In der Wohnung von Fabienne Bratschi in Küsnacht ZH herrscht ein Gewusel wie in einem Bienenstock. Lilou, 10, und Leo, 4, suchen auf dem Estrich nach den Spielsachen, die dort die vergangenen zehn Monate zwischengelagert waren. Eigentlich wären die Bratschis bereits im Frühling wieder aus Tahiti zurückgekehrt, aber Corona machte ihnen einen Strich durch die Rechnung.
«Du, Fabienne, da läuft was aus deinem Kühlschrank», tönt es aus der kleinen Küche. Adrian Bratschi, 44, der Papa von Lilou und Leo, holt seine Kinder zum Mittagessen ab und wartet geduldig, bis diese ihr Zeug in die Wohnung geschleppt haben. Fabienne, 40, schaut erst ihren Ex-Mann an, dann den Kühlschrank. «Na super! Ich wische es auf, wenn ihr weg seid», meint sie und lacht. Eine ganz normale Mutter in einer ganz normalen, eher spartanisch eingerichteten Wohnung, mit ganz normalen Sorgen. Dabei war und ist Fabienne Bratschis Leben alles andere als normal.
Im Jahr 2000 muss die Solothurnerin das Miss-Schweiz-Krönchen Mahara McKay überlassen. Die Wahl ist trotzdem der Beginn einer erfolgreichen Modelkarriere. 2007 lernt sie den schwerreichen Unternehmer und Silent-Gliss-Erben Adrian Bratschi kennen und heiratet ihn 47 Tage nach dem ersten Treffen. Der Beginn eines märchenhaften Lebens. Bei Ferien auf Bora Bora verliebt sich das Paar in die Insel im Südpazifik. Es baut das Luxus-Anwesen Bora Bora One, wandert mit Töchterchen Lilou aus. Und führt ein Leben zwischen Tauchgängen im türkisblauen Pazifik, Chillen am Privatstrand und Städtetrips nach Los Angeles oder Sydney.
Diesem Prinzessinnen-Leben aber kann Fabienne Bratschi nichts abgewinnen. «Ich fragte mich, womit man sich auf dieser schönen Insel sonst noch beschäftigen könnte – und landete beim Meersalz.» Sie legt ein kleines Becken an, in dem sie Salz gewinnt, und schickt es in ein Testlabor. Das Ergebnis: Die Qualität ist kaum zu übertreffen. Sie beginnt, auf Bora Bora zu netzwerken, verkauft ihr Meersalz an Touristenshops und Hotels. Als die Schweizer Beauty-Unternehmerin Gabriela Gerny in ihren Ferien auf der Insel das Salz entdeckt, bittet sie Fabienne Bratschi um eine Zusammenarbeit. Das Bora Bora Sea Salt wird in ein Peeling integriert.
«Adrian und ich hatten zehn wundervolle gemeinsame Jahre.»
Fabienne Bratschi
Während Fabiennes Karriere als Unternehmerin Fahrt aufnimmt, geschieht in ihrem Privatleben das Gegenteil. Auch die Geburt von Söhnchen Leo kann die Ehe seiner Eltern nicht mehr retten. Nach der Trennung reist Fabienne zwei Jahre lang mit ihrem Baby durch die Welt. «Ich habe das gebraucht, um zu verarbeiten», sagt sie. Tochter Lilou bleibt beim Papa, wenn sie Ferien hat, begleitet sie ihre Mutter und den Bruder auf Reisen.
Gleichzeitig baut Fabienne Bratschi ihr Geschäft aus, ist zwischendurch immer wieder auf Bora Bora bei ihrem Business – und ihrer Tochter. Als sie zurückkommt, schafft es das Ex-Paar, eine enge Freundschaft aufzubauen. «Das braucht Respekt, Offenheit und den Willen, einander zu verzeihen, was war», sagt sie. «Adrian und ich hatten zehn wundervolle gemeinsame Jahre, und wir haben zwei tolle Kinder. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.»
Adrian und Fabienne Bratschi verkaufen «Bora Bora One», er verlegt seinen Hauptwohnsitz auf die Nachbarinsel Tahiti, wo Lilou nun nach den Sommerferien die internationale Schule besucht. Fabienne zieht zurück in die Schweiz, wo Leo bald den Kindergarten beginnt. Adrian mietet eine Ferienwohnung in Zürich. Im Herbst geht es dann auch für Mutter und Sohn wieder nach Tahiti, damit die Familie zusammen ist. «Leo ist noch klein, das Hin- und Herpendeln macht ihm Spass. Für Lilou ist es besser, wenn sie an einem Ort zur Schule geht und sich dort ein Sozialleben aufbauen kann», sagt Fabienne. Leo wird die nächsten zwei Jahre mal in Küsnacht, mal auf Tahiti den Kindergarten besuchen. «Wenn er eingeschult wird, sehen wir weiter.»
Eine Rolle wird dabei auch Fabiennes Unternehmen spielen. Während des Lockdowns, den sie mit den Kindern und Adrian auf Tahiti verbringt, widmet sie sich dem Export. Das war bisher – ausser einer kleinen Menge in die Schweiz – kein Thema. Denn obwohl Fabienne Bratschi inzwischen 16 Becken zum Gewinnen des Salzes betreibt, reichte die Menge nicht zum Exportieren. Als Corona-bedingt die Geschäfte und Hotels auf Bora Bora schliessen, hat sie plötzlich «voriges» Salz. Ausser in die Schweiz startet Fabienne den Export in die EU – kein Problem, da Französisch-Polynesien dieser angegliedert ist. Und sie beginnt Verhandlungen mit Japan. «Das ist kompliziert. Abgesehen von der Sprache – viele Dokumente sind ausschliesslich in Japanisch – herrschen dort ganz individuelle Vorschriften. Aber ich liebe die Herausforderung!» Gross ist auch die Freude darüber, dass das Bora Bora Sea Salt Peeling in den Geschenktaschen für die Nominierten der diesjährigen «MTV Music Awards» ist. Aber Zeit, um solche Erfolge zu feiern, bleibt gerade wenig.
Leo kommt mit seligem Gesichtsausdruck vom Dachboden in die Wohnung gepoltert. Er hat seine Puppe gefunden, bettet sie in ein Wägeli und spricht in einem hinreissenden Kauderwelsch aus Schweizerdeutsch und Französisch – das er im Vor-Kindergarten auf Tahiti gelernt hat – auf sie ein.
Lilou setzt sich an den Esstisch, nimmt ein Brötli und erzählt, dass sie «Schreiberin» werden möchte. «Sie schreibt grossartige Gedichte», erzählt die stolze Mama. Ob die beiden Kinder wissen, dass sie kein «normales» Leben führen? «Was heisst normal?», fragt Fabienne. «Meine Kinder wachsen nicht zwischen Prada und Gucci auf. In Polynesien ist der Coolste der, welcher den grössten Fisch fängt, nicht der mit den teuersten Turnschuhen.» Sagts, zieht ihrem Sohn die Schuhe an und drückt ihn dem Papa in die Arme. «Los, raus hier. Ich muss mich endlich um diesen Kühlschrank kümmern!»
2012 wandern Fabienne und Adrian Bratschi nach Bora Bora aus. Die Insel liegt im Südpazifik und gehört zu Französisch-Polynesien. Auf dem der Hauptinsel vorgelagerten Inselchen Motu Piti Aau bauen sie das 30000 Quadratmeter umfassende Luxusanwesen Bora Bora One. Nachdem das Paar 2017 sein Ehe-Aus bekannt gibt, wird das Anwesen verkauft. Heute pendeln beide zwischen der Schweiz und Tahiti.