Mama und Papa sitzen beide an ihrem Laptop, nebenan spielt der zweijährige Sohn auf dem Teppich mit seinen Tierlifiguren. Es ist ein ganz normaler Arbeitstag bei Yaël Meier (22) und Jo Dietrich (26). Sie verbringen diesen in Vitznau LU, in Meiers Elternhaus. Wie immer passt die Grossmutter an drei Tagen pro Woche auf den Kleinen auf. «Ohne sie würde es nicht gehen», erklärt Meier. Den Rest der Woche verbringen sie zu dritt in ihrer Mietwohnung in der Stadt Zürich.
Vor drei Jahren gründete das Paar die Firma Zeam. Die Idee: Junge Mitarbeitende helfen Unternehmen dabei, die Generation Z anzusprechen. Also diejenige Generation, die um die Jahrtausendwende geboren wurde.
Das Konzept funktioniert. Mittlerweile generiert die Marketing- und Beratungsfirma einen siebenstelligen Jahresumsatz und beschäftigt zahlreiche Angestellte. Sie alle arbeiten von zu Hause aus, ein gemeinsames Büro gibt es nicht. «Wir sehen uns zwar selten, aber wenn, dann verbringen wir intensiv Zeit miteinander», sagt Dietrich. So verreiste das Team beispielsweise zusammen für eine Woche nach New York oder mietete ein ganzes Hotel am Vierwaldstättersee für ein Wellness-Wochenende. «Das schweisst uns zusammen», fährt Dietrich fort.
Yaël Meier erwartet ihr zweites Kind
Die Mitarbeitenden gehörten zu den Ersten, die von Yaël Meiers erneuter Schwangerschaft erfuhren. «Es war mega herzig, sie haben sich alle so gefreut», meint die Unternehmerin, die ihr zweites Kind im Frühling erwartet.
Kritik im Internet
Im Internet sorgt die Ankündigung des Familienzuwachses für Aufsehen. Meier schreibt, auch mit einem zweiten Kind bleibe für sie alles möglich. Dafür hagelt es Kritik: Sie sei privilegiert und setze andere Frauen unter Druck. «Das wollte ich natürlich nicht, das tut mir auch leid.»
Ihr ging es darum, mehr Akzeptanz für berufstätige Mütter zu schaffen. «Mir selber wurde vorgeworfen, ich sei entweder eine schlechte Mutter oder eine schlechte Chefin», sagt Meier, die auf die «Forbes»-Liste «30 unter 30» gewählt wurde. «Als ich mit 20 Jahren erstmals schwanger war, versteckte ich lange meinen Bauch.» Sie befürchtete nämlich, in der Arbeitswelt nicht ernst genommen zu werden. Solche Probleme kennt Dietrich als Vater nicht: «Wenn Yaël einen Vortrag hält, wird sie oft gefragt, wo ihr Kind sei», sagt er. «Bei mir kommt das nie vor. Das zeigt doch, wo wir als Gesellschaft stehen.»
Yaël Meier will kein perfektes Familienbild vermitteln
Yaël Meier wird auch vorgeworfen, dass sie ihren 90000 LinkedIn-Abonnenten gegenüber alles verschönert darstellt. Als würde bei ihr immer alles klappen. Das sei allerdings nicht so. «Erst kürzlich hat sich unser Sohn kreischend in einem Laden auf den Boden geworfen», sagt sie. Das gehöre dazu. «Als wir letztes Jahr in den Ferien in Portugal waren, musste Yaël notfallmässig ihren Blinddarm entfernen lassen. Wir spielen dann natürlich niemandem vor, dass unsere Zeit dort perfekt war», sagt Jo Dietrich.
Yaël Meier über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
«Sollen wir zum See spazieren?», fragt Meier. Ihr Partner nickt. Dem kleinen Bub setzen sie eine gelbe Mütze auf. «Solche Familienmomente sind wichtig.» Ausserhalb der Arbeitszeit antworten sie weder auf Telefonate noch auf Mails. «Das sind wir unserem Kind schuldig», sagt Meier.
Das war aber nicht immer so. Eine Woche nach der Geburt des Erstgeborenen fing Yaël Meier wieder an zu arbeiten. «Obwohl ich gar nicht bereit dafür war. Doch mir blieb nichts anderes übrig.» Denn damals hatte sich das Paar gerade selbstständig gemacht.
Erst später lernten Meier und Dietrich, Prioritäten zu setzen. «Wir sind inzwischen wahnsinnig gut darin geworden, Nein zu sagen», erklärt er. «Nein zu der Arbeit, Ja zu Privatem.» Das wollen sie beibehalten. «Wir nehmen uns nach der Geburt des zweiten Kindes beide Elternzeit», so Dietrich.
Ihnen ist bewusst, dass sie auch als Paar funktionieren müssen. «Dafür gehen wir regelmässig zusammen essen, ins Kino oder auch mal feiern», sagt Meier. Das stärke ihre Bindung und liefert Energie. Das Kind ist dann jeweils bei den Grosseltern.
Ob Yaël Meier und Jo Dietrich sich ihre jungen Jahre nicht anders vorgestellt hätten? «Das werden wir häufig gefragt. Viele Leute aus unserem Umfeld waren gerade bei der ersten Schwangerschaft schockiert.» Doch für das Paar stimmt es so. «Es hat einfach alles gepasst», ergänzt Dietrich. «Also warum warten?», fragt Meier. «Wir gestalten unser Leben so, wie wir wollen.»