Vor der mit unzähligen Graffitis versprayten Haustür im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg tobt an diesem Dienstagmorgen das Leben: Menschen auf Velos schlängeln sich halsbrecherisch um alles, was ihnen im Weg steht, Väter schieben Kinderwagen über das holprige Trottoir, ein Mann durchsucht einen Mülleimer nach Pfandflaschen. Hinter der Haustür, fünf Stockwerke weiter oben, herrscht aufgeräumte Ruhe. In der Berliner Wohnung von Jan Seven Dettwyler (45) ist alles an seinem Platz, nichts überflüssig. Vieles hat für den Schweizer Musiker eine tiefe Bedeutung. Der Authentizität wegen tritt er seit einiger Zeit unter einer Kombination seines bisherigen Künstlernamens Seven und seines bürgerlichen Namens auf.
«Wenn der Kleine nachmittags aus dem Kindergarten kommt, mache ich den Laden dicht. Dann liegt der Fokus auf Lego, Spielplatz und Hausaufgaben.»
Musiker Jan Seven Dettwyler
Seit der Trennung von seiner Frau Zahra Abdalla (40) im Sommer letzten Jahres wohnt Dettwyler in dem Altbau mit fünf Zimmern, hohen Decken und gepflegtem Parkett. Das Ex-Paar lebt nur wenige Minuten zu Fuss auseinander. «So können unsere beiden Söhne mal schnell zum Papi, wenn sie hier etwas vergessen haben oder umgekehrt.» Bevor die Beziehung nach 20 Jahren zerbrach, habe er die Zeit mit der Familie so einteilen können, wie es sein Job verlangte, sagt der Musiker. «Ich konnte zum Beispiel eine Woche am Stück arbeiten, um dann wieder vier Tage hintereinander zu Hause zu sein.» Heute ordne sich der Job den Bedürfnissen seiner sechs- und vierzehnjährigen Söhne unter. «Sie sind die Hälfte der Woche bei mir, die andere bei ihrer Mutter. Wenn der Kleine nachmittags aus dem Kindergarten kommt, mache ich den Laden dicht. Dann liegt der Fokus auf Lego, Spielplatz und Hausaufgaben.»
Ein Jahr brauchte die Familie, bis sie sich in der neuen Situation eingefunden hatte. «Bis hierher war es eine heftige Zeit», sagt Dettwyler. Und auch wenn sich Zahra Abdalla und Jan Dettwyler in Freundschaft trennten, habe es Momente tiefer Trauer und Unsicherheit gegeben. «Ich hatte mir meine Zukunft anders vorgestellt, und im ersten Moment war das alles einfach scheisse. Ich hatte das Gefühl, dass wir gescheitert sind.»
In vergangenen Krisen seien Stift und Papier die Therapeuten des Wohlers gewesen. «Es wird oft unterschätzt, wie persönlich meine Musik ist. Mein Tagebuch ist für jeden hörbar.» Mit der Trennung war Jan Seven Dettwyler erstmals damit konfrontiert, dass Stift und Papier nicht mehr reichen, um zu verarbeiten. «Ich konnte meine Ängste nicht nur aufschreiben. Ich musste sie auch in meinem Umfeld kommunizieren und um Hilfe bitten. Das ist nicht meine Stärke.»
Jan Seven Dettwyler ist frisch verliebt
Dennoch, auf seinem neuen Album «Schwarz auf Grün», das am 13. September erscheint, hört sich jeder Song an wie ein Tagebucheintrag. Chronologisch begleitet man Dettwyler über Zweifel, Dankbarkeit und Trauer hin zu einem neuen Lebensgefühl, das zuversichtlich, verspielt und geerdet ist. So singt er in «Drei Stunden» über frisch verliebte Nächte, die nie enden sollen. «Ich könnte das nicht so schreiben, wenn ich es nicht auch fühlen würde», sagt er und lächelt. Es gebe eine neue Frau in seinem Leben, gibt er zu, mehr wolle er vorerst nicht verraten. «Wenn man jemanden neu kennenlernt, fühlt es sich an, als sei man zu zweit auf einer einsamen Insel.»
Vier Jahre sind vergangen, seit Dettwyler mit seiner Familie nach Berlin gezogen ist. Damals, weil seine Frau und er schon lange davon träumten, sich in der deutschen Metropole niederzulassen. Auch wenn das Leben andere Pläne hatte als gewünscht, wohnt der Musiker weiterhin in Berlin. Seine Heimat bleibt fester Bestandteil seines Lebens. «Die Schweiz ist mein Zuhause, dort fühle ich mich verwurzelt. In Berlin liebe ich dieses Puff, das Quartier mit den vielen Cafés, und hier sind meine Jungs.» Die fühlten sich wohl in der Grossstadt: «Mein Ältester ist sehr interessiert am Weltgeschehen und saugt die Geschichte, die in Berlin überall präsent ist, förmlich auf. Natürlich gibt es Herausforderungen, besonders für einen Teenager. Die Möglichkeiten sind unendlich und nicht immer zum Wohl der Kinder. In der Schweiz wäre es vielleicht etwas sicherer, und es gäbe mehr Routine. Aber meine Söhne sind zielstrebig und wissen, was sie wollen. So sind sie gegen diese Verlockungen gut gewappnet.»
Jan Seven Dettwyler kommt in die Schweiz
Ab dem 13. September geht Jan Seven Dettwyler auf «Schwarz auf Grün»-Tournee. Zunächst für sechs Konzerte in der Schweiz, dann für sieben in Deutschland. Immer unter der Prämisse, dass genügend Raum bleibt für Lego, Hausaufgaben und Zeit zu zweit auf einer einsamen Insel.