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Im Singcamp die Kindheit zelebrieren

Ein Dorf voller Goofen

Seich machen, Süssigkeiten essen und singen: Das Musikprojekt Schwiizergoofe feiern im Singcamp die Kindheit in vollen Zügen und mit allem Drum und Dran. Die 130 Kids haben aber auch einen Stundenplan und müssen «a d Säck».

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Schwiizergoofen 2023

Singen, tanzen, Abenteuer erleben: Mit 130 Kindern geniesst Initiantin Nikol Camenzind das Schwiizergoofe Singcamp in Melchtal OW.

Thomas Buchwalder

Aus der Waldhütte tönt laut Kindergesang. «Momente wie die, so Momente, die bhalti für immer tief i mir, tief i mir inne.» Sofort stimmt eine andere Schar aus dem Gebäude Hochsitz in den Chor mit ein. Der Ohrwurm und vielleicht neue Hit der Schwiizergoofe («Pyjamaparty»,«Achtung Fertig Los!») bringt Jörg (54) zum Schmunzeln. Der freiwillige «Goofe-Polizist» steht auf dem Zebrastreifen zwischen den beiden Häusern. Während des Schwiizergoofe Singcamps im Obwaldner Sportcamp Melchtal sorgt der Hauswart aus Freiburg dafür, dass alle sicher über die Strasse kommen – inklusive High Five. Und gerade ist Stosszeit: Mittagspause und Handyzeit sind vorbei. Der Stundenplan mit Gesangs- und Tanzproben, Studioaufnahmen sowie Spass und Spiel ruft. Die sechs Gruppen – benannt nach den Regenbogenfarben, aufgeteilt nach Stimmfarben und Dialekten – nehmen im Camp die nächste CD auf.

130 Kinder aus der ganzen Deutschschweiz sind angereist – beworben haben sich 7000. «Anfangs galt ‹first come first serve›», erzählt Gründerin und «Obergoof» Nikol Camenzind (40). «Doch unsere Website war durch die vielen Aufrufe überlastet, seither wird die Teilnahme ausgelost.» So kennen die Kinder zwischen acht und zwölf Jahren meist niemanden, was neue Freundschaften bringt. «Ich bin berührt vom Vertrauen der Eltern, die mir ihr grösstes Gut geben», sagt Nikol.

Schwiizergoofen 2023

Team Grün rappt in einem der zwei Gruppenstudios den Refrain zu «Momente wie die». Der Song erscheint auf der CD Nummer 12.

Thomas Buchwalder

Treue Helfer, viele Emotionen

40 Erwachsene – darunter Helfer und Betreuer, ausgebildete Tanz- und Vocal Coaches sowie Musikproduzenten – stehen Nikol Camenzind während der Woche zur Seite. Viele von ihnen sind seit Jahren mit dabei und manche «Goofen»-Eltern. «Es ist eine Welt für sich», sagt Musikproduzent Roger Massimo (46) der schon mit Seven oder Greis gearbeitet hat. «Es gibt nichts Schlechtes in dieser Woche.» Flavia Paganoni (25) ist seit sechs Jahren als Betreuerin dabei – da ihre jüngere Schwester ein «Goof» war. «Die Woche ist voller Emotionen, Energie und Musik.»

Die Kindergärtnerin ist bei Gruppe Blau (26 Kids) «fürs Heimweh, für die glücklichen Momente, die Kuscheltiersuche, das Zähneputzen und das Einhalten der Nachtruhe da». Wobei: «Wir sind zwar spätestens um elf im Bett, aber das heisst nicht, dass wir schlafen», sagt Til (11). «Wir schlafen auch auf dem Boden», verrät Noel (11). Dann erzählen sie einander «Geschichten oder machen voll Party».

Schwiizergoofen 2023

Nikol Camenzind textet alle Songs mit Produzent Georg Schlunegger. Dessen Tochter Elif (das zweite Mal dabei) singt gerade «Pa-Pa-Papagei» ein.

Thomas Buchwalder

Von Kindern für Kinder

Während Gruppe Orange den Tanz zu «Mer» einstudiert, gehts für Elif (8) ein paar Treppen hinauf ins Solostudio (eines von sechs mobilen Studios im Camp). Die Tochter von Musikproduzent Georg Schlunegger (42) (Heimweh, Stubete Gäng) ist nervös vor ihrem Einzelpart im Lied «Härzschlag». Ihr Papa zeigt Verständnis. «Ansonsten kommt Elif nur ab und an Hallo sagen», erzählt er. «Zu sehen, wie sie hier tanzt, sich wohlfühlt und neue Freunde gefunden hat, ist das Schönste.» – «Ja, plötzlich sind wir nicht mehr der Alltag unserer Kinder, sondern können sie bei ihrem Alltag beobachten», sagt Nikol, deren drei Kinder ebenfalls dabei sind. Ihr Nachwuchs inspiriert Schlunegger und Camenzind beim gemeinsamen Songschreiben. «Turn around» entstand, weil Camenzinds Tochter Nika (9) überall herumturnt. Schluneggers Tochter Elif wollte ein Lied über Hexen, so gibts nun «Häxesuppe». «Mir ist wichtig, dass die Lieder auf Augenhöhe mit den Kindern sind. Georg und ich erheben nie den pädagogischen Mahnfinger.» Freundschaft und der Glaube an sich selbst stünden im Zentrum.

Schwiizergoofen 2023

Buntes Zvieri ...

Thomas Buchwalder
Schwiizergoofen 2023

... und keine Zimmerordnung. «Im Camp dürfen sie ganz Kind sein, da gehören Süssigkeiten und ihr eigenes Reich dazu», sagt Camenzind.

Thomas Buchwalder

In der Küche sind die Teigwaren fertig für den Hörnlisalat. Mila, 13, aspiriert als Küchenhilfe, ist Ex-«Goof» und die älteste Tochter von Nikol Camenzind. Wegen Mila hatte sie das Projekt Schwiizergoofe vor zehn Jahren gestartet, da sie keine Popmusik von Kindern für Kinder auf Mundart fand. «Für mich ist das hier alles ganz normal. Schon von klein auf war ich stets dabei», erzählt Mila. Doch nun ist sie aus dem «Goofe»-Alter raus. «Mit 13 werden sie Teenager und entwickeln automatisch andere Interessen», erklärt Camenzind die Altersbegrenzung. «Und da es ein offenes Projekt ist, können so auch neue Kinder nachkommen.» Immerhin: «Als Küchenhilfe kann ich noch ein Teil davon sein», sagt Mila.

Schwiizergoofen 2023

In der Waldhütte probt Gruppe Orange die Schwiizergoofe-Hits von morgen, etwa «Pa-Pa-Papagei» oder «Häxesuppe».

Thomas Buchwalder

Es geht wieder über die Strasse, wo Jörg zuverlässig in seiner gelben Leuchtweste High Fives verteilt und den Verkehr navigiert. Gruppe Blau singt noch einmal lauthals Zeilen, die wohl bald auch aus vielen Kinderzimmern zu hören sein werden: «Und ich schnippe mit de Finger, scho si si hie, Momente wie die!»

Schwiizergoofen 2023

Mission Hörnlisalat: Mila, 13 (r.), und Giannina, 15, sind «Küchenhilfe in Ausbildung». Motto: «Wir werden gross, doch nie erwachsen.»

Thomas Buchwalder
Schwiizergoofe

10 Jahre – 800 Chartswochen

2013 gründet Nikol Camenzind die Schwiizergoofe, ein Musikprojekt «vo Chind für Chind». 16 Sing-CDs sind bisher veröffentlicht; alle landeten in den Schweizer Albumcharts, viermal auf Platz 1. Mit über 800 Wochen in den Charts sind die Schwiizergoofe «erfolgreichster Schweizer Künstler» der Gegenwart. Über 200 Konzerte haben sie gegeben (4500 Kinder wurden bereits durch das Projekt aktiv gefördert), sind mit Pink-Floyd-Legende Roger Waters im Stadion Letzigrund aufgetreten. Den Umsatz der Schwiizergoofe GmbH gibt Camenzind nicht bekannt, «aber ohne unsere Partner Coop und Samsung wäre das Projekt in diesem Umfang nicht möglich». Seit Tag 1 besteht eine Partnerschaft mit Unicef, die Kindern sauberes Trinkwasser ermöglicht.

Von Aurelia Robles am 30. Juli 2023 - 07:00 Uhr