«Sehr pünktlich. Sehr pünktlich», bemerkt Dominic Deville, 45, als erstes. Der Gastgeber von «Deville» ist fürs Telefoninterview in sein Büro ums Eck gegangen. Hier hält er auch seine Skype-Konferenzen mit den Autoren seiner Late-Night-Show ab. Ansonsten verlässt der ehemalige Kindergärtner nur noch sein Zuhause fürs Einkaufen und die tägliche halbe Stunde Pingpong mit seinen Kindern (9 und 7).
Dominic Deville, Sie haben exakt 30 Minuten Zeit.
Ja zwischen Homeschooling und Skype-Sitzung.
Ich habe vor dem Anruf extra noch die Zähne geputzt. Stellen Sie bei sich auch plötzlich abstruses Verhalten fest?
Ich telefoniere extrem viel mit meiner Mutter. Zuvor war das selten der Fall.
Rufen Sie oder Ihre Mutter an?
Eher ich. Aber sie ruft nun zurück, da sie gemerkt hat, dass ich aus Sorge immer gleich rangehe. Ich, der früher meine Mami in unguten Momenten eher mal weggedrückt habe. Ja, ich nehme jetzt neu jeden Anruf entgegen.
Was ist schwieriger: die eigenen Kinder daheim zu unterrichten oder eine Show ohne Publikum zu machen?
Ich finde es immer am schwierigsten, die eigenen Kinder zu unterrichten. Und das sage ich, der eine pädagogische Ausbildung hat. Etwas mit den eigenen Kindern auf die Beine stellen, ist schwieriger, als mit zwanzig fremden. Die können mich selten aus der Ruhe bringen. Meine zwei schaffen es innerhalb einer Stunde.
Wieso?
Weil man sich so stark in den eigenen Kindern drin spiegelt. Sie haben nicht nur die guten Eigenschaften der Eltern erhalten, sondern auch die weniger guten. Und das fällt einem dann auf. Und es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man sich über sich selbst aufregt.
Haben Sie Tipps fürs Homeschooling?
Meine Unterrichtsmethode war schon immer, nur das zu unterrichten, was einen auch selbst interessiert. Oder den Schulstoff wenigstens in Themen reinzupacken, die einen interessieren. Mein Sohn spielt ein Computergame, das mich total kalt lässt, aber mit dem ich mich nun intensiv auseinandersetze. Es ist aktuell unser Wochenthema. Das heisst, alle Rechnungen rechnen wir mit dem Spiel oder den Figuren, die im Spiel vorkommen.
«Hat man einmal Ruhe von diesem ganzen Stress, macht man ihn sich selber daheim.»
Dominic Deville
Sie selber lieben Brettspiele.
Ich bin ein Nerd, fast schon Fanatiker. Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass ich mit ein paar Leuten an einem Tisch sitze und eine Nacht lang Brettspiele mache. Dies fällt nun total flach, weil – und das ist jetzt wirklich das einzig Dumme an dieser Quarantäne – meine Freundin hasst Brettspiele. Ich bin eingesperrt mit hundert der tollsten Brettspiele und einem Menschen, der damit nichts anfangen kann. Das ist hart.
Leute nutzen nun die Zeit für ausgiebiges Fitness und Kochen.
Ach dieser Selbstoptimierungswahn. Hat man einmal Ruhe von diesem ganzen Stress, macht man ihn sich selber daheim. Wenn jemand das Gefühl hat, er müsse jetzt noch Kantonesisch lernen, dazu Jonglieren und 300 Sit-Ups bis Ende Frühling schaffen, dann soll er das unbedingt machen. Ist mir alles recht.
Die neue Staffel von «Deville» ist mitten im Lockdown gestartet. Gut oder schwierig?
Es ist alles positiv. Rein vom Material her ist es hochspannend. Es passiert ganz viel. Und wir finden es auch sehr wichtig und toll, dass wir die Gelegenheit haben das humoristisch und satirisch irgendwo einzuordnen. Wenn man es ganz profan sehen will, bin ich froh, dass ich und mein Team in dieser Zeit einen Job haben.
Ist das Coronavirus für Sie als Unterhalter ein Segen?
Es ist eine grosse Chance. Es kann zum Fluch werden, wenn man einen falschen Spruch oder Einspieler macht. Dann kanns wahnsinnig schnell zu einem Shitstorm werden. Aber unsere Form und Art ist wie zuvor. Es kommt nicht plötzlich ein Corona-Deville hervor, der vorsichtig und harmlos ist.
«Leute sind immer nur sensibel, wenn es gegen ihre Interessen geht.»
Dominic Deville
Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit haben Sie unter anderem als menschliche Beruhigungstablette bezeichnet. Wieso eignet er sich als Figur?
Das spannende an speziellen Situationen wie dieser ist, dass Figuren an die Oberfläche gespült werden, die man zuvor nie wahrgenommen hat. Daniel Koch ist für einmal einer, der positiv ins Sichtfeld rückt. Da ist es schön, etwas zu machen, das lustig und satirisch, aber ohne ihm eines auszuwischen gemeint ist. Es war eine kleine Ehrerbietung, die wir für ihn gemacht haben. Trotzdem kam es bei manchen Zuschauern respektlos an. Dabei gingen wir bei Koch davon aus, dass es eine todsichere Nummer ist, die jeder versteht. Dem ist nicht so.
Sind die Menschen momentan sensibler?
Glaube ich nicht. Leute sind immer nur sensibel, wenn es gegen ihre Interessen geht. Sie sagen, dass wir alle gerade «Extremwohning» betreiben. Das Gute daran ist, dass man endlich mal die Miete rausschlägt. Das Schlechte ist, dass man feststellt – gopferdelisiech –, dass man eigentlich eine grössere Wohnung braucht. Und das sage ich, der gerade in eine grössere Wohnung gezogen ist. Sie ist nun doch nicht so riesig. Ich begegne meiner Partnerin und meinen Kindern sehr oft.
Was fehlt denn?
Wintergarten, Swimmingpool, Heckenlabyrinth. Einfach solche Dinge, die man verlangen darf, wenn man beim Fernsehen arbeitet. Immerhin haben wir eine Dachterrasse, die fürs ganze Haus ist. Ich habe gesehen, dass die unter uns mit Kleinkind sich Sand anliefern liessen und bereits einen Sandkasten hinaufgetragen haben. Wir werden mit einem Pool und Wasserrutschbahn nachlegen.
Schauen Sie den Nachbarn nun öfters in die Wohnung?
Ich sehe tatsächlich mehr aus dem Fenster. Interessanterweise wohnt einer unserer Kameramänner gegenüber und ich sehe ihm voll in die Stube. So kommt es mehrmals am Tag vor, dass ich am Fenster stehe und er ebenfalls, wir blicken uns an und winken uns zu.
Wieso stehen Sie am Fenster?
Weil mich diese dystopische Stimmung anzieht. Wir wohnen im Epizentrum vom Kreis Vier. Normalerweise ist hier Remmidemmi. Nun schaue ich am Abend um Sieben aus dem Fenster, es ist leergefegt, ein Papierchen wird vom Wind noch dahingetragen und vielleicht fährt ein Tram. Eine spannende Stimmung, die ich so noch nie erlebt habe und hoffentlich nie mehr erleben werden. Aber dennoch sollten wir mit allen Sinnen das wahrnehmen und in uns reinhören, was es mit einem macht.
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