Jela weint. Dieses quäkige Säuglingsschluchzen, das uns in sekundenschnelle das Herz zusammenzieht und in Alarmbereitschaft versetzt. Die zweieinhalb Monate alte Tochter von Anja Zeidler, 26, hat irgendwas. Ist sie hungrig oder müde oder braucht Jela einfach ein bisschen Nähe? Das will ihre Influencer-Mama nicht verraten.
Liebevoll wiegt Anja ihr Kind im Arm und zwinkert mit erhobener Augenbraue in die Kamera. Ihre Mimik verrät: Mit einem Baby ist eben nicht alle Tage eitel Sonnenschein. Zum Video schreibt sie: «Wollt ihr mal wieder etwas Realität? Heute bin ich hardcore in Tränen ausgebrochen.»
Den Grund für das Video mit der weinenden Jela erklärt Zeidler gleich selbst: «Ich will keine Influencerin sein, die nur dann die Kamera laufen lässt, wenn es gut läuft.» Sie würde sich zudem schlecht fühlen, wenn sie «ihr Heute» nicht teilen würde.
Also liefert die Selflove-Vorkämpferin eine Kurzversion ihres Mama-Alltags: «Ich bin seit 04:30 mit Jela auf, habe schlecht geschlafen und zu viel zu erledigen.»
Der 24-Stunden-Job als Mama sei das eine, gleichzeitig will Zeidler weiterhin voll als Influencerin arbeiten und das sei ein 100-Prozent-Job: «Das ‹Hinter den Kulissen› meines Jobs können vermutlich nur diejenigen verstehen, die selbst in dieser Branche arbeiten.»
Und schon stecken wir mitten im Minenfeld der grossen Frage nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da schenkt uns Anja ein besonders köstliches Müsterli aus ihrem Beziehungs- und Berufsalltag.
Sie schreibt: «Als ich dann um 14:00 im fast leeren Kühlschrank dazukam, nach etwas Essbarem zu suchen, meinte mein Mann aus dem Home Office, dass er wahnsinnig Lust hat, nach seinem Feierabend um den Rotsee zu joggen. ‹Ich kann mit Jela aber schlecht mitjoggen›, antwortete ich ihm. ‹Das macht nichts, ihr könnt hier bleiben, ich gehe alleine›, meinte er.»
Kein Wunder packt Anja Zeidler bei so viel Unverständnis die kalte Wut: «Da rastete ich aus und sagte ihm, dass ich eigentlich nur darauf warte, bis er fertig gearbeitet hat und Jela nimmt, so dass ich die Arbeiten erledigen kann. Arbeiten. Nicht selbst zum Beispiel ein Workout machen, was ich nämlich auch zu sehr gerne mal wieder würde...»
Die Influencerin gehört einer Generation an, die ein solches Verhalten nicht mehr toleriert und den Partner unmittelbar damit konfrontiert. Wie sonst soll Frau auch einen 100-Prozent-Job stemmen? Eben. Das geht nur gemeinsam. Wir winden der Luzernerin dafür gern ein grosses Kränzchen!
Schade nur, dass Zeidler am Ende wieder einknickt und doch die Superwoman-Rolle einnimmt: «Zu 99 Prozent schaff ich es wirklich gut und bin stolz auf mich. Aber heute ist ein Tag, an dem es nicht will.» Realistisch wären wohl eher 50 Prozent, wenn da noch ein Hundert-Prozent-Job zu bewältigen ist.
Das ist der jungen Frau im Hinterkopf doch irgendwie bewusst und so präsentiert sie ihrer Community folgende Lösung: «Ich bin zwar jemand, der sich schwertut Hilfe zu holen, da ich immer alles selbst meistern will, aber ich werde nun eine Haushälterin einstellen. Auch das hat mit Selflove zu tun.» Ein guter Ansatz, bravo!