Bevor ich meinen grossen Gefühlen freien Lauf lasse, ein paar Fakten: Jedes Jahr am 20. November ist weltweit Tag der Kinderrechte. An diesem Tag wurde 1989 die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes verabschiedet.
So treten Kinder und Jugendliche an diesem Tag mit UNICEF für die Rechte und Anliegen ihrer Generation ein. Obwohl sich fast alle Staaten dazu verpflichtet haben, die Rechte von Kindern anzuerkennen und umzusetzen, sieht die Realität für Millionen Mädchen und Jungen ganz anders aus - nicht zuletzt bei uns in der Schweiz.
Wo beginnt Missbrauch überhaupt?
Die Verletzung kleiner Kinderseelen fängt nämlich weit vor der «offiziellen» psychischen und physischen Gewalt an. So zeigen aktuelle Studien, dass sich viele Eltern nicht bewusst sind, dass sie ihre Kinder misshandeln.
Klingt brutal, ist es auch.
Aber wo fängt Missbrauch denn überhaupt an? Eine Frage, die in meinen Kreisen grosse Diskussionen entfacht.
Für mich, ich bin Mutter eines vierjährigen Jungen, geht das schon beim Schimpfen los. Versteht mich nicht falsch, natürlich werde ich auch laut. Natürlich verliere ich hie und da sowohl meine Nerven als auch meine Geduld. Doch so sehr mich mein Kind an den Rand des Wahnsinns bringt, meiner Rolle bin und bleibe ich mir immer bewusst.
Mir ist klar, dass Kinder nicht angeschrien werden. Genau so wenig wie sie grob angefasst, oder schlimmer, gehauen werden. Auch ein kleiner Klaps auf den Po GEHT NICHT. Kinder sind wehrlos. Sie sind uns kommunikativ und körperlich komplett unterlegen. Sie haben keine Chance. Und sie verstehen, absolut zu Recht, nicht, wenn sie gehauen oder angeschrien werden.
Kinderohren sind überall!
Für mich ist das eine Form der Misshandlung. Eine weitere Form davon, die viel subtiler ist, und der wir uns als Eltern oft gar nicht bewusst sind, ist eine andere. Wie oft höre ich Eltern auf dem Spielplatz vor ihren Kindern über ihre Kinder lästern. «Haha, Max kann noch nicht einmal selber sauber essen!» Oder: «Sophie und trocken? Dass ich nicht lache. Wir glauben, das wird in diesem Leben nichts mehr!» Auch ein Klassiker: «Ella eckt halt an. Kein Wunder, dass niemand mit ihr spielen will!»
Wer denkt, dass kleine Kinderohren nicht zuhören, irrt sich. Kinder lauschen auch dann mit, wenn sie vermeintlich total konzentriert im Sandkasten spielen. Aber selbst, wenn sie das nicht tun würden, sollen wir nicht über sie herziehen. Für mich eine Frage des Respekts.
Eine andere Grenzüberschreitung, die wohl kein Elternteil böse meint, ist meiner Meinung nach das öffentliche Teilen von Kinderfotos auf Social Media. Ich kenne das Gefühl, dass man das eigene Kind das herzigste, beste und lustigste und tollste findet und dass man den Wunsch hat, sein perfektes Kind mit der ganzen Welt zu teilen. Was ich nicht verstehe ist der Fakt, dass Eltern dabei oft vergessen, dass das Internet ein Ort ist, an dem sich nicht nur die Guten treffen.
Mein guter Freund aus Kindheitstagen ist Polizist. Er erzählt regelmässig von Pädophilen-Ringen, von Kriminellen, von Menschenhändlern, die aus vermeintlich harmlosen Kinderbildern ganz üble Dinge machen, im Zeitalter von KI ist aus einem herzigen Kinderfoto schnell ein Bild entstanden, das kein Elternteil sehen will.
Das Kind für das nehmen, was es ist: ein komplett vollwertiger Mensch!
Meiner Meinung nach, und ich kann den Polizisten jubeln hören, gehören Kinderbilder nie ins Internet. Nicht solange das Kind genug alt ist, die Gefahren zu kennen und selber entscheiden zu können, ob und was es von sich zeigen will.
Bis dahin sind wir dafür verantwortlich, dass es einen gesunden Umgang mit dem Internet lernt. Und dass es geliebt und respektiert wird. Dass wir unsere Rollen wahrnehmen und das Kind für das nehmen, was es ist: ein absolut vollwertiger Mensch.
Schreiben wir uns das heute am internationalen Tag der Kinderrechte besonders fett auf die Fahne. Einfach damit wir es morgen, übermorgen, in ein paar Wochen und Monate nicht vergessen.