Das erste, das mir morgens begegnet, ist «Paw Patrol». Der Grund ist simpel: Seit mein Dreijähriger ein «Paw Patrol»-Pyjama besitzt, trägt er kein anderes mehr. Ähnlich, nein, gleich verhält es sich mit der seiner Zahnpaste: Seit er gesehen hat, dass es «Paw Patrol»-Zahnpaste gibt, auf der dann auch noch sein Lieblingsfellfreund Fellfreund Chase drauf ist, putzt der Kleine seine Beisserchen mit nichts anderem mehr. Okay, hier will ich Gnade walten lassen: Seit «Paw Patrol» Einzug in sein Zahnputzglas genommen hat, putzt unser Sohn seine Zähne freiwillig und easy drei Mal täglich.
Gehen wir raus, muss, man ahnt es, die «Paw Patrol»-Znünibox mit. Daheim trinkt er nur aus dem Becher, auf dem die Hunde Marshall (Feuerwehr) und Chase (Polizei) drauf sind. Das sind nur vier von viel mehr Beispielen, wie die Viecher langsam aber sicher unser Daheim verseuchen und sich derweil so breit gemacht haben, dass selbst mein Freund und ich hie und da in «Paw Patrol»-Ausdrücken miteinander sprechen.
Aber von Anfang an: «Paw Patrol» ist die erfolgreichste Kinderserie aller Zeiten. Sie feiert aktuell ihren zehnten Geburtstag. Eigentlich herzig, könnte man meinen. Schliesslich werden kleine Kinderaugen nie so gross wie wenn sie eine Folge «Paw Patrol» schauen dürfen oder im Supermarkt am «Paw Patrol»-Gestell vorbeispazieren. Und sich hinlegen. Und nie mehr wegkommen, bevor sie nicht mindestens ein Teil in den Einkaufswagen legen dürfen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Wo sind Ryders Eltern?
À propos Geschichte: Die Handlung von «Paw Patrol» ist so simpel wie unlogisch. In den Hauptrollen sehen wir sechs Hunde: Chase, Marshall, Rocky, Zuma, Rubble und Skye. Sie werden vom 10-jährigen Technikliebhaber Ryder angeführt.
Die «Paw Patrol» vereint Heldenmut, «coole» Fahrzeuge mit viel Kinderhumor. Alle «Fellfreunde» haben einen kleinen Rucksack für ihre Missionen, damit sie für alles gewappnet sind – egal, ob sie eine Katze vom Baum retten oder einen Zug vor herabfallenden Steinen zu bewahren. Ganz im Stil ihres Mottos, das uns pausenlos aus dem Bildschirm entgegengeplärrt wird: «Kein Einsatz zu gross, keine Pfote zu klein!»
Alles harmlos. Auf den ersten Blick, ja. Auf den zweiten stelle ich mir aber einige Fragen: Wo sind Ryders Eltern? Wie kann es sein, dass ein Zehnjähriger alleine in einer Einsatzzentrale lebt, sechs Hunde hält, nicht zur Schule muss, immer gut gelaunt ist und alle Probleme lösen kann?
Allgemein haben es die Macher der Serie nicht so mit Erwachsenen. Es kommen fast keine vor. Ausser Bürgermeister Besserwisser (ein mühsamer Zeitgenosse) und Bürgermeisterin Gutherz (sehr nervige und überdrehte Persönlichkeit).
Nervig finde ich auch die Stereotypen, mit denen hier geweibelt wird. Sky, eine Hundedame, hat natürlich riiiesige Augen und trägt Eyeliner. Ihr Superwagen ist superpink. Sie kann fliegen. Olé olé. Viel cooler fände ich, wenn sie baggern könnte. Oder ein Polizei- oder Feuerwehr-Hündli wäre. Aber das ist natürlich «richtigen Kerlen» vorbehalten. Notabene im Jahr 2023.
Früher war eben doch alles besser!
Okay, ich weiss, ich bin natürlich nicht die Zielgruppe. Aber ich bin die Mutter eines sehr zielgruppigen Sohnes, der so angefixt ist, dass wir nicht wissen, ob er jemals wieder Kleider, Bettwäsche oder Spielsachen akzeptiert, die nicht «Paw Patrol»-verseucht sind. Vielleicht ist es genau das, das mir so Angst macht. Wie kann es sein, dass schon die Kleinsten auf die grössten Marketing-Maschinerien anspringen?
Mir bleibt wohl nicht viel anderes übrig, als mich in Geduld zu üben. Irgendwann wächst unser Bub aus dem Ganzen raus. Bis dahin machen wir weiter wie bis anhin: Wir versuchen ihm «Pippi Langstrumpf», «Heidi» und «Lassie» schmackhaft zu machen. Gerne zitiere ich für einmal meine eigene Mutter: Früher war alles besser. Nimm das, «Paw Patrol»!