Friedlich ists im sankt-gallischen Zuzwil, wo Kevin Fiala (27) aufgewachsen ist. In der Sommerpause kehrt der Eishockeyprofi jeweils gern aus Los Angeles in sein Elternhaus zurück. Hier findet er Ruhe vom turbulenten Alltag in der NHL, der besten Liga der Welt. Dieses Mal aber ist es etwas ganz Besonderes, denn jemand Neues ist dabei: die kleine Masie-Mae. Das Töchterchen des Los- Angeles-Kings-Stürmers und seiner Frau Jessica (28) ist vor zwei Monaten auf die Welt gekommen.
Kevins Eltern Renata und Jan Fiala sehen ihr Enkelkind zum ersten Mal. «Wir haben riesig Freude an der Kleinen und geniessen jede Sekunde mit ihr.» Es sind kostbare und seltene Momente – denn ihren Sohn sehen sie nur selten.
Erst Vater werden, dann wertvollster Spieler
Bewegte Monate liegen hinter dem 27-Jährigen. Erst gibt es in seinem Verein einen Trainerwechsel, danach scheidet er mit den Kings in den NHL-Playoffs aus, kurz darauf wird er Vater. Und das während der Eishockey-Weltmeisterschaft in Tschechien, wo er für die Schweizer Nati aufgeboten ist.
Fünf Tage nach der Geburt fliegt Fiala verspätet nach Prag und spielt noch am selben Abend gegen Tschechien. Er ist während der WM ein Schlüsselspieler für die Schweiz und wird später zum MVP – Most Valuable Player (wertvollster Spieler) – des gesamten Turniers gekürt. Für Fiala eine Nebensache: «Die Geburt von Masie-Mae war der schönste Tag in meinem Leben. Ich kann es nicht in Worte fassen. Alle haben mir das prophezeit, aber das muss man selbst erleben.»
Es ist hart, so kurz nach der Geburt abzureisen. Aber die WM ist wichtig für Fiala. Das weiss auch Jessica. Zwei Wochen sind sie voneinander getrennt, facetimen jeden Tag. So fühlt sich Kevin ihr und seiner kleinen Tochter verbunden. Jessica erzählt: «Ich weiss, wie viel ihm die WM und die Jungs aus der Nati bedeuten.» Speziell ist auch der Austragungsort Prag – seine Eltern sind in Tschechien aufgewachsen, Kevins Grossmutter ist bei den Spielen dabei, die tschechischen Fans feiern ihn fast als einen der ihren.
Als Fiala mit seinem Team den Final erreicht, fliegt Jessica für 30 Stunden nach Prag. Es sei auch für sie schlimm gewesen, Masie-Mae zu verlassen. Aber sie habe gewusst: Dieses Spiel ist entscheidend für Kevin. Und deshalb auch für sie. Unter keinen Umständen hätte sie es verpassen wollen. Nach dem 0:2-Drama gegen Tschechien und dem zweiten Platz ist Fiala wie alle Kollegen total niedergeschlagen. Die Enttäuschung hält bis heute an. «Es schmerzt immer noch. Ich war traurig, als wir nach Hause kamen. Aber Masie-Mae hat mir geholfen, das Ganze schneller zu verarbeiten.»
«Ein liebevoller Vater»
In seiner Rolle als Vater geht Fiala auf, schon immer hatte er den Traum von einer eigenen Familie. «Er ist ein sehr liebevoller und einfühlsamer Papa», erzählt Jessica über ihren Kevin. Aber er sei auch konsequent und wisse genau, wie er die Erziehung seiner Tochter gestalten wolle. Zärtlich streichelt Kevin über die Bäckchen von Masie-Mae. «Ich will halt einfach, dass alles perfekt ist für sie. Und sie das Beste vom Leben bekommt.»
Seit der Geburt hat sich vieles verändert. War Kevin vorher noch der Star der Familie, hat Masie-Mae ihm diese Rolle längst abgenommen. «Alles dreht sich jetzt um sie. Vorher war mein Sport wichtig – jetzt haben sich die Prioritäten verändert», gibt Fiala zu.
Trotzdem freue er sich sehr auf die nächste Saison. Den Stanley Cup zu gewinnen, die höchste Auszeichnung im Klub-Eishockey, steht weiter zuoberst auf der Wunschliste des Weltklasse-Stürmers. Dafür wird er oft unterwegs sein. Ungefähr 100 Tage im Jahr ist er bei Auswärtsspielen und Trainings. Er sei sicher, dass seine Leistungen sich in der kommenden Saison verbessern werden, denn: Durch harsche Selbstkritik falle er manchmal in ein emotionales Loch. «Masie wird mir helfen, mich wieder an das wirklich Wichtige im Leben zu erinnern, und mich da schnell wieder rausholen», sagt er und hebt die Kleine auf den Arm.
Das Baby hat Hunger und macht sich bemerkbar. Fiala übergibt sie seiner Frau und tauscht mit ihr ein paar Worte auf Schwedisch aus – der Sprache, die sie untereinander reden. Das Töchterchen wird viersprachig aufwachsen: Schweizerdeutsch, Englisch, Schwedisch und Tschechisch. Ihre Lovestory gleicht einem Hollywoodstreifen: Mit 16 Jahren wechselt Fiala vom ZSC nach Malmö, ein Jahr später zu HV71 nach Jönköping. Dort lernt er Jessica Ljung kennen. Sie spricht kein Englisch, er kein Schwedisch. Seine Teamkollegen vermitteln. Jessica erzählt: «Bei unserem ersten Treffen konnten wir uns kaum unterhalten. Aber es war Liebe auf den ersten Blick.»
«Wir leben den amerikanischen Traum»
Nach einem Jahr Beziehung zieht Kevin in die USA, Jessica folgt ihm. «Meine Mutter war total dagegen, ich war ja erst 19! Aber wir wussten, dass wir füreinander bestimmt sind», sagt sie. Zehn Jahre sind die beiden nun zusammen, zwei davon verheiratet. Vergangenes Jahr haben sie ein Haus in Los Angeles gekauft. Bis 2029 hat sich Kevin Fiala für 55 Millionen Dollar bei den Los Angeles Kings verpflichtet.
«Wir leben den amerikanischen Traum», erzählt er. Nur gewisse Esswaren vermissen die beiden: Jessica fehlen schwedische Süssigkeiten, Kevin hadert mit dem amerikanischen Barbecue. «Ich vermisse Cervelat. Oder die gute St. Galler Bratwurst!» Ganz ohne Senf – aber dafür in der süssesten Gesellschaft.