Heidi ist schüchtern. Und Jimmy halt Jimmy. Die Border-Collie-Mischlingsdame und der rote Kater (in Kamerun geboren) gehören zur Familie von Karina Rey (63) ihrem Mann Stefan (63) und Tochter Pamina (23). Sie alle leben in einer 180 Quadratmeter grossen Mietwohnung in der Kleinstadt Münsingen BE mit einer beeindruckenden Aussicht auf die Berner Alpen. Hier, in einer Ambiance der Gemütlichkeit, zwischen Erinnerungen aus Kamerun und Möbeln aus ausrangierten Theaterrequisiten (gebaut vom Ehemann), hat die ehemalige Schauspielerin ihren ersten Ratgeber geschrieben: «Meine Zweifel können mich mal!».
Rückblende. Schon als Kind will die Tochter einer Schweizer Managerin und eines österreichischen Dirigenten auf die Bühne. In St. Gallen geboren, wächst sie später in Mödling bei Wien auf, absolviert nach der Matura eindreijähriges Studium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. Es ist der Start einer beachtlichen Karriere: 30 Jahre lang steht sie unter ihrem Künstlernamen Karina Thayenthal auf Theaterbühnen und vor der Kamera, spielt in erfolgreichen Fernsehfilmen und Serien mit. Unter anderem in «Der Landarzt», «Tatort», «Lindenstrasse» und in verschiedenen Rosamunde-Pilcher-Filmen. 1989 gewinnt sie den Deutschen Fernsehpreis als bestes Nachwuchstalent.
2013 ist Schluss mit der Schauspielerei. Der Rummel um ihre Person wird ihr zu viel. «Zeitweise wurde ich auf Schritt und Tritt belagert. Ich konnte kaum mehr auf die Strasse gehen, ohne erkannt zu werden. Im Gegensatz zu anderen Stars wusste ich damit nicht so gut umzugehen», gesteht sie und ergänzt: «Als Schauspielerin habe ich sicher 1000-mal ‹Ich liebe dich› gesagt. Ich wusste nicht mehr, wie ich diese drei Wörter noch ausdrücken kann, damit ich mir selber glaube.» 2013 ist Karina Rey längst dreifache Mutter. Ihre Töchter Anna, Judith, Eleana und Pamina (von drei verschiedenen Vätern) sind heute 42, 38 und 23 Jahre alt. Ihren zweiten Mann, Stefan Rey, – er arbeitet aktuell als Uni-Dozent, Kulturvermittler und Lebensberater – lernt sie 1999 kennen. Die beiden heiraten 2003 in Florida am Strand.
In den Dschungel nach Afrika
Nachdem die letzte Klappe gefallen ist, erfindet sich Karina Rey neu. «Ich arbeitete als Lektorin bei einem Verlag, machte eine Ausbildung als Innenarchitektin, betreute geflüchtete Menschen und bildete mich im Kommunikationsbereich weiter», beschreibt sie diese andere, intensive Zeit. Und dann kam Kamerun. Eine Schweizer Stiftung suchte für ihr Trinkwasserbrunnen-Programm in der zentralafrikanischen Republik ein Ehepaar, das das Projekt saniert. Karina und Stefan Rey bekommen den Job, reisen 2012 mit Tochter Pamina in den Regenwald.
«Das war für mich die bereicherndste, aber auch die herausforderndste Zeit überhaupt. Zusammen mit 70 Mitarbeitenden haben wir weit über 100 Trinkwasserbrunnen gebaut, mehr als 1000 evaluiert und wenn nötig renoviert. Zudem haben wir ein Spital aufgebaut. Ich habe von den Menschen in diesem Land so viel gelernt. Zum Beispiel, was Gefühle anbelangt. Hier in Europa halten wir unsere Gefühle oft zurück. Wenn wir einen Verlust erleben, sind wir reserviert, vorsichtig und ängstlich. In Kamerun ist das anders. Dort dürfen Gefühle Platz haben, dürfen raus», so Karina Rey.
Reif für ein Buch
Zurück aus Kamerun (die Reys waren fünf Jahre lang dort), beschäftigt sich die heutige Uni-Dozentin, Expertin für interkulturelle Kommunikation und Auftrittskompetenz vermehrt mit den Themen Ängste und Zweifel. Auslöser dafür sind der Kulturwechsel, die Coronazeit und ihre Erfahrung als Beraterin. Aber auch die persönliche Befindlichkeit. «Ja», sagt sie, «auch ich gehöre zu den Menschen, die das Gefühl haben, ich bin zu wenig gut, ich weiss zu wenig, ich kann zu wenig. Als Schauspielerin war ich ohnehin immer mit Ängsten konfrontiert.» Plötzlich ist ihr klar, dass sie darüber ein Buch schreiben muss. «Ich glaube nicht, dass wir uns damit abmühen sollten, unsere Ängste ausradieren zu wollen, sondern dass wir einen Weg finden dürfen, ihnen im Alltag weniger Macht über uns zu geben.» Davon handelt ihr Ratgeber. Und der nächste steht bereits in der Pipeline.