademie Zürich in einem Ensemble die Bühnen der Welt zu erobern. «Wenn ich tanze, vergesse ich alles um mich herum», schwärmt er. «Meine Gedanken sind frei, und ich spüre ein leichtes Kribbeln im Bauch vor Freude. Für mich ist es das Schönste, das es gibt.»
Auf dem grossen Parkett zu stehen, erfülle ihn mit Glück. «Das Publikum gibt mit seinem Klatschen so viel zurück. Es ist jedes Mal aufs Neue eine Bestätigung für mich, dass die Bühne meine Welt ist.» Mit seinen Sprüngen und Pirouetten wird der ehrgeizige Luzerner das Publikum nun noch länger in den Bann ziehen können. Nach über 50 000 verkauften Eintritten geht das Stück in der Zürcher Maag Halle in die Verlängerung und wird bis im Juni 2025 aufgeführt.