Eveline Suter, Sie leben seit März mit Ihrer Familie in der US-Ostküstenmetropole Boston. Haben Sie sich eingelebt?
Das kann man sagen, ich habe einen neuen Alltag entwickelt. Unter der Woche starte ich jeweils mit einer Joggingrunde im Park, natürlich gemeinsam mit Findley. Wir haben dafür extra einen Jogging-Buggy gekauft. Joggen gehört seit meiner Jugend zu meiner Routine. Nach der Runde bleiben wir oft noch im Park. Wir spielen Ball, rennen rum, schlagen Räder, suchen Stöckchen, ich wirbele ihn herum… das volle Programm. Wir lieben diese gemeinsame Routine! Dann spazieren wir eine Runde, wir füttern Vögel und lassen Eichhörnchen aus der Hand fressen und er strahlt andere Spaziergänger an.
Das tönt wundervoll! Aber … haben Sie auch Zeit für sich?
Nach dem Mittagessen, wenn alles nach Plan läuft, schläft Findley rund zwei Stunden. Da heisst es: Turbo-Boost-Time! Ich erledige alles Mögliche im Schnellmodus. Rechnungen zahlen, Emails-Beantworten, Telefonate. Derzeit plane ich gerade ein, zwei Edith-Piaf-Liederabende für November oder Dezember in der Schweiz. Das heisst, volle Konzentration, Programm zusammenstellen, Pianist und Tonprofi finden, Location auch, Liederlisten zusammenstellen und Songs lernen. Wenn dann noch Zeit bleibt, übe ich Gitarre oder meditiere zehn Minuten. Zack, schon ist Findley wieder wach und natürlich noch nicht eimal die Hälfte meiner Liste abgehakt.
Und ein Umzug steht auch bald an. Sie kommen zurück in die Schweiz.
Genau. Darum kümmere ich mich jeweils nachmittags. Ich bin gerade dabei zu packen, denn in ein paar Tagen geht ein ganzer Container mit Material, dass wir 2020 in New York zurückgelassen haben, nach Sursee. Was wir während unserer Zeit in Boston angesammelt haben, füllt zusätzliche Kisten. Wenn dann mein Mann gegen 20 oder 21 Uhr nach Hause kommt, geniessen wir noch kurz etwas Familienzeit.
Werden Sie Boston vermissen?
Auf jeden Fall. Ganz besonders den Park mit seinem Froschteich, in dem Kinder planschen können. Viele Spielplätze sind mit einer Sprinkler-Anlage ausgestattet, was toll ist im Hitzesommer, den wir in Nordamerika gerade erleben. Die Stadt hat auch feine Restaurants. Das Schönste an Boston ist aber, dass es so nahe am Meer liegt. Wir fahren 15 Minuten bis zum Strand, das ist einfach super!
Boston gilt als DIE Studentenstadt der USA. In Ihrer Beschreibung tönt sie dennoch familienfreundlich.
Das Angebot für Familien ist sehr gross. Findley und ich besuchen unter der Woche viele Kurse, zum Beispiel das Baby-Schwimmen oder eine Kunst-Klasse, wo wir basteln und malen. Auch einen Musik-Kurs, wo Eltern und ihre Kleinkinder zusammen singen und tanzen, gehört zu unserem wöchentlichen Repertoire. Das macht sehr viel Spass und fördert den Austausch zwischen Eltern mit gleichaltrigen Kindern.
«Ich hatte ein paar Drehtage für den Netflix-Film The Mothership, ein Film mit Halle Berry»
Eveline Suter
Sie haben in Boston auch wieder angefangen zu arbeiten.
Ja, ich hatte ein paar Drehtage für den Netflix-Film The Mothership, ein Film mit Halle Berry. Eigentlich durchlief ich mehrere Casting-Runden für eine grössere Rolle darin, aber wegen meinem Schweizer Akzent hat das dann nicht geklappt. Er ist zwar nicht sehr ausgeprägt, aber immer noch zu stark für viele Rollen. Das ist die Crux für nicht Englischsprachige im Schauspielbusiness.
Das tönt frustrierend.
Ich freue mich darüber, dennoch einen Meilenstein in meiner Karriere erreicht zu haben. Durch diese Rolle konnte ich der Film-Gewerkschaft SAG beitreten.
Wie haben Sie und Ihr Mann sich organisiert, um Familie und Arbeitsleben unter einen Hut zu bringen?
Das war echt turbulent. Mein Mann Danny, der als Produzent am Set war, hat mich mit Findley zum Dreh begleitet. Ich hatte Nacht-Drehs und somit musste Danny Findley ins Bett bringen. Wir hatten eine Krippe beim Filmset, aber mit all den Leuten am Set war für Findley an Schlafen gar nicht zu denen. Er war sowieso das absolute Highlight dort. Irgendwann ist der dann zum Glück eingeschlafen – in Halle Berry’s Film-Bett. Das waren schon anstrengende Momente aber es hat uns als Familie ganz bestimmt noch stärker wissen lassen, dass wir ein super Team sind.
In der Schweiz können Sie auf die Nähe und Unterstützung Ihrer Familie zählen. Wer hilft Ihnen in Boston?
Da stehen wir tatsächlich ziemlich alleine da. Danny hat absolut verrückte Arbeitszeiten und ist sehr viel weg. Einmal pro Woche kommt eine ältere Dame zu Besuch, die mit Findley spielt, damit ich Zeit habe, um wichtige Dinge zu erledigen. Wenn möglich, gehen Danny und ich dann auch mal zusammen aus. Ich denke das ist als Paar wahnsinnig wichtig.
Bald kehren Sie in die Schweiz zurück. Wann ist es soweit?
Wir haben noch nicht gebucht, aber wir planen, am 22. August zurückzufliegen. Ich kann es kaum erwarten. Die Wohnung hier ist schon fast leer geräumt und überall stehen Kartons herum.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
In der Schweiz möchte ich mich auf meine Liederabende konzentrieren. Ich werde wieder zweimal die Woche in der SBS, der Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte, in Zürich Hörbücher einlesen. So wird Danny zwei Halbtage ganz allein mit Findley geniessen können nach all dem beruflichen Stress hier in Boston. Auch planen wir Kurztrips in Europa mit dem Zug. Je nach Covid-Situation wollen wir gemeinsam Hamburg und Berlin sehen. Auch Frankreich und Italien stehen auf der Liste. Wenn man amerikanisch denkt, sind das alles Katzensprünge. Vielleicht leisten wir uns ein Familien-GA. Aber eigentlich haben wir vor allem in einem Punkt viel Nachholbedarf: Zeit mit Familie und Freunden verbringen.
«Ich finde, die Schweiz ist für Kinder ein absoluter Traum»
Eveline Suter
Wie wichtig ist es Ihnen, dass Findley seine Kindheit in der Schweiz verbringt?
Mir ist vor allem wichtig, dass er Schweizerdeutsch spricht. Ich spreche mit ihm immer in meiner Muttersprache, wenn wir zusammen unterwegs sind. Mit Danny sprechen wir englisch. Findley hat sowohl den Schweizer Pass als auch den der USA. Er hat Wurzeln und Verwandte in beiden Ländern, das wird immer bedeutend für ihn sein. Aber ich finde schon, die Schweiz ist für Kinder ein absoluter Traum. Dass er naturbezogen aufwachsen kann, ist mir immens wichtig. Auch Musik und Kunst sollen Teil seiner Kindheit sein. Und Fakt ist: Ich werde im deutschsprachigen Raum immer mehr Arbeit haben als im englischsprachigen. Findley soll nicht nur seinen Vater, sondern auch seine Mama glücklich bei der kreativen Arbeit sehen.