Neulich gab es im Hause Simic eine Situation, die zuvor so noch nie stattgefunden hat: Als Eli Simic, 32, mit ihrer Tochter Mia, 2, im Kinderzimmer stand, schickte die Kleine sie plötzlich raus. «Mami use», sagte die Zweieinhalbjährige. Und Eli Simic war erst einmal perplex und auch etwas misstrauisch. Was führt ihre Tochter im Schilde? Und wieso soll sie raus und auch noch die Zimmertür hinter sich schliessen? Aber die alleinerziehende Mutter respektierte den Wunsch ihrer Tochter und verliess das Zimmer.
Das anfängliche Misstrauen verflog, als Eli Simic an der geschlossenen Kinderzimmertür horchte und hörte, dass Mia einfach nur für sich allein in der Spielküche herumschepperte. Eli begriff, dass ihre Tochter einfach Zeit für sich brauchte. «Das fand ich u herzig» erzählt Simic auf ihrem Instagram-Kanal.
Seit dieser Begebenheit macht sich Eli Simic intensiv Gedanken dazu, wie viel Privatsphäre Kindern eigentlich zusteht. «Haben Eltern das Recht, einfach so in ein Kinderzimmer zu platzen?», fragt sie ihre Follower. Und kommt zum Schluss: «Nein. Auch ein zweieinhalbjähriges Mädchen hat ein Recht auf Privatsphäre. Eltern müssen das akzeptieren.»
Seither hat Mia Eli bereits ein paar Mal aus dem Zimmer geschickt. Eli respektiert die Grenzen ihrer Tochter. «Ich habe angefangen, an die Kinderzimmertür zu klopfen und zu fragen, ob ich reinkommen darf, wenn ich zum Beispiel die Wäsche in den Schrank räumen möchte.» Auch wenn Mia auf dem Häfeli sitzt, muss Mami nun manchmal den Raum verlassen. Für Eli völlig ok. Sie findet es unfair und schlimm, wenn Eltern ihren Kindern keine Privatsphäre gönnen. «Wir Erwachsenen brauchen das ja auch.»
Dass das der Wunsch nach Privatsphäre für ihre Tochter so früh zum Thema wird, hat Eli Simic überrascht. Dass dieses Thema eine ganze Kindheit lang aktuell bleiben und sich immer wieder wandeln wird (später kommen neue Bereiche wie Freundschaften, noch später die sozialen Medien dazu) ist klar. Dass nicht alle Eltern damit gleich umgehen, ebenfalls.
So schreibt beispielsweise unser Redaktor Toni Rajic über die Erziehungsmethoden seiner Mutter: «Sie ist der festen Überzeugung, dass Kinder kein Recht auf Privatsphäre haben.» Geschadet habe es ihm nicht. Mit Abstand und erwachsener Gelassenheit kann er sich sogar darüber amüsieren, statt sich aufzuregen.
Auch unsere Familien-Kolumnistin Sandra C. hat sich mit der Privatsphäre ihrer beiden Kinder auseinandergesetzt. «Wie weit darf und soll man sich eigentlich als Eltern ins Leben der Kinder einmischen?», fragt sich die Mutter zweier Teenager in ihrem Blog «Der ganz normale Wahnsinn». Und kommt zum Schluss, dass Eltern sich auf einem schmalen Grat bewegen zwischen Verantwortung zur Aufsichtspflicht und dem Recht der Kinder auf Freiheit und Privatsphäre.
Das Recht auf Privatsphäre und Würde ist in der UN-Kinderrechtskonvention verankert. Kinder haben ein Recht auf Geheimnisse und Rückzugsraum. Und auch ein Recht darauf, ihre Grenzen festzulegen. Was aber nicht bedeutet, dass Eltern sich dem Kinderwillen fügen müssen. Denn die Kinder haben auch das Recht darauf, dass ihre Mütter und Väter ihrer Pflicht zur elterlichen Sorge nachkommen und ihren Kindern eine fürsorgliche Erziehung zukommen lassen.
«Je mehr Erwachsene überbehütend, sorgenvoll und ängstlich sind, desto weniger entwickelt sich die Lebenskompetenz der Kinder»
Jesper Juul
Diese Grenze zwischen Fürsorge und Freiraum zu spüren, ist eine der schwierigsten Aufgaben in der Erziehung. Sicher ist, dass Eli Simic alles richtig macht, wenn sie ihrer Tochter schon im zarten Alter von zwei Jahren Zeit für sich zugesteht. Denn dieser Freiraum ist wichtig für die gesunde Entwicklung der Kinder, sagt auch Ausnahme-Pädagoge Jesper Juul: «Je mehr Eltern und andere Erwachsene überbehütend, sorgenvoll und ängstlich sind, desto weniger entwickelt sich die fundamentale Lebenskompetenz der Kinder und Jugendlichen. Und umso niedriger wird deren Selbstverstrauen und umso schlechter deren Selbstwertgefühl sein.»