Ein positiver Schwangerschaftstest gehört zu den aufregendsten Momenten im Leben. Zu der Aufregung und Vorfreude gesellen sich aber auch viele Fragen. Wie wird das Leben mit Kind? Ist es gesund? Müssen wir umziehen? Wir regeln wir die Kinderbetreuung?
Zu den grössten und ersten Fragen gehören die rund um den Arbeitgeber der Mutter. Wann muss dieser über die Schwangerschaft informiert werden? Und was genau heisst Mutterschutz? Muss ich Angst haben, dass ich als Mutter meine Stelle verliere?
Diese und andere Fragen haben wir Elisabeth Fannin, Mediensprecherin von der Gewerkschaft Unia, gestellt.
Liebe Frau Fannin, darf ich als Frau im gebärfähigen Alter bei einem Vorstellungsgespräch nach der Familienplanung gefragt werden? Wenn nicht, wie reagiere ich?
Die Frage darf nicht gestellt werden, sie ist diskriminierend. Bewerberinnen dürfen gegenüber Bewerbern nicht benachteiligt werden, auch deshalb sind direkte oder indirekte Fragen zur Mutterschaft oder zur Familienplanung nicht erlaubt. Sie dürfen bei diskriminierenden Fragen schweigen oder zur Not sogar lügen. Allerdings nur, wenn die Frage keinen direkten Bezug zur Stelle hat. Wenn Sie mutig sind und sich dabei nicht allzuviel verspielen, dürfen sie auch nachfragen: «Was hat ihre Frage mit meiner zukünftigen Stelle zu tun?» und «Stellen Sie diese Frage auch meinen männlichen Mitbewerbern?»
Muss ich direkt nach der 12. Schwangerschaftswoche meinen Vorgesetzten über meine Schwangerschaft informieren?
Das Gesetz sieht keinen bestimmten Zeitpunkt vor. Sie haben das Recht, die Schwangerschaft zu verschweigen. Aus gesundheitlichen Gründen für Mutter und Kind ist es aber ratsam, wenn Sie Vorgesetzte frühzeitig über Ihre Schwangerschaft informieren, damit auf Ihre Gesundheit und die Ihres Kindes Rücksicht genommen wird. Wenn Sie die Arbeit nicht mehr wie gewohnt ausführen können oder die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet ist, müssen Sie Ihren Arbeitgeber über die Schwangerschaft informieren.
Wann kann ich vor der Geburt Urlaub beantragen?
Das Recht auf bezahlten Mutterschaftsurlaub bezieht sich auf die 14 Wochen nach der Geburt. Wenn aber im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) oder in Ihrem individuellen Arbeitsvertrag eine längere Mutterschaftsregelung vereinbart ist, können Sie den Beginn auch vor der Geburt ansetzen. Bei einem Anspruch von zum Beispiel 16 Wochen könnten Sie 2 Wochen vor und 14 Wochen nach der Geburt beziehen. Sollten Sie vor der Geburt gesundheitlich nicht mehr in der Lage sein, Ihre Arbeit auszuführen, können Sie auch in der Schwangerschaft ein ärztliches Zeugnis einholen und sich krank schreiben lassen.
Kann mir gekündigt werden, wenn ich schwanger bin?
Nein. Ihr Arbeitsvertrag kann während der gesamten Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Geburt nicht gekündigt werden. Wenn Sie allerdings selber kündigen oder mit Ihrem Arbeitgeber gemeinsam eine Vertragsauflösung vereinbaren, unterstehen Sie nicht mehr dem Kündigungsschutz. Achtung: In der Probezeit, die maximal 3 Monate dauern darf, kann Ihnen auch als Schwangere gekündigt werden.
Mir wurde gekündigt. Nun bin ich in der Kündigungsfrist schwanger geworden. Gilt der Kündigungsschutz trotzdem?
Nein. Ihre Kündigung ist immer noch rechtsgültig, wird aber «eingefroren». Die Kündigungsfrist läuft erst 16 Wochen nach der Geburt weiter. Das heisst, wenn Sie in der 2. Woche der 3-monatigen Kündigungsfrist schwanger wurden, so laufen die restlichen 11 Wochen Kündigungsfrist erst 16 Wochen nach der Geburt weiter.
Wie genau ist der Mutterschaftsurlaub geregelt?
Erwerbstätige Frauen haben nach der Geburt des Kindes Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von mindestens 14 Wochen. Während dieser Zeit stehen Ihnen 80 Prozent des Lohnes, den Sie vor der Geburt verdient haben, in Form von Taggeldern – dem sogenannten Erwerbsersatz – zu. Dieser berechnet sich in der Regel aus Ihrem Verdienst im letzten Monat vor der Geburt. Bei unregelmässigen Einkommen wird auf die letzten 3 Monate vor der Geburt oder in Ausnahmefällen auf einen längeren Zeitraum zurückgegriffen.
Ich möchte mein Kind stillen. Kann ich das im Betrieb tun?
Ja. Im ersten Lebensjahr des Kindes können Sie während der Arbeitszeit im Betrieb stillen. Sie haben das Recht, dazu einen ruhigen und ungestörten Raum zu verlangen. Sie können Ihr Kind aber auch auswärts (zum Beispiel zu Hause oder in der Kinderbetreuungsstätte) stillen.
Mein Kind ist krank und ich möchte bei ihm bleiben. Habe ich das Recht freizunehmen?
Wenn Ihr Kind krank ist, muss Ihnen der Arbeitgeber freigeben, damit Sie es betreuen können. Ihnen stehen dazu pro Krankheitsfall bis zu 3 Tage zu. Sie müssen ein ärztliches Zeugnis Ihres Kindes vorlegen. Diese Absenzen werden Ihnen als Arbeitszeit angerechnet (wie bei eigener Krankheit) und die Lohnzahlung richtet sich nach Ihren arbeitsvertraglichen Regelungen. Falls die 3 Tage nicht genügen, um die Pflege Ihres Kindes zu organisieren, dürfen Sie in begründeten Fällen der Arbeit auch länger fernbleiben. Die Absenz bis zu 3 Tagen steht Mutter und Vater zu (d. h. sie kann auf 6 Tage kumuliert werden).
Wer Kita-Kinder hat, weiss: Vor allem im Herbst und Winter muss man die Kleinen sehr oft abholen, weil sie fiebern/erbrechen. Wie sieht das rechtlich aus, wenn man los muss? Und gelten hier für Mütter und Väter die gleiche Regeln?
Es gibt gesetzlich keinen Unterschied zwischen Mütter und Väter. Ihnen stehen je drei Tage pro Krankheitsfall zu, um das kranke Kind zu pflegen. Wenn das nicht genügt, kann das in begründeten Fällen verlängert werden. Am besten holen Sie dann ein ärztliches Zeugnis ein
Wie sieht es mit Kinderarztterminen während der Arbeitszeit aus?
Der Arbeitgeber muss es ihnen ermöglichen, diese Termine wahrzunehmen. Allerdings ist es nicht ganz klar, ob diese Zeit auch bezahlt werden muss, hier gibt es eine gesetzliche Unschärfe.
Dürfen Väter den Vaterschaftsurlaub so legen, wie sie wollen oder beginnt der rechtlich am Tag der Geburt?
Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub beginnt mit der Geburt. Er kann innerhalb von 6 Monaten am Stück oder in Tranchen bezogen werden.
Gibt es ein Maximum an Tagen im Jahr, die Müttern und Vätern zur Verfügung stehen, sich um ihr krankes Kind zu kümmern?
Für das Betreuen von Familienangehörigen und Lebenspartner:innen stehen Ihnen 10 Tage pro Jahr zu. Wichtig zu wissen: Die Obergrenze von 10 Tagen gilt nur für die Betreuung von Familienangehörigen und Lebenspartner:innen, aber ausdrücklich nicht für die Betreuung eigener Kinder. Das bedeutet, dass Sie weiterhin für Ihre kranken Kinder sorgen können, ohne dafür die zehn Betreuungstage anzubrauchen. Sie haben Anspruch auf Ihren Lohn, wie bei eigener Krankheit.
Wie sieht es rechtlich aus, wenn ein Kind schwer erkrankt oder mit einer Behinderung zur Welt kommt, und sich die Eltern, oder zumindest ein Elternteil sich Vollzeit um das Kind kümmern muss?
Seit 2021 haben Eltern Anspruch auf 14 Tage Betreuungsurlaub, der über die Erwerbsersatzordnung (EO) bezahlt wird. Der gilt aber nur für akut kranke Kinder, nicht für Kinder mit einer Behinderung, die aber soweit gesundheitlich stabil sind. Diesen Urlaub können Sie unter sich aufteilen. Das ist natürlich viel zu wenig. Wir empfehlen, mit Betroffenenorganisationen in Kontakt zu treten.
Ist es richtig, dass Eltern im Fall des Todes ihres Kindes nur drei Tage der Arbeit fernbleiben dürfen?
Ja, drei Tage sieht das Gesetz vor. Falls die Eltern in einem Betrieb mit einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) arbeiten, kann der Anspruch länger sein. Bei Coop haben die Angestellten dank des Gesamtarbeitsvertrags beispielsweise Anspruch auf fünf Tage. Das ist natürlich immer noch sehr wenig.
Habe ich etwas wichtiges vergessen?
Es wird oft von mehr Teilzeitarbeit für Männer gesprochen, um die unbezahlte Arbeit zuhause besser verteilen zu können. Das ist ein Teil der Antwort. Da das Familieneinkommen so sinkt, löst Teilzeit das Problem nicht. Deshalb fordern wir eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn für alle und bessere Löhne in den Branchen mit Frauenmehrheit. Wenn mehr Männer stärker eingebunden wären, würde der Druck auf die Frauen abnehmen. Arbeitgeber wüssten dann, dass es sich um eine verhältnismässig kurze Zeit im Leben eines Menschen handelt, in dem Kinder umsorgt werden müssen. Kinder werden ja zum Glück auch mal grösser. Der Vorteil wäre für die Männer, dass sie so einen besseren Ausgleich zwischen Beruf und Privatleben hätten, für die Arbeitgeber, dass die Kinderbetreuung auf beide Geschlechter aufgeteilt ist und für die Frauen, dass die Last nicht ausschliesslich auf ihren Schultern liegt.