Leise klimpern die Champagnergläser, als sie auf die Arbeitsfläche in der Küche gestellt werden. Mit einer geübten Handbewegung entfernt Tatana Sterba (47) das goldene Folienpapier und löst vorsichtig den Drahtkorb von der Flasche. Knallend schiesst der Korken hinaus. «Mama, komm! Lass uns anstossen, ehe die Kinder kommen», sagt die 47-Jährige.
Einen Grund zum Feiern liefert nicht nur der Besuch ihrer Mutter, sondern auch ein Jubiläum. Vor 30 Jahren steht die Zürcherin erstmals als DJ Tatana hinter den Plattentellern.
Von der Banklehre an die Plattenteller und ins Burnout
Noch während ihrer Banklehre mausert sie sich im Eiltempo zu einer der meistgefragten Techno-Musikerinnen weltweit. 20 Gold- und sechs Platinauszeichnungen, zwei Prix Walo und einen Swiss Music Award nennt sie ihr Eigen. Mit ihren melodischen Klängen sichert sie sich den Titel als «Queen of Trance» und ist lange das Aushängeschild der Street Parade – bis ihr alles zu viel wird. Auf den Höhenflug folgt 2008 der tiefe Fall. Tatana schlittert in ein Burnout. «Ich habe mich wie in einem luftleeren Raum gefühlt, bin kaum aus dem Bett gekommen.» Und: «Ich habe nie für einen Ausgleich zu meinem ungesunden Lebensstil gesorgt. Zusätzlich hat mich das Jetten um die Welt einsam gemacht.» Nach vier Wochen Klinikaufenthalt entschliesst sie sich für eine Karrierepause.
2011 kehrt Tatana auf die Bühne zurück, ehe sie sich 2014 wieder verabschiedet. Diesmal ist der Grund erfreulich: Ihr Sohn Lenny kommt zur Welt, drei Jahre später folgt Anthony-Kay. Für Tatana ist klar: «Die ersten sechs Jahre sind für die Entwicklung eines Kindes essenziell. Deshalb habe ich mich bewusst entschieden, kürzerzutreten.» Bereichernd – und anstrengend. Kurz nach der zweiten Geburt trennt sie sich vom Vater ihrer Söhne, einem Schweizer Stuntman. «Er war und ist für die beiden da und kümmert sich liebevoll um sie. Im Alltag bleibt aber viel an mir hängen.»
Eigene Bedürfnisse stellt DJ Tatjana als alleinerziehende Mutter hinten an
Als alleinerziehendes Mami müsse sie eigene Bedürfnisse oft hinten anstellen. «Das mache ich jederzeit gern», stellt Tatana klar. «Und doch gibt es Momente, in denen es an die Substanz geht und ich am Abend auch mal ein Tränchen verdrücke aus Erschöpfung.» Eine grosse Stütze sind ihre Eltern, mit denen sie bis vor Kurzem in einer Drei-Generationen-WG lebt. «Nur dank ihrer Hilfe und meinem Ersparten war es mir möglich, mir so eine lange Auszeit nehmen zu können.» Jetzt, wo die Buben grösser sind und Antonie Sterba (74) pensioniert ist, pendelt sie zwischen ihrer Heimat Tschechien, die sie einst aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hatte, und der Schweiz.
Die Jungs stürmen herein. «Wie wars der Schule?», fragt Tatana. Unisono folgt die kurze Antwort: «Gut.» «Lenny ist der Ruhige und Intellektuelle, Anthony der Aufgeweckte und Kreative. Die beiden sind mein grosser Stolz, mein Antrieb und meine tägliche Inspiration», schwärmt Tatana. Die Buben verschwinden in ihren Zimmern, es wird ruhig. Im Hintergrund ist Entspannungsmusik zu hören.
«Meine Kinder geben mir Kraft und inspirieren mich jeden Tag aufs Neue»
DJ Tatana
Während sie als DJane an Gigs elektronische Beats präferiert, haben es ihr daheim leise Töne angetan. «Seitdem ich regelmässig meditiere, bin ich ein neuer Mensch. Ich habe meine innere Mitte entdeckt. So ein Gefühl kannte ich zuvor nicht.» Die innere Einkehr ist ihr Ventil, um nicht wieder in einer Überarbeitung zu enden. Denn die Königin kehrt zurück!
«Meine Jungs sind langsam in einem Alter, in dem ich mich öfter wieder mir und meiner grossen Leidenschaft widmen kann. Umso mehr freue ich mich auf mein Jubiläum dieses Jahr», sagt sie und verspricht: «Mein neues Album, das im Sommer erscheint, wird vieles übertreffen, und doch werde ich meinem Stil treu bleiben.» Es habe sich viel verändert. «Die meisten kommen heute mit einem Stick und drücken ‹Play›. Ich habe noch mit Schallplatten und Nadeln auflegen gelernt und werde wie immer schon live mixen.»
Zum wilden Partyleben wird sie allerdings nicht zurückkehren. Die Zeiten, in denen sie mit Drogenkonsum für Schlagzeilen sorgte, sind ein für alle Mal vorbei. «Es gibt einige Dinge, die ich heute anders machen würde. Aber grundsätzlich bereue ich meine Vergangenheit kein bisschen», sagt sie bestimmt. Dass ihre Kinder sie wohl irgendwann auf «damals» ansprechen, bereitet Tatana keine Sorge. Sie pflege mit den beiden eine ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe. «Mir ist wichtig, dass in unserer Beziehung kein Machtgefälle herrscht. Meine Söhne dürfen jederzeit ihre Meinung äussern und können sicher sein, dass sie ernst genommen werden. Das stärkt uns als Trio.» Tatana hebt ihr Glas: «Aufs Jubiläum! Aber vor allem auf unsere grossartige Familie!»