Den Schlitten mit seinen drei «Frauen» zieht Stefan Halter (35) behänd den Hang hinauf. Seine Frau Sonia Kälin (38) hat neun Monate nach der Geburt von Noemi wieder ihr «Kampfgewicht» von 63 Kilo erreicht. Und das Baby und dessen Schwester Lena (3) fallen noch nicht so ins Gewicht. «Zumindest körperlich», sagt Stefan lachend.
Sinnbildlich für ihren Alltag steht dieser Moment bei einem Familienausflug auf die Mörlialp oberhalb von Giswil OW allerdings nicht. Da ziehen Sonia und Stefan den Karren gemeinsam. «Natürlich sind zwei Kinder eine grössere Herausforderung als eines», sagt die «Donnschtig-Jass»-Schiedsrichterin. «Ich stosse immer wieder an Grenzen. Umso mehr schätze ich, dass wir uns Kinderbetreuung und Haushalt aufteilen. Wir übernehmen beide alle Aufgaben, die so anfallen. Wobei ich schon lieber Zmittag koche, als den Windelsack zu entsorgen.»
Lehrerin, Moderatorin, Influencerin
Ihre berufliche Karriere zu verfolgen, ist beiden wichtig. Stefan Halter ist Bewegungstherapeut und Mentalcoach, er arbeitet immer öfter mit Sportlerinnen und Sportlern. «Gerade gehört eine Schwingerin zu meinen Kundinnen», erzählt er. Auch Sonia, vierfache Schwingerkönigin, hat sich als Spitzensportlerin einst von ihrem Mann coachen lassen.
Heute arbeitet sie einen Tag pro Woche als Seklehrerin – «ein eigenes, geregeltes Einkommen zu haben, ist mir wichtig» –, daneben ist sie freiberuflich tätig. Ihre bekannteste Rolle ist die der «Donnschtig-Jass»-Schiedsrichterin. Mit der beliebten SRF-Sendung brach sie vergangenen Sommer Rekorde: Zum 40-Jahr-Jubiläum erreichte die traditionelle Sommertour Zuschauerzahlen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die letzte Sendung Mitte August sahen 526'000 Jass-Fans, was einem Marktanteil von über 50 Prozent entsprach! «Ein grossartiger Start nach der Babypause», meint Sonia zufrieden.
«Natürlich sind zwei Kinder eine grössere Herausforderung als eines»
Sonia Kälin
Doch sich auf einem oder zwei Lorbeerkränzen ausruhen war schon beim Schwingen nicht Sonia Kälins Ding. So muss nun ein drittes Standbein her: «Ich werde immer öfter für Event-Moderationen gebucht. Das macht mir riesigen Spass.» Und ein viertes gibts gleich dazu: Fast 10'000 Menschen folgen der Moderatorin inzwischen auf Instagram. Das resultiert in diversen Kampagnen und Kooperationen. «Auch diese Jobs liebe ich.» Die grösste Motivation seien aber ihre Follower: «Man denkt immer, das Leben von Leuten, die im Rampenlicht stehen, sei perfekt. Ich möchte mit diesem Optimierungswahn brechen und zeigen, dass es nicht so ist. Es geht nicht immer nur aufwärts, bei niemandem», meint sie mit einem schmunzelnden Blick zu Stefan, der inzwischen doch recht ins Schnaufen gekommen ist.
So sprach Sonia kürzlich auf Social Media über ihre Kaiserschnittnarbe. «Sie ist schräg, lang und uneben. Aber sie gehört zu mir.» Und sie steht nicht nur für das Leben ihrer beiden Töchter, sondern auch für ihr eigenes. Bereits Lena musste vor drei Jahren nach 26 Stunden Wehen per Kaisserschnitt auf die Welt geholt werden. Umso grösser war Sonias Wunsch, das zweite Kind auf natürlichem Weg zu gebären.
Als nach vielen Stunden Wehen immer noch nichts ging, entschloss man sich schweren Herzens zum erneuten Kaiserschnitt – zum Glück. So bemerkte man, dass Sonias Narbe während der Wehen im Inneren aufgeplatzt war, von aussen nicht sichtbar. «Hätte man dies nicht gesehen, wäre ich verblutet», sagt sie. Und weiter: «Ich habe heute ein neutrales Verhältnis zu dieser Narbe. Ich hatte so viel Glück im Unglück, dass ich die Familienplanung mit einem versöhnlichen Gefühl abschliesse, auch wenn es halt keine natürliche Geburt gab.» Von einer dritten Schwangerschaft raten die Ärzte nach dieser Vorgeschichte dringend ab. «Ausserdem haben wir nur zwei Paar Hände, da reichen zwei Kinder vollkommen», meint Stefan lachend.
Aufstehen, Krone richten, weitergehen
Inzwischen ist es Mittag. Lena geniesst ihre Portion Pommes frites mit Ketchup im Restaurant Giswilerstock sichtlich. «Das bekommt sie nicht oft», meint ihr Papi grinsend. Als es Zeit für Noemis Brei ist, lässt Lena aber sogar ihre Pommes links liegen. Die kleine Schwester zu füttern, ist viel spannender. «Sie macht das grossartig», sagt Stefan. «Lena tröstet Noemi, wenn sie weint, und kann bereits deren Schoppen zubereiten.» Nur abends, wenn Lena müde ist und Aufmerksamkeit möchte, «tätschts» hin und wieder.
Dabei sei nicht ihr Verhältnis zur kleinen Schwester ein Problem – «sondern das zu uns», meint Sonia. «Sie ist gerade in der Nein-Phase, und wenn was nicht genau so läuft, wie sie es sich in den Kopf gesetzt hat, gibts ein Riesendrama.» Von wem sie das hat? «Keine Ahnung – ich habs noch», meint Sonia mit einem Augenzwinkern. Und zu ihrem Mann: «Und du auch!» Stefan ergänzt: «Klar, wir sind beide auch nicht unbedingt die typischen Jasager und machen die Dinge lieber so, wie sie für uns stimmen. Mit Schubladendenken können wir nicht viel anfangen.»
Lena, deren Kopf grad etwa Tischkantenhöhe erreicht, schlägt sich diesen zum fünften Mal in der letzten Stunde an. Sie reibt sich kurz den Schädel, trippelt zu Noemis Kinderwagen. «Gut so», meint ihr Mami. «Aufstehen, Krone richten, weitergehen.» Sie sei zwar schon der ängstlichere Elternteil, während Stefan zuweilen «Vertrauen und Optimismus ohne Ende hat. Das ist nicht immer ganz einfach für mich.»
Aber: «Man muss die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen lassen, nur so wachsen sie zu selbstständigen Menschen heran.» Und zu solchen, die wissen, dass es Hürden gibt im Leben – solche, die man überspringen kann, und solche, die nur mit Geduld zu umgehen sind. Wie die Rektusdiastase, die Sonia hat: Ihre Bauchmuskeln sind seit der Schwangerschaft nicht wieder zusammengewachsen. «Mühsam und hinderlich bei gewissen Bewegungsabläufen», sagt sie. «Aber so ist das Leben. Voller Hochs und Tiefs – und genau darum einfach wunderbar.»