Wie schwer es manchmal ist, allem und jeder und jedem gerecht zu werden, wissen berufstätige Eltern nur zu gut. Wie sie das als Mama und Popstar versuchte, erzählt die ehemalige «Wir sind Helden»-Frontfrau Judith Holofernes (45) in ihrem neuen autobiografischen Buch «Die Träume anderer Leute». Praktisch in ihrem Fall: Ihr Mann und Vater ihrer beiden Kinder Pola Roy (47) war der Schlagzeuger ihrer Band – sie konnten sich die Care-Arbeit also teilen. Ebenfalls praktisch: Die Kinder liebten das Leben auf Tour, besonders den Nightliner Bus. Unpraktisch: Mama und Papa mussten immer zur gleichen Zeit arbeiten. Sie waren deshalb auf eine Babysitterin angewiesen. Zudem beschäftigte sie der grosse Druck auf die Band. Sie rechnete sogar den bestmöglichen Zeitpunkt aus, wann sie gebären sollte, damit die «Helden» nachher wieder auf Tour gehen könnten! Richtig frustriert war sie aber aus einem anderen Grund.
Tränen der Frustration trieben ihr die Erwartungen an sie als Mutter und Musikerin in die Augen. In Interviews sei immer nur sie gefragt worden, wie sie alles unter einen Hut bringe. Ihr Mann und Vater ihrer Kinder nie. Ihm sei das auch aufgefallen. «Er kriegt sein Vatersein als Bonusaktivität gespiegelt, sogar meine feministische Mutter findet es toll, wie er immer alles mitmacht», erzählt Holofernes im Podcast «Eltern ohne Filter» von Radio Bayern 2. Ihre Aufgabenteilung, obwohl doch nie ganz 50/50, werde ihm als heroischer Akt gespiegelt – ihr hingegen als mindestens potenzielle Fehlleistung. «Dem Vater wird noch immer für jeden Handgriff applaudiert. Als Mutter kann man nur verlieren, man kämpft gegen Punktabzug – das sitzt total tief.»
Trotzdem tourten die «Helden» mit ihren Kindern noch fünf Jahre weiter, Holofernes versuchte es zwischen Touren und Bastelnachmittagen, zwischen PR-Terminen und «bekloppten Muffins backen». Sie wollte das Leben ihrer Kinder «so normal wie möglich» gestalten. Doch irgendwann wurde ihr alles zu blöd, die Enttäuschung über die festgefahrenen Rollenbilder machten ihr, die als Tochter einer alleinerziehenden lesbischen Mutter aufgewachsen ist, zu schaffen. Zudem bekam sie gesundheitliche Probleme. 2012 lösten sie die Band auf, die Kinder waren damals fünf und drei Jahre alt. «Auch die Last des Helden-Endes liegt komplett auf mir», erzählt Holofernes. Ihr Mann habe das vielleicht noch gründlicher gewollt als sie, «aber in Interviews werde immer nur ich gefragt, ob ich die Band nicht zurück wolle.»
Mittlerweile ist Judith Holofernes von keiner Plattenfirma mehr abhängig und hat sich selbstständig gemacht. Ihre Arbeit gibt es nun auf der Plattform www.patreon.com zu lesen, oder eben in ihrem neuen Buch.
Ihre Kinder sind mittlerweile 13 und 15 Jahre alt – und fänden es toll, mit den Eltern wiedermal im Nightliner auf Tour zu gehen.