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Gosse Angst in der Mongolei

Familie Rösli entkommt der Pest

Pest-Alarm! Familie Rösli muss in der fernen Mongolei in Quarantäne. Sechs Tage lang bangen und hoffen Angehörige daheim im Entlebuch um das Schicksal der vier Schweizer.

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Familie Rösli Quarantäne in der Mongolei

Happy End in der Schweiz: Tobias, Finn, Sonja und Taio Rösli (v. l.) sind wohlbehalten nach Wolhusen LU zurückgekehrt.

Stefan Walter

Die Reise steht unter einem schlechten Stern. Am 26. April landet Familie Rösli aus Wolhusen LU in der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator – doch ihr Gepäck steht noch in Moskau. «Wir hatten keine Ahnung, wann es nachkommen würde», sagt Tobias Rösli, 32.

Schon am nächsten Tag müssen sie weiterfliegen, in den Westen des Landes. Nahe der Grenze zu Kasachstan warten in der Stadt Ölgii Dutzende Termine auf sie: Sonja Rösli, 44, organisiert mit ihrem Verein «East meets West – Brugge baue» regelmässig Kulturaustausch-Touren in Asien.

Jodeln für mongolische Schulkinder

In Schweizer Tracht will sie für mongolische Schulkinder jodeln, begleitet von Schweizer Musikern mit Alphorn und Akkordeon. Immer mit dabei die kleinen Kinder des Paares, Taio, 3, und Finn, 1. «Sie sind Reisen gewohnt», sagt Sonja Rösli. Doch in der Jurtenstadt Ölgii widerfährt der Familie etwas, womit niemand gerechnet hat.

Yersinia pestis. Der Schwarze Tod löschte im Mittelalter einen Drittel Europas aus. Millionen Menschen starben an der bakteriellen Infektion, die unbehandelt zu einer tödlichen Blutvergiftung führt. In der Schweiz gibt es die Pest seit 40 Jahren nicht mehr. Doch andernorts rafft sie weiter Menschen dahin.

Familie Rösli Quarantäne in der Mongolei

Quarantäne: Die Familie darf die Stadt Ölgii sechs Tage lang nicht verlassen. Der Mundschutz soll vor der Beulenpest schützen.

Tobias Rösli
Paar isst verseuchtes Murmeltierfleisch

In Ölgii auf 2000 Metern über Meer ist neben den Röslis auch ein anderes Paar unterwegs. Der Mann und seine schwangere Frau essen rohes Murmeltierfleisch – das soll die Abwehrkräfte stärken. Doch das Fleisch ist mit Pest-Bakterien verseucht.

Das Paar stirbt innert kurzer Zeit und hinterlässt vier Kinder. Die Röslis erfahren davon wenige Tage nach ihrer Ankunft in Ölgii. «Vorher hatten wir uns vor allem Sorgen um unser Gepäck gemacht und um den starken Wind, der meine Stimme austrocknete», erzählt Mutter Sonja. Und jetzt das.

Zwei Pest-Tote! Ausgerechnet in Ölgii. «Das Wort Pest machte mir Angst», sagt Sonja, «ich dachte an unsere beiden Kinder.» Beide seien erkältet gewesen. «Nach dem Pest-Alarm kam mir schon mal kurz der Gedanke: Hustet Taio jetzt wegen des Schnupfens oder …»

Mundschutz und Vorräte kaufen

Die ersten Informationen: Mundschutz und Vorräte kaufen, falls die Läden schliessen. Ab sofort steht die ganze Stadt Ölgii unter Quarantäne. Ein Museum und mehrere Restaurants schliessen. «Unsere Verwandten schrieben von daheim: Geht weg von dort! Aber das war unmöglich», sagt Tobias Rösli.

Plötzlich seien überall Militärbeamte aufgetaucht. «Theoretisch hätte man über die Berge abhauen können», sagt Rösli, «aber wir wollten in Ölgii bleiben und auftreten.»

Nach der ersten Nacht in Quarantäne kommt die Nachricht: Das betroffene Ehepaar ist an der Beulenpest gestorben. Sie wird per Blut übertragen – und zum Glück nicht per Tröpfcheninfektion.

Doch aufgehoben wird die Quarantäne deshalb nicht, niemand weiss, wie lange sie noch dauern wird. «Wir haben Taio gesagt, dass wir länger als geplant hier bleiben und alles gut ist», sagt Sonja Rösli.

Familie Rösli Quarantäne in der Mongolei

Zu Hause planen die Röslis bereits die nächste Reise: 2020 gehts nach Hongkong.

Stefan Walter
Mutiger Auftritt trotz Pestgefahr

Die Familie will sich von der Quarantäne nicht lähmen lassen. «Wir traten in einem Waisenhaus auf und besuchten arme Familien. Wir wollen unsere Kultur jenen näherbringen, die es sich nicht leisten können, in die Schweiz zu reisen. Und sie ermuntern, ihre eigenen Traditionen zu pflegen.»

Die gastfreundlichen Mongolen bedanken sich mit Einladungen zum Essen. «Wir haben weiterhin Fleisch gegessen», sagt Sonja Rösli. «Es gibt dort wenig Alternativen. Manchmal wussten wir nicht, von welchem Tier es stammt, aber rohes Fleisch haben wir gemieden.»

Die Röslis sind nun wieder zu Hause in Wolhusen, alle wohlauf. Vor dem Znacht spielt Taio mit einem Flugzeug die Reise nach. Ist denn dort in der Mongolei etwas Besonderes passiert? «Ja, das Gepäck war nicht dabei!»

Lynn Scheurer von Schweizer Illustrierte
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Von Lynn Scheurer am 24. Mai 2019 - 15:07 Uhr