«Das grosse Glück in der Liebe besteht darin, Ruhe in einem anderen Herzen zu finden.» Wie ihr genau das vor wenigen Jahren mit dem Berner Mark Streit, 42, passiert ist, schildert Fabienne Kropf, 35, in der eben herausgegebenen Biografie «Gegen alle Widerstände» des Eishockeystars.
«Beim dritten Treffen konnten wir die Anziehung nicht mehr verleugnen.»
Fabienne Kropf
«Mark und ich wurden uns am Gurten-Musikfestival 2013 vorgestellt. Zwischen uns hat es sofort gefunkt. Dann dauerte es allerdings etwas, bis wir beide frei für diese Liebe waren. Ich lebte in einer Beziehung, und auch er hatte eine Freundin in den USA. Kurz nach dieser ersten Begegnung ging Mark zurück nach Amerika. Wir hatten keinerlei Kontakt. Im Jahr darauf wiederholte sich dasselbe: Wieder sahen wir uns auf dem Gurten, und eigentlich war uns klar, dass wir füreinander bestimmt sind. Als wir uns zwölf Monate später zum dritten Mal am Festival sahen, konnten wir unsere Anziehung nicht mehr verleugnen.
Ich musste mein Leben neu sortieren. Seit sieben Jahren war ich damals mit Töffrennfahrer Tom Lüthi zusammen. Solange ich mit ihm liiert war, interessierten mich keine anderen Männer, seit ich 20 war – bis ich auf Mark traf. Irgendwann musste ich realisieren, dass er mir mehr bedeutet. Weil wir uns jeweils ein Jahr lang nicht sahen, konnte ich meine Beziehung zu Tom noch aufrechterhalten. Mark und ich suchten keinen Kontakt, da jeder von uns eine bestehende Partnerschaft respektiert. Mark würde nie einem anderen Mann die Frau ausspannen. Doch ich gestand mir ein, dass sich meine Liebesbeziehung zu Hause zu einer Freundschaft entwickelt hatte. Ich beendete die Beziehung zu Tom und zog aus. Da ich für das Team meines Ex-Freundes gearbeitet hatte, musste ich mir einen neuen Job suchen.
«Ich könnte mir für unsere Kinder keinen besseren Vater vorstellen als Mark!»
Fabienne Kropf
Während dieser Zeit lernten Mark und ich uns besser kennen. Ich besuchte ihn in Philadelphia und nahm in den darauffolgenden Wochen eine Stelle als Mediensprecherin beim Schweizer Skiverband an. Bei dieser war ich im Winter wochenlang eingespannt, konnte jedoch zwischendurch vier, fünf Tage am Stück freimachen. So erlebte ich eine Saison mit Mark in Philadelphia. Was ich an ihm von Anfang an schätzte, zeigt eine Anekdote anschaulich: Wir waren in der Stosszeit mit dem Auto in Philadelphia unterwegs, steckten im Stau, als eine Frau neben uns ihn blöd anmachte, inklusive Stinkefinger und Beschimpfungen. Das machte ihn wütend. An der nächsten roten Ampel stellte er den Motor ab und stieg aus dem Auto, um ihr die Meinung zu sagen. Doch nach wenigen Sekunden kehrte er unverrichteter Dinge zurück. Im Auto sassen zwei Kinder, er wollte die Mutter nicht vor den Kleinen zur Strecke machen. Er fragte sie nur, ob sie sich wirklich so benehmen wolle, als Vorbild für ihre Kinder.
Ende Januar 2016 flogen Mark und ich während einer Spielpause drei Tage in die Wärme nach Miami, um am Meer dem Schmuddelwetter in Philadelphia zu entkommen. Für den Abend hatten wir in einem guten Restaurant einen Tisch reserviert. Vor dem Weggehen wirkte er irgendwie nervös. Plötzlich nahm er meine Hand, ging auf die Knie und stellte mir die Frage: ‹Willst du mich heiraten?› Selbstverständlich sagte ich Ja.
Weil es meinem Vater gesundheitlich extrem schlecht ging, wählten wir ein frühes Datum für die Hochzeit im Sommer 2016, damit er diesen Tag noch erleben konnte. Leider starb mein Vater trotzdem zwei Monate davor. Auch der Mann meiner Mutter, zu dem ich ein vaterähnliches Verhältnis pflegte, war im Jahr vorher verstorben.
Dafür waren wir unendlich glücklich, als ich im Frühling 2016 schwanger wurde. Im Sommer reisten wir auf die Seychellen in die Ferien. Bei der Rückkehr wussten wir den perfekten Namen für unser ungeborenes Baby: Victoria – so wie die Hauptstadt der Republik Seychellen. Währen der Schwangerschaft gab ich meinen Job auf und zog zu Mark in die USA. Victoria kam im Pennsylvania Hospital zur Welt und ist deshalb schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin.
In den USA war Mark eher ein Einzelgänger. Nun war er Teil eines Paares und durfte auch mal traurig sein und weinen. Als Victoria geboren wurde, wirkte er wie befreit. Im Oktober 2018 vergrösserte sich unsere Familie um die kleine Josephine, und gerade bauen wir ein Haus in Bern. Ich könnte mir keinen besseren Vater für meine Kinder vorstellen.»
Mark Streit selbst spricht in der Biografie offen über seine Gefühle nach dem erzwungenen Karriere-Ende vor drei Jahren: «Nach dem Stanley-Cup-Gewinn mit Pittsburgh 2017 fühlte ich mich noch immer gut und hatte Spass am Eishockey. Eigentlich wollte ich weitermachen. Da mich die Pittsburgh Penguins jedoch rein als Verstärkung für die Playoffs geholt hatten, gab es praktisch keine Chance auf einen neuen Vertrag. Dafür waren die Montréal Canadiens interessiert und wollten mich vor allem fürs Powerplay und um die jungen Spieler als Mentor auf und neben dem Eis zu führen. Ich beriet mich mit meiner Frau. Sie sagte, sie käme gern mit Victoria nach Kanada. Daraufhin unterschrieb ich einen Einjahresvertrag bei den Canadiens, was mich enorm freute, da dort ja meine NHL-Karriere angefangen hatte.
In Montreal mietete ich ein Haus, das genug Platz für die Familie bot. Die Miete bezahlte ich für zehn Monate im Voraus. Ende September kamen Fabienne und Victoria nach. Doch ich hatte eine Vorahnung. Ich fühlte mich im Team nicht wirklich wohl. Die ersten paar Spiele der Vorbereitung kam ich nicht zum Einsatz und sah dann bei meinem ersten Match nicht sonderlich gut aus. Kein Wunder, bei vier, fünf Monaten ohne Praxis. Ich merkte immer deutlicher, dass irgendwo der Wurm drin war. Dann ging die Saison los. Die ersten zwei Matches spielte ich noch und war bei Weitem nicht der schlechteste Verteidiger. Trotzdem fand ich mich danach nicht mehr im Line-up.
In dieser Zeit kamen meine Eltern für den Saisonstart zu Besuch. An meinem ersten freien Tag fuhren wir alle Richtung Norden, um den Indian Summer zu geniessen, als mein Handy klingelte. General Manager Marc Bergevin eröffnete mir, dass man mich in die AHL schicken würde. Damit kam ich auf die «Waiver List» der Spieler, von denen man sich trennen will. Mir wurde schlagartig bewusst, dass meine Karriere wohl vorbei ist. Ich war perplex. Wenigstens konnte ich gleich meinen Eltern und Fabienne mein Herz ausschütten. Als wir am Abend in Montreal essen gingen, hatte ich von einem Moment auf den anderen mitten im Restaurant einen Weinanfall. Ich war ausser mir, verzweifelt, todtraurig. Ich wusste: Würde ich Nein sagen zum Rückschritt ins Farmteam, würde ich suspendiert und mein Vertrag aufgelöst. Und so kam es auch.
Eine Anfrage des SC Bern kurz darauf, ob ich für den Verein spielen wolle, überlegte ich mir ernsthaft. Bei meinem Juniorenklub hätte sich der Karriere-Kreis geschlossen. Aber ich fürchtete, die Erwartungen mit meinen 40 Jahren nicht mehr erfüllen zu können. Ich sagte ab.
«Ich weiss nicht, was ich ohne meine Frau und unsere Töchter machen würde.»
Mark Streit
Es war ein abruptes Karriere-Ende. Doch es entsprach mir mehr, als immer weniger eingesetzt zu werden und dann sang- und klanglos auszuscheiden. Der Schnitt tat trotzdem extrem weh und schmerzt noch immer. Am Anfang belastete mich die Frage: «Was jetzt?» Dank meiner finanziellen Situation musste ich nicht von heute auf morgen etwas Neues finden. Erst mal zog ich mich zurück und kümmerte mich um die Familie. Dann kam ich mit einigen interessanten Projekten in Kontakt. So arbeite ich nun auf Mandatsbasis als Verwaltungsrat und Investor für die unabhängige kleine Schweizer Uhrenfirma Norqain. Zudem habe ich ein Engagement als TV-Experte bei SRF. Für die neuen Aufgaben überwand ich mich, am Institut für Customer Insight an der Hochschule St. Gallen wieder die Schulbank zu drücken. Das war brutal hart für mich. Pro Woche hatten wir täglich acht Stunden Unterricht.
Klar gibt es Augenblicke, in denen ich das Profi-Eishockey fast unerträglich vermisse. Im ersten halben Jahr nach der Vertragsauflösung in Montreal hatte ich regelrechte Zusammenbrüche. Manchmal weinte ich plötzlich hemmungslos. Einmal, auf dem Heimweg vom Gym, musste ich sogar das Auto rechts ranfahren, um mich zu fangen. Doch die Zeit heilt in der Tat die Wunden.
Eine Laufbahn als Coach strebe ich nicht an. Man verbringt mehr Stunden im Stadion als die Spieler. Der Preis, den ich als junger Familienvater zahlen müsste, wäre mir zu hoch. Aber weil ich gern mit Jugendlichen arbeite, schliesse ich eine Trainerausbildung in Zukunft nicht aus. Und im Eishockey gibt es viele gute Typen, weil das Drumherum speziell ist, weniger aufgeblasen als in anderen Sportarten.
Das Buch
Jetzt kann ich mir in Ruhe den nächsten Schritt überlegen. Vor allem bin ich froh, dass ich die letzten Monate im Leben meiner Mutter näher bei ihr war. Ich habe sie jeden Tag im Spital besucht. Innerhalb eines Jahres habe ich meine Eltern verloren: Im Sommer 2019 verstarb meine Mutter, an Weihnachten mein Vater. Mir ist brutal vor Augen geführt worden, wie fragil unser Glück ist. Den Verlust meiner Eltern habe ich noch nicht annähernd angenommen. Ich konnte mir ein Leben ohne sie nie vorstellen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich noch immer nicht realisiert, was 2019 passiert ist. Ich verspüre einfach die Sehnsucht, sie beide nur noch ein einziges Mal in die Arme zu schliessen und ihnen zu sagen, wie sehr ich sie liebe.
Die Trauer und den Schmerz kann einem niemand abnehmen, aber mit Fabienne weiss ich eine starke Frau an meiner Seite, die mir zwei unglaublich süsse Kinder geschenkt hat und mich in allen Lebenslagen verständnisvoll unterstützt. Wir sind in guten wie in schlechten Tagen füreinander da. Ich wüsste nicht, was ich ohne meine Frau und unsere Töchter machen würde. Sie geben mir die Hoffnung, durch die manchmal so düsteren Stunden zu kommen.
Auch auf meine Schwester Priska bin ich sehr stolz. Ich weiss, dass sie vor allem in den Jugendjahren wegen meiner Karriere auf vieles verzichten musste. Dass sich bei uns alles ums Eishockey drehte, war für sie oft nicht leicht. Heute ist sie selbst eine tolle Mutter mit einer wunderbaren Familie. Ich habe grössten Respekt vor dem, was sie geleistet hat. Ich danke ihr von ganzem Herzen für ihre Unterstützung. Geliebte Eltern zu verlieren, ist grausam und tut unendlich weh. Ich kann mich glücklich schätzen, eine grosse Schwester zu haben, die mir in dieser Situation zur Seite steht. Ich habe sie sehr lieb.
«Es geht weiter, einfach anders.»
Mark Streit
Ich durfte meinen Traum leben. Die NHL ist ein riesiger Zirkus – einerseits knallhartes Business ohne Sentimentalitäten, andererseits wie der coolste Hollywood-Streifen, in dem man mitspielen kann, egal ob in einer Haupt- oder Nebenrolle. Doch im Leben wird man noch mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert, als man im Sport je zu meistern hat. Diesen muss ich mich nun stellen. Nichts wird sein, wie es einmal war. Das macht mir zwar auch Angst. Aber es geht weiter, einfach anders.»