Alle Jahre wieder landen Haustiere als Weihnachtsgeschenke unter dem Weihnachtsbaum. Das ist nicht per se verkehrt. Vorausgesetzt die neue Besitzerfamilie hat sich die Anschaffung des Haustieres reiflich und gut überlegt und weiss, was mit dem neuen Bewohner auf sie zukommt.
Leider passiert es aber oft, dass Haustiere vorschnell verschenkt werden und dann früher oder später im Tierheim landen. Eine Erfahrung, die auch Susy Utzinger von der Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz macht.
Wie man genau das verhindern kann und was Familien bedenken sollen, bevor man Ja zu einem Haustier sagt, erzählt die 55-Jährige im Interview.
Liebe Frau Utzinger, wann ist ein Kind genug alt für ein Haustier?
Diese Frage lässt sich nicht mit einer Zahl beantworten. Grundsätzlich gilt: Ein Kind ist nur so reif für ein Heimtier, wie es seine Betreuungspersonen sind. Ein Kind lernt nicht «einfach so», wie man sich verantwortungsvoll um ein Lebewesen kümmert. Dafür braucht es seriöse und liebevolle Anleitung durch seine Betreuungspersonen. Die Frage müsste wohl lauten: Wie müssen sich Eltern auf ein Heimtier vorbereiten? Wenn sich diese aber gut informiert und vorbereitet haben, dann können schon kleine Kinder ganz schöne VBeziehungen zu Haustieren aufbauen und profitieren.
Sollte man jüngeren Kindern eher Nagetiere schenken oder doch grad eher eine Katze oder einen Hund?
In erster Linie soll man sich bewusst sein, was man seinen Kindern vermitteln will. Ein Tier als Geschenk vermittelt, dass Lebewesen Dinge sind, die man sich schenkt und die dann – wenn sie verleidet sind – auch wieder weg können. Um genau das zu vermeiden, finde ich es wichtig, dass sich die ganze Familie Teil des Anschaffungsprozesses ist. Alle Parteien müssen einverstanden sein und sich der Aufgaben und Veränderungen durch ein Tier im Haushalt bewusst sein. Dabei soll sich die Familie intensiv damit auseinandersetzen, was für ein Tier sie will, warum, wo sie es suchen wollen und wie sie sich auf den Einzug vorbereiten. Auch über die Lebensumstände sollte die Familie genau informiert sein. Entscheidet man sich für ein Nagetier ist es wichtig zu wissen, wie eine Gehegeinrichtung aussieht und wie die Haltungsvorgaben sind. Wir lernen über Gehegeinrichtung und Haltungsvorgaben, verteilen Ämtli und sind uns bewusst, dass ein Katzenklo riecht oder grosse Meerschweinchenlandschaft das Bild der schönen Einrichtung stören können. Zusätzlich ganz wichtig: Kinder sollen nicht immer Zugang zum Tier haben. Alle Tiere brauchen einen Rückzugsort.
Worauf gilt es zu achten, wenn man sich ein kleines Heimtier anschaffen will?
Bei allen Tieren ist es enorm wichtig, deren Herkunft und Lebensart zu beachten. Ein Meerschweinchen zum Beispiel kommt aus den Anden, lebt in einem Familienverbund und ist ganz bestimmt kein Käfigtier. Oft wünschen sich Kinder Kaninchen und denken, dass sie diese dann streicheln und mit ihnen kuscheln können. Dem ist aber nicht so. Kaninchen brauchen Zeit und Distanz. Kinder dürfen sie beobachten, füttern und mit ihnen reden. Wollen sie aber mit ihnen kuscheln, kann es sein, dass sich Kaninchen mit ihren starken Hinterbeinen abstossen und das Kind verletzen.
Wenn eine Familie mit einer Katze liebäugelt: Gibt es eine besonders geeignete Rasse oder gibt es Rassen, von denen sie abraten?
Auch hier gilt: Was wollen wir unseren Kindern vermitteln? Lebewesen werden von Profis hergestellt und wir kaufen sie wie Gegenstände? Ich mache mich natürlich stark dafür, Tiere mit Geschichten aus dem Tierheim zu holen. Bevor man das aber tut, soll man sich verschiedene Katzen anschauen, mit den Pflegerinnen reden, das Tier kennenlernen, sich auseinandersetzen und spüren, welches am besten zur Familie passt. Das gilt natürlich nicht nur für Katzen, sondern auch für Hunde oder andere Tiere.
Was muss eine Familie wissen, die sich überlegt, einen Hund anzuschaffen?
Die Aufnahme eines Hundes ist ein grosser Einschnitt in den Tagesablauf einer Familie. Das muss man unbedingt vorab visualisieren. Es macht Sinn, mit Leuten zu sprechen, die Kinder und einen Hund haben und sich intensiv mit der Tierart auseinanderzusetzen. Muss es wirklich ein Rassenhund sein? Ich bin der Meinung, dass man sich Familienhunde sehr gut im Tierheim anschauen kann. Da hat man Zeit, das Tier kennenzulernen, spazieren zu gehen, mit Pflegerinnen zu reden und sich Zeit zu nehmen, die richtige Entscheidung zu treffen. Es ist wichtig, dass die Chemie stimmt.
Was, wenn ein Teenager unbedingt einen Modehund will?
Es gehört wohl zum Teenager-Dasein, sich zu wünschen, was Mode ist. Man darf aber auch beachten, dass besonders Teenager offen sind für andere Lebewesen. Es ist in jeder Lebensphase von Kindern (und natürlich auch von Erwachsenen) sinnvoll, sie damit zu konfrontieren, was diese Modetiere oft durchmachen müssen. Wie «Zuchten» aussehen, die solche Modetiere übers Internet verkaufen. Was die Ursprungsidee von Zucht überhaupt ist. Und was es bedeutet, Verantwortung für ein Lebewesen zu übernehmen. Auch der Besuch in einem Tierheim tut vielen Menschen gut: Hier sehen sie, wie es Tieren geht, die unüberlegt angeschafft wurden.
Stimmt es, dass am Ende die meiste Arbeit rund um die Betreuung des Haustieres an den Eltern hängen bleibt?
Selbstverständlich. Die Verantwortung für ein Tier muss von den Eltern übernommen werden. Es ist schön, wenn Kinder diese Verantwortung Schritt für Schritt von ihren Betreuungspersonen erlernen – aber dafür sind sie darauf angewiesen, dass ihre Eltern die gute und liebvolle Betreuung des Haustieres vorleben.
Wie und wo kauft man Tiere aus einer seriösen Zucht?
Was ist eine seriöse Zucht überhaupt? Dies herauszufinden bedarf ganz schön viel Fachwissen. Man muss sich sich sehr gut informieren und sich Fragen stellen wie «kennt der Züchter die ganze Genetik der Tiere, schaut er genau, wohin seine Tiere kommen, bereitet er die neuen Besitzer seriös auf das Tier vor?
Worauf gilt es zu achten, wenn man Tiere aus einem Tierheim holt?
Ich kenne so viele Tiere, die unschuldig hinter Gitter landen. Es sind Lebewesen, denen ich ein schönes neues Daheim von Herzen gönne. Bei Tierheim-Tieren ist es so, dass man sich die Zeit nehmen kann, das Tier ganz genau kennenzulernen. Auch sind da im besten Fall Fachleute, die extrem gut beraten können, die ihre Tiere kennen und einschätzen können, ob und welches Tier am besten in welche Familie passt.
Bald steht Weinachten vor der Türe: Ist es ratsam, Kindern Tiere zu schenken?
Lebende Tiere sind keine Geschenke – und schon gar keine Überraschungsgeschenke. Wenn sich aber eine Familie zu Weihnachten den Wunsch nach einem Tier erfüllt, kann das durchaus ein sehr schönes Erlebnis sein. Dazu gehört natürlich die gemeinsame Vorbereitung auf die Tierhaltung (Fachwissen erlernen, Wohnung und/oder Gehege einrichten, Ämtli verteilen etc.