Am liebsten kommuniziert Hazel Brugger (29) über Social Media. News werden auf Instagram, Twitter und Co. verkündet, Themen auf Youtube oder in Podcasts diskutiert. Interviews in den Schweizer Medien gibt die Comedian, die seit fünf Jahren in Deutschland lebt, eher spärlich. «Reden wir Schweizerdeutsch?», fragt sie zu Beginn des Zoom-Gesprächs.
Ja, ausser Sie bevorzugen etwas anderes.
Im Gegenteil, so kann ich mal wieder etwas üben.
Sprechen Sie sonst nie Dialekt?
Doch, mit meiner Tochter. Aber ihre Antworten fallen noch nicht ganz so deutlich aus.
Geboren in den USA als Tochter eines Schweizer Vaters und einer deutschen Mutter, wächst Hazel in Dielsdorf ZH auf. Mit 17 macht sie erste Schritte im Poetry-Slam, wird 2013 Schweizer Meisterin. Drei Jahre später verschlägt es sie nach Deutschland: Sie wird Aussenreporterin bei der ZDF-Show «heute». Mit ihrem Mann und Berufskollegen Thomas Spitzer, 34, und der gemeinsamen Tochter lebt sie in der Nähe von Köln, der Heimatstadt ihrer Mutter.
Was für ein Verhältnis haben Sie zur Schweiz?
Mit meiner Tochter erlebe ich gerade ein Stück Schweizer Kulturgut neu. Sie liebt Globi. Ihrer Globi-Figur hat sie die Hose aus- und ihrer Puppe angezogen und erzählt allen stolz, dass das die Hose von Globi ist. Hier hat niemand eine Ahnung, wovon sie spricht. Ich muss sagen, seit ich nicht mehr in der Schweiz lebe, verstehe ich, was die Schweiz eigentlich ist.
Bringt Ihre knapp zweijährige Tochter Sie momentan eigentlich eher zum Lachen oder zum Weinen?
Zum Lachen. Und ich versuche tatsächlich oft, wie in der Sendung «LOL», nicht zu lachen. Es klingt so lustig, wenn sie Worte wie «Schniedelwutz» sagt, aber man darf nicht lachen, sonst hört man das Wort in Endlosschleife.
In der vierten Staffel des Comedy-Formats «LOL – Last One Laughing» auf Amazon Prime Video, welche gerade angelaufen ist, versuchen neun Comedians, einander gegenseitig zum Lachen zu bringen. Wer lacht, fliegt raus. Dass Michael Mittermeier, Joko Winterscheidt und Co. vor Hazel Brugger besonders zittern, ist kein Wunder, schliesslich lebt ihre Comedy zu einem grossen Teil von ihrer trockenen Art und der stoischen Miene. Im Gegenteil dazu wird im Hause Brugger-Spitzer aber oft gelacht, versichert Hazel.
Gibt es bei Ihnen Situationen, in denen Sie sich bewusst sagen müssen, dass es jetzt ernst ist?
Am Anfang meiner Beziehung mit Thomas wars furchtbar mit uns, weil wir einfach alles lustig fanden. Mittlerweile wissen wir, wann ein Witz angebracht ist und wann nicht. Im Alltag muss man halt funktionieren. Unser Steuerberater würde sich bestimmt wundern, wenn wir ihm dauernd ins Gesicht grinsen würden bei einem Termin. Auf die Länge ists aber einfacher, wenn man die Dinge mit etwas Humor nimmt.
Seit fast zehn Jahren sind Hazel Brugger und Thomas Spitzer ein Paar, seit 2020 sind sie verheiratet. Ihre Lebensgeschichten lesen sich fast ein bisschen synchron. Spitzer ist in Deutschland und den USA aufgewachsen, sein Vater ist Neurowissenschaftler und Psychiater, der von Brugger ist Neuropsychologe. Sein Studium (Mathe, Wirtschaft, Philosophie) hat Thomas abgeschlossen, Hazel ihres (Literatur, Philosophie) nicht. Auch er beginnt seine Karriere mit Poetry-Slam, erhält diverse Preise, bevor er zur Comedy wechselt. 2016 gewinnt er den renommierten Nightwash Talent Award. Hazel erhält im Jahr darauf als jüngste Preisträgerin den Salzburger Stier. 2020 gewinnt sie als erste Schweizer Frau den Deutschen Comedypreis (aus der Schweiz wurde diese Ehre bis anhin nur Emil Steinberger und Marco Rima zuteil).
Lachen die Leute eigentlich automatisch los, wenn Sie beide auftauchen?
Nicht wirklich. Es ist eher so, dass wir zwei nicht immer ganz das richtige Gespür für ernste Situationen haben.
Erzählen Sie.
Bei Neugeborenen wird im Alter von drei Wochen die Hüfte per Ultraschall untersucht. Während dieses Prozesses bei meiner Tochter fragte ich den Arzt, ob sie nun schwanger sei oder nicht. Er war sehr konsterniert. Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass Ultraschalluntersuchungen bei Babys offenbar humorfreie Zonen sind.
«Erstens ist Versagen nichts Endgültiges und zweitens nichts Schlimmes.
Hazel Brugger
Ebenfalls nicht besonders witzig ist, als Hazel Brugger ein gutes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter merkt, dass sie am Anschlag ist. Auf Twitter gibt sie bekannt, dass sie eine berufliche Pause einschaltet. Sie habe das Touren als Mutter unterschätzt, sei erschöpft und angeschlagen.
Wie haben Sie diesen Moment erlebt?
Die Erkenntnis, dass es in einer heterosexuellen Beziehung, in der die Frau das Baby austrägt, unmöglich ist, Elternschaft fifty-fifty aufzuteilen, war ernüchternd. Anfangs ist die Beziehung zum Baby sehr körperlich – und das kleine Wesen wäre ja doof, wenn es sich nicht eher dem Körper zuwenden würde, der es ernährt. Ich habe mich über mich selbst geärgert, dass ich das nicht mit einberechnet habe, auch wenn ich überzeugt bin, dass viel mehr Gleichberechtigung in der Elternschaft möglich wäre, als dies heute allgemein der Fall ist. Ich habe den Druck der Vereinbarkeit extrem gespürt. Aber irgendwann fand ich, es kann ja nicht sein, dass ich bereits 100 Prozent von mir gegeben habe und dann nochmals 40 Prozent oben drauflegen muss, nur um so zu tun, als wäre alles easy.
Hatten Sie das Gefühl, versagt zu haben?
Natürlich. Ich bin sehr ehrgeizig und habe ein grosses Ego. Aber erstens ist Versagen nichts Endgültiges und zweitens nichts Schlimmes. Je früher man seine Grenzen erkennt und akzeptiert, desto besser kann man sich sein Leben innerhalb dieser Grenzen einrichten. Niemand kann über seine Massstäbe leben. Lieber mit 29 zurückstecken als mit 55 zusammenbrechen.
Wie vereinen Sie jetzt Beruf und Familie?
Ich denke, die beste Strategie ist, sich als Mutter ein bisschen überflüssiger zu machen und sich ehrlich darüber zu freuen, wenn das Kind auch andere Bezugspersonen hat. Wenn die Kita geschlossen hat, kommt halt mal ein Babysitter. Das Mühsamste ist das ständige schlechte Gewissen, das muss man ausschalten.
Sie arbeiten oft mit Ihrem Mann zusammen, wird Ihnen beiden dies nie zu viel?
Wir versuchen, uns bewusst Auszeiten voneinander zu nehmen. Das Problem ist, wenn ich mir eine Auszeit für mich gönne, ist Thomas nach der Zeit allein mit der Kleinen so kaputt, dass ich sozusagen nachzahlen muss, und umgekehrt. Aber wir haben uns von dem Gedanken verabschiedet, alles gemeinsam zu machen, sowohl privat als auch beruflich. Womit man sich abfinden muss, ist, dass Spontaneität nicht mehr in dem Mass möglich ist wie vor dem Kind.
Seit 2017 gibt das Paar regelmässig Einblicke in sein gemeinsames Leben, zuerst auf dem Youtube-Kanal Hazel & Thomas, dann bis im Dezember 2022 im Podcast «Nur verheiratet». Ganz neu ist ihr Podcast «Hazel Thomas Hörerlebnis», in dem sie über alles plaudern, was sie so bewegt, von den Streiks in Deutschland übers Kino bis hin zum Schlafverhalten ihrer Tochter.
Sie geben oft Einblicke in Leben und Beziehung. Wo sind Ihre Grenzen?
Wir kennen einander so gut, dass wir keine Regeln verbalisieren müssen. Wenn es «Baustellen» gibt – physische oder psychische –, an denen jemand von uns oder wir beide gerade «arbeiten», wird das nicht thematisiert. Wir sprechen öffentlich nur über Dinge, von denen wir zumindest schon wissen, wie wir damit umgehen.
Wann ist bei Ihnen fertig lustig?
Es gibt Situationen, in denen ich persönlich keine Witze machen würde. Aber das ist Geschmackssache.
Also darf Humor alles?
Das ist wie mit Mode. Man darf anziehen, was man will, aber manches sieht scheisse aus.
Einen bildreichen Einblick in Hazel Bruggers Welt gibts in der aktuellen Schweizer Illustrierten (Nummer 14 / 2023) ab dem 7. April am Kiosk.