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Auch Chanel, Maycol und Ivan Knie packen mit an

Hinter den Kulissen beim Circus Knie

In der Manege Spektakel, hinter den Kulissen komplexes Unternehmertum: Die Familie Knie führt und lebt den Schweizer National-Circus seit acht Generationen. Ein Trapezakt, auch wenn das Rampenlicht aus ist.

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Zirkus Knie, Backstage

Chanel Knie, Tochter von Zirkuschefin Géraldine, vor ihrem Auftritt beim Schminken im Garderobenwagen der Familie.

Kurt Reichenbach

Maycol «Maycolino» Knie jun. (6) hat es eilig. Er stürmt in den Buffetwagen des Circus Knie, um ein Paket abzuholen, das dort für ihn abgegeben wurde: sein neues Trampolin! Der Buffetwagen ist quasi die Annahmestelle des Circus Knie, da er meist besetzt ist.

Zirkus Knie, Backstage

Jung und sehr busy: Maycol «Maycolino» Knie jun. (6)holt im Buffetwagen sein neues Trampolin ab. Der jüngste Knie-Spross engagiert sich bereits voll und ganz im Familienbetrieb. «Er hat ein echtes Zirkusherz», sagt seine Mutter Géraldine.

Kurt Reichenbach

Vor der Theke geht das Geschäft seinen gewohnten Gang: gebrannte Mandeln, Popcorn, ein Glas Wein, Kaffee. Vom jüngsten Knie-Sprössling dahinter nimmt niemand Kenntnis. Und so soll es auch sein im Zirkus: Was hinter den Zeltplanen passiert, bleibt den Besuchenden verborgen. Die Show findet im Rampenlicht statt.

 

Zirkus Knie, Backstage

Auch Chanel, Maycol und Ivan Knie packen im Circus Knie fleissig mit an

Kurt Reichenbach

Backstage bleibt buchstäblich im Dunkeln. Denn schreitet man nach hinten durch die «Türe» – so nennt man den Vorhang, der die Manege vom Sattelgang trennt –, landet man in einem schwarzen Loch. Es herrscht dichtes Gewimmel: Artistinnen und Artisten wärmen sich auf, machen Dehnübungen. Eine Armee von Helfern eilt durchs Stangenkonstrukt, welches das Gradin trägt – die Zuschauertribüne in der Zirkussprache. Jeder Quadratzentimeter wird genutzt, um die vielen Requisiten zwischenzulagern. Sie müssen schnell griffbereit sein.

Zirkus Knie, Backstage

Wissbegierig: Maycol Knie jun. (r.) schaut im dunklen Sattelgang Artisten beim Aufwärmen zu.

Kurt Reichenbach

An einer Querstange übt eine dunkle Silhouette Klimmzüge: Comedian Peter Pfändler (63) der dieses Jahr an der Seite von Komikerkumpel Carlos Amstutz (47) mit dem Circus Knie auf Tournee ist. «Ich habe mit einer Artistin gewettet, dass ich Ende Saison 20 Klimmzüge schaffe», sagt er. «Daran arbeite ich hart.»

Zirkus Knie, Backstage

Gast-Comedian Peter Pfändler hält sich unter der Tribüne mit Klimmzügen fit. «Ende Saison will ich 20 schaffen!»

Kurt Reichenbach

200 Mitarbeitende aus 19 Ländern

Im Salonwagen des Zirkus sitzt Doris Knie (44) vor dem Laptop. Die Tochter von Franco Knie (69) kümmert sich als administrative Direktorin um den Bürokram. Personalfragen, Bewilligungen bei Behörden, Marketing und Kommunikation – bei ihr laufen die Fäden zusammen. Auch das ganze Tourmanagement liegt in ihren Händen.

Zirkus Knie, Backstage

Doris Knie, die administrative Direktorin des Circus Knie, erledigt im Salonwagen Papierkram.

Kurt Reichenbach

Das hat es in sich: Rund 200 Mitarbeitende aus 19 Ländern sorgen dafür, dass der Betrieb an 296 Tourneetagen reibungslos funktioniert – vom Schlosser und Schreiner über den Schneidermeister, Pferdepfleger, Küchenchef und die Tourneeleitung bis hin zum Kapellmeister mit seinen sechs Musikern. Und natürlich den 62 Artistinnen und Artisten. «In über 20 Jahren, in denen ich das mache, habe ich viel Routine aufgebaut», sagt Doris Knie. «Und dennoch ist jeder Tag im Zirkus anders. Man muss flexibel sein, die Ruhe bewahren und improvisieren können.»

Zirkus Knie, Backstage

Die Artisten des ukrainischen Circus Theater Bingo sind auch backstage eng verbandelt.

Kurt Reichenbach

700 Kilo Stroh pro Tag

Auf dem Platz neben den Pferdestallungen dreht Pferdepfleger Zouzou den Wasserhahn auf. Agadir, der Araber-Hengst, kann es kaum erwarten, bis der Strahl aus dem Gartenschlauch seinen Körper trifft. Die «Pferdewaschanlage» ist beim Circus Knie jeden Tag in Betrieb, denn das Fell der Tiere muss glänzen für den grossen Auftritt.

Ein Zelt weiter hinter gibt eine Frauenstimme sanft Anweisungen. Es ist Chanel Marie Knie (13) die Tochter von Direktorin Géraldine Knie (51). Mit zwei Friesenpferden probt der Teenager in einer Trainingsmanege eine Nummer, still beobachtet von Grossvater Fredy Knie jun. (77). «Ich bin stolz, dass bereits die achte Generation unsere Familientradition der Pferdedressur weiterführt», sagt der berühmte Tiertrainer. «Wunderbar, zu sehen, wie Mensch und Tier immer besser zusammen harmonieren.»

Zirkus Knie, Backstage

Der Sitz für den stillen Beobachter: In der hintersten Reihe im Zirkuszelt befindet sich mitten im Gang ein einzelner Sitz. Dieser ist für Fredy Knie jun. reserviert. Von hier aus beobachtet er die Pferdenummern seiner Enkel. «Ich mache das jede Vorstellung und gebe Feedback», so der Knie-Doyen.

Kurt Reichenbach

Das ist nicht erstaunlich, denn den Zirkuspferden mangelt es bei den Knies an nichts. Jede Box der 24 Pferde und zwölf Ponys – sowie auch der vier Kamele – im Stallzelt hat freien Auslauf.

Zirkus Knie, Backstage

Kampf dem Staub: Arbeiter wischen zwischen den Vorstellungen den Sattelgang und benetzen das Sägemehl in der Manege.

Kurt Reichenbach

Täglich werden die Tiere mit 370 Kilo frischem Heu, 120 Kilo Hafer, 330 Kilo Spezialfutter, 35 Kilo Karotten und 10 Kilo Vitaminwürfel verpflegt. Zudem dürfen sie regelmässig auf die Weide. «Oft gehen wir mit Freunden ausreiten», verrät Ivan Frédéric Knie (22) der ältere Halbbruder von Chanel. «Das ist eines der schönsten Hobbys, für das wir uns gern Zeit nehmen.» Er ist es, der sich um das Wohl der Pferde, ihren Transport und den Auf- und Abbau der Stallungen kümmert. Diese werden täglich mit 700 Kilo Stroh eingestreut. Entsprechend fallen pro Tag auch sieben Kubikmeter Mist an, die – falls immer möglich – an Bauern, Gärtnereien oder Baumschulen abgegeben werden.

Zirkus Knie, Backstage

Mehrere Male pro Vorstellung wird der schwere Teppich entrollt, gewischt und wieder zusammengerollt.

Kurt Reichenbach

Eine grosse Familie – mit den Knies

Es beginnt zu regnen. Auf dem nassen Natursteinbelag des Zürcher Sechseläutenplatzes widerspiegeln sich die Lichter der Zeltbeleuchtung. Comedy-Magier Dustin Nicolodi (40) in der Rolle des «Great Coperlin» einer der Publikumslieblinge in dieser Saison, klappt den Tischtennistisch aus, der zwischen den Zirkuswagen steht. Luftakrobat Wioris Errani, ein Schwager von Géraldine Knie, eilt hinzu. «Wollen wir?» Die beiden schenken sich nichts im Pingpong. «Manchmal gehts hier zu wie an einer Weltmeisterschaft: Chinesen gegen Marokkaner, Italiener gegen Franzosen, Schweizer gegen den Rest der Welt», sagt Knie-Mitarbeiter Marco und lacht.

Zirkus Knie, Backstage

Freizeitspass für alle: Der Pingpongtisch hinter dem Zirkuszelt ist Treffpunkt für alle. Hier werden mit Teilnehmern aus vielen Nationen zirkusinterne «Weltmeisterschaften» ausgetragen. Im Bild Comedian Dustin Nicolodi (r.) gegen Wioris Errani.

Kurt Reichenbach

Géraldine Knie sitzt auf der Terrasse ihres Garderobenwagens und schaut dem fröhlichen Treiben zu. «Dieses Unternehmen ist mein Lebensinhalt», sagt die künstlerische Direktorin des Circus Knie. «Es ist eine Ehre, dass ich darin mehr und mehr Verantwortung übernehmen darf. Mein Ziel ist es, dem Publikum Glücksmomente zu schenken in dieser sonst so traurigen Welt.»

Géraldine Knie, künstlerische Leiterin Zirkus Knie, Backstage, 30. Mai 2024

Artistische Direktorin: Géraldine Knie, Tochter von Fredy jun. und Mary-José Knie, leitet das Zirkusunternehmen in der siebten Generation. Ihr Lieblingsort ist der Salonwagen: «Hier treffen viele Erinnerungen und neue Projekte aufeinander. Er ist das Herz des Circus Knie.»

Fabienne Bühler

Als Familie dem Zeitgeist trotzen

Géraldine sieht es als Glücksfall, dass die Familie Knie bereits in der achten Generation den Zirkusbetrieb führen kann. Das ist nicht selbstverständlich angesichts der modernen Unterhaltungswelt mit all ihren Möglichkeiten. Dass sich auch eine junge Altersgruppe dennoch fürs Zirkusleben mit all seinen Unwägbarkeiten entscheidet, macht Géraldine stolz.

Zirkus Knie, Backstage

Livemusik vom Zirkus-Orchester: Etwa drei Meter über der sogenannten «Türe» befindet sich die enge Plattform, wo Kapellmeister Ruslan Fil und sechs Musiker die Show mit Livesound begleiten. Die Musik passt sich dabei immer dem Geschehen in der Manege an – um Pannen zu überbrücken.

Kurt Reichenbach

Was ist das Geheimnis, in der heutigen Zeit ein solches unsubventioniertes Unternehmen erfolgreich zu leiten und jedes Jahr eine völlig neue Show zu präsentieren? «Wir sind wirklich wie eine grosse Familie», sagt Géraldine. «Die geht weit über uns Knies hinaus. Es gehören alle dazu: Artistinnen und Artisten, Helferinnen und Helfer, Freunde und Bekannte in der ganzen Welt.»

Vielleicht verrät dieses Detail alles: Der Familientisch ist Géraldine Knie augenscheinlich heilig. «Ich koche jeden Tag», sagt sie. «Um zwölf Uhr sitzen alle am Tisch und reden. So schlägt das Herz des Circus Knie.»

Zirkus Knie, Backstage

Weltweite Zirkus-Innovation: Die fahrbare, ausklappbare hydraulische Bühne mit drei Ebenen ist eine Entwicklung von Maycol Errani, dem technischen Direktor des Circus Knie. Sogar ein Wasserspiel ist eingebaut! «Eine Weltneuheit und eine grosse Investition in die Zukunft», so Géraldine Knie.

Kurt Reichenbach
Von Zeno van Essel am 30. Juni 2024 - 12:00 Uhr