Sei es ein Schnappschuss des mit Brei verschmierten Gesichts, ein Bild vom vergangenen Strandurlaub oder eines, das die lustige Zahnlücke verewigt: Kinderbilder, die früher ins Fotoalbum geklebt wurden, posten Eltern heute stolz in den Sozialen Medien. Der Unterschied: Beim Fotoalbum bestimmte man selbst, wem man es in die Finger gibt. Sind Bilder im Internet gelandet, verliert man rasch die Kontrolle darüber, wer sie zu sehen bekommt.
Um die Privatsphäre der Kinder zu wahren, hat die deutsche Influencerin Sarah Kim Gries einen Facefilter für Instagram entwickelt. Wer seine Kinder für eine Story filmen möchte, kann mit «Privacy Protection» deren Gesichter unkenntlich machen. Die Resonanz sei positiv, sagte Gries gegenüber der «FAZ»: «Alle, die den Filter nutzen, kommen super damit klar.» Ihr sei dann auch wichtig gewesen, dass die Handhabung simpel ist – «einfach umzusetzen und einfach, sein Kind zu schützen.» Doch reicht ein verschwommenes Gesicht tatsächlich aus?
«Nein», sagt Tamara Parham, Bereichsleiterin Kommunikation von Kinderschutz Schweiz auf Anfrage von schweizer-illustrierte.ch. Aus ihrer Sicht ist der Filter keine gute Lösung. «Eltern wiegen sich dadurch in einer falschen Sicherheit», erklärt sie. Es sei nämlich nur eine Frage der Zeit, bis eine nächste App entwickelt ist, die diesen Filter wieder auflösen und das Originalbild zum Vorschein bringen kann. Ähnliches geschah bereits bei den Emojis, mit denen Väter und Mütter gerne die Gesichter ihrer Sprösslinge verdecken: Die können mittlerweile ohne viel technisches Talent mit entsprechenden Apps einfach weggewischt werden.
Deshalb gilt weiterhin: Lieber ein Bild weniger, als ein Bild mehr posten. Vor allem sollte man vorsichtig abwägen, ob besagtes Foto wirklich den Weg ins Internet finden soll. Tamara Parham rät Eltern etwa, sich zu überlegen, ob sie das Foto auch als Plakat drucken und in der ganzen Stadt aufhängen würden. Lautet die Antwort «nein», sollte es auch auf Social Media nicht zu sehen sein.
Generell findet Parham, sei es ein No-Go, sein Kind in einer peinlichen Situation zu zeigen. Genauso, wenn zu viel nackte Haut zu sehen ist. Doch auch vermeintlich harmlose Bilder können den Falschen in die Finger geraten. «Auf pädokriminellen Plattformen gibt es auch Rubriken, die angezogene Kinder in Alltagssituationen zeigen», sagt Parham. Die Kommentare unter diesen Bildern seien schlicht abscheulich. Eltern können also nicht bloss danach gehen, was sie selbst für unbedenklich halten.
Im Grunde müssten sie sich fragen, was das Veröffentlichen eines Bildes dem Kind bringt. Meist dient es nämlich nur dem eigenen Bedürfnis, seine Freude und seinen Stolz mit der Welt zu teilen.
Deshalb findet Tamara Parham, sollte das Kind nach Möglichkeit in den Entscheid involviert werden, ob ein Schnappschuss im Netz landet oder nicht. Das Problem dabei: Wie viele Erwachsene auch, können sie sich nicht vorstellen, wie viele Menschen die Möglichkeit haben, ihr Bild anschauen – nämlich alle 3.9 Milliarden Internetnutzerinnen und Nutzer. «Diese Dimension wird oft unterschätzt», sagt Tamara Parham. Hinzu komme, dass viele Menschen das Gefühl haben, sie können einen Post einfach wieder löschen. «Doch so einfach ist das nicht», stellt Parham klar. «Ist ein Bild einmal im Netz, dann bleibt es für immer auffindbar.» Hinzu komme, dass möglicherweise schon längst Screenshots des geposteten Bildes existieren.
Dessen sollten sich im Übrigen auch WhatsApp-Nutzer bewusst sein. Was zu oft nicht der Fall ist. «Ich beobachte, dass die Leute bei WhatsApp weniger Hemmungen haben», sagt Tamara Parham. Viele würden denken, der Messenger sei sicherer und ein Profilbild mit dem Kind völlig unbedenklich. Doch WhatsApp gehört wie Instagram zu Facebook. «Auch beim Veröffentlichen eines Profil- oder Statusbildes geben wir Daten aus der Hand und Fremde können Screenshots der Bilder machen», erklärt Parham.