Dass Anna Dettwiler und Jérôme Bachmann nach Tochter Yuma, 2, noch ein Kind möchten, war klar. Doch nach zwei Fehlgeburten ist die 35-jährige Polygrafin «verunsichert und angespannt». Erleichterung bringt ausgerechnet der Ausnahmezustand. «Der Lockdown machte unseren Alltag entspannter», sagt Anna. «Dank Homeoffice und Kurzarbeit hatten wir glücklicherweise mehr Zeit füreinander.» Anna wird wieder schwanger. Papa Jérôme, ehemaliger Klubbesitzer, hatte schon vor Corona entschieden, sich für ein Studium der sozialen Arbeit zu bewerben. «Im Nachhinein gutes Timing!»
Das «Mümpfeli» hat gekämpft
Bei Annas Schwangerschaft hingegen ist das Timing nicht optimal. Eine Velotour der Familie endet mit einer Fahrt im Krankenwagen. Anna blutet häufig und muss liegen, auch mehrere Wochen im Spital. Ihre Plazenta befindet sich am falschen Ort. «Ich fühlte mich eigentlich total fit», erinnert sie sich. «Dass ich mich nicht bewegen durfte, war schwierig.» Am 28. November befürchten die Ärzte, Annas Fruchtblase sei geplatzt. Eineinhalb Monate vor ihrem Geburtstermin holen sie Mattea per Kaiserschnitt. «Sie war 44 Zentimeter und zwei Kilo, ein Mümpfeli.» Jérôme war bei der Geburt unter strengen Hygienevorschriften dabei. Nach zwei Wochen «an den Kabeln» darf Mattea nach Hause. «Sie entwickelt sich super», sagt Anna. «Ich bin so dankbar, dass wir Glück im Unglück hatten.» Und für Jérôme ist klar: In einem schwierigen Jahr hat seine Kleine «ganz viel Durchhaltewillen» bewiesen.
Lockerheit in der Pause
Einen Monat nach Beginn des Lockdowns hält Mirjam Portmann, 31, einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Die Überraschung ist gross, denn: «Eigentlich hatten wir unsere Familienplanung pausiert!» Mirjam und Andreas Portmann, 38, aus Nesselnbach AG versuchten seit einer Weile, eine Familie zu gründen. Die Treuhandangestellte und der Zimmermann hatten «zweimal Pech» und erlebten zwei Fehlgeburten. «Als der Lockdown kam, wollten wir es eine Weile lang nicht mehr probieren.» Zur Unsicherheit nach den beiden Verlusten kam die Sorge, wie gefährlich die Situation gesundheitlich werden würde. «Wir wollten warten, bis alles ein wenig ruhiger ist.» Doch Baby Yannik wartet nicht und macht sich kurz nach Beginn des Lockdowns auf den Weg. «Die spezielle Situation half uns wohl dabei, die Zeit einfach zu geniessen und das Ganze lockerer anzugehen», sagt Mirjam lachend.
Die Freude über die Schwangerschaft ist riesig, leider kann das Paar sie nur begrenzt teilen. «Diese Zeit hatten wir uns mit ganz vielen Besuchen und Umarmungen vorgestellt», sagt Mirjam. «Obwohl wir familienbezogen sind, hielten wir uns an die Massnahmen», so Andreas über diese «etwas einsame» Zeit. Seit Yanniks Geburt am 9. Dezember dürfen Verwandte kommen und den «ruhigen» Neuzugang mit Distanz, Maske und desinfizierten Händen bestaunen. Ende gut, alles gut? «Unser Fazit ist, dass es immer irgendwie gut kommt – auch wenn man sich manches anders vorgestellt hat.»
Eine Familie im «siebten Himmel»
«Wenn wir ein Restaurant betreten, rollen die Leute mit den Augen», sagt Sarina Rüegg, 35. Die neunköpfige Grossfamilie aus Gebenstorf AG fällt auf! «Zum Glück sagen auch viele, wie beeindruckt sie davon sind, wie wir das meistern.» Gerade der Lockdown war «eine grosse Herausforderung». Vater Guido, 56, Elektriker, ist seither sehr dankbar für den Garten. «Es gab Diskussionen, weil die Kinder ihre Freunde nicht treffen durften, aber die Zeit hat uns auch zusammengeschweisst.» Sarina, die sich um Kinder, Haushalt und das Homeschooling kümmerte, war «gut beschäftigt». Trotz dieser strengen Zeit wünscht sich das Paar ein siebtes Kind. «Das war keine Lockdown-Idee, sondern sowieso geplant. Mein Kinderwunsch war einfach noch da», sagt Sarina. «Wir dachten, dass ich vielleicht im Sommer schwanger werde. Und dann gings schneller.»
Charlie kam am 27. November zur Welt und wird seither nicht nur von den Eltern versorgt, sondern auch von Dennis, 14, und Jana, 12. «Sie tragen ihn herum, wickeln ihn und bringen sich selbstständig ein», sagt Sarina. Die Geschwister, zu denen mit Emma auch ein Kind mit Zerebralparese gehört, sind füreinander da. «Sie kennen es nicht anders.» Speziell: Bei den Rüeggs haben die Jungs den Ruf, fordernder zu sein als die Mädchen. Bisher ist Charlie aber einfach ein «liebes und entspanntes» Baby. Er ist übrigens nicht nur der Kleinste im Bunde, sondern auch der Letzte. «Unsere Familienplanung ist abgeschlossen», sagen die Rüeggs. «Jetzt sind wir komplett.»