Wie ist das eigentlich, wenn eine Hauptverdienerin ihren Mutterschaftsurlaub bezieht und danach der Papa, der in der Schweiz ja keinen Vaterschaftsurlaub zu Gute hat, als Hausmann zum Kind schaut? Nicht optimal, findet SI-Journalistin Aurelia Forrer.
Fünf Monate nach der Geburt hat sie als Hauptverdienerin die Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen und weiss, wie wichtig es für ihr Baby war, vorher zum Papa eine Bindung aufbauen zu können. In ihrem Erfahrungsbericht erzählt sie, wie sie und ihr Mann den Start in den Familienalltag erlebt und gemeistert haben.
Seit drei Tagen arbeite ich wieder und überlasse die Betreuung unseres fünfmonatigen Babys meinem Mann. Ob ich bereit war, den Wickel- gegen den Bürotisch zu tauschen? Jein. Nein, weil sie doch noch sehr klein ist und ihre Fortschritte gross. Ja, weil ich im Wechselbad der Gefühle spürte, dass es für uns als Familie an der Zeit ist, im richtigen Alltag anzukommen. Denn die fünf Monate (ich hatte das Glück, die Erholungszeit nach der Geburt durch unbezahlten Urlaub verlängern zu können) waren bei uns nicht nur Mutterschafts- sondern auch Familienurlaub, inklusive fünf Wochen Auslandaufenthalt. Eine luxuriöse, aber auch herausfordernde Situation.
«In die Mutterrolle fügte ich mich ganz natürlich ein.»
Aurelia Forrer
Unser Start ins Familienleben entspricht nicht ganz der Norm. Während der Schwangerschaft lebten mein Mann und ich noch getrennt – ich in der Schweiz, er auf den Philippinen. Bis zwei Wochen vor Geburt wusste ich nicht, ob er es rechtzeitig in die Schweiz schaffen wird. Und so sehnte ich gegen Ende der Schwangerschaft den Moment herbei, in dem wir endlich als Familie vereint sein und ich nur noch «eine» Aufgabe haben würde – auf unser Baby aufzupassen.
In die Mutterrolle fügte ich mich ganz natürlich ein. Für uns beide war es so, als wäre es nie anders gewesen. Dieses Gschöpfli gehörte zu uns – sofort, für immer. Die schlaflosen Nächte liessen sich bis jetzt gut meistern, schliesslich kann man mit dem Baby auch am Tag schlummern (vorausgesetzt es ist wie bei mir das erste und ein pflegeleichtes, sogenanntes Anfängerbaby).
«Es wäre wichtig, dass Mütter und Väter gemeinsam ins Elternsein hineinwachsen dürfen.»
Aurelia Forrer
Etwas anderes kam uns dazwischen und fühlte sich vor allem für meinen Mann überhaupt nicht normal an: der kalte Schweizer Winter. Und so war ich in meinem Mutterschaftsurlaub viel mehr davon herausgefordert einem Inselmann den Winter schmackhaft zu machen, als unser Neugeborenes zu umsorgen. Bei ihr war alles einfach. Weinte sie, hatte es einen lösbaren Grund: Hunger, volle Windeln oder Müdigkeit. Für die wenigen Ausnahmen, in denen wir rätselnd, hilflos und überfordert auf das kleine Wesen guckten, dürfen wir definitiv kein Mitleid erwarten.
Ja, unsere Situation entspricht nicht der Norm, der Mutterschaftsurlaub ist nicht für die Aklimatisierung des Mannes gedacht. Ich bin froh, dass nun der eigentliche Alltag für uns als Familie beginnt und hoffentlich auch bald der Sommer. Doch unsere Situation machte etwas deutlich, das in meinen Augen immer noch oft unterschätzt wird: Wie wichtig und schön es für Papa und Kind ist, wenn von Beginn an beide Eltern anwesend sind und gleichberechtigt ins Elternsein hineinwachsen dürfen.
«Wichtig ist für mich als Haupternährerin, zu wissen, dass mein Partner sich in der Papirolle sicher fühlt.»
Aurelia Forrer
14 Wochen Mutterschaftsurlaub sind dafür sehr knapp berechnet. Ehrlich gesagt, erwacht das kleine Persönli erst gegen Ende dieser Zeit so richtig. Sechs Monate würde ich begrüssen. Jedoch fände ich auch aufteilbare Elternzeit wünschenswert. Wie wichtig ist es doch für mich, als nun berufstätige Mutter und Haupternährerin, zu wissen, dass mein Partner sich in seiner Papirolle ebenso selbstsicher fühlt, wie ich mich in meiner.
P.S.: Soeben hat mich mein Mann angerufen und die ersten Krabbelerfolge unserer Tochter verkündet. Ob ich in solchen Momenten lieber den Wickel- oder Bürotisch vor mir habe? Sie dürfen raten ...
In unserer Serie erzählen Mütter, wie sie die Zeit nach der Geburt erlebt haben. Familienbloggerin Sandra Casalini empfand die Neugeborenenzeit als Mischung zwischen «ultimativem Stress und ultimativer Langeweile». Family-Redaktorin Edita Dizdar war im Mutterschaftsurlaub darauf angewiesen, dass ihr Mann Ferien bezog. Und die stellvertretende Chefredaktorin der Schweizer Illustrierten, Nina Siegrist, ebenfalls. Sie und ihr Mann griffen nach der Geburt ihrer Zwillingsmädchen auf Erspartes zurück, um ihren neuen Familienalltag ohne Stress in den Griff zu kriegen.
Die Berichte sind sehr individuell. Jedoch sind sich alle einig: der Mutterschaftsurlaub ist in der Schweiz zu knapp bemessen und um die Väter einzubinden braucht es gesetzliche Regelungen.