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Jennifer Garner geht viral

Mütter waschen sich übrigens auch

Das Klischee der übermüdeten und versifften Mutter hält sich hartnäckig. Jennifer Garner geht gerade mit einem Insta-Post viral – sie trägt Schlappen und einen Bademantel. Dabei sind Mütter viel besser als ihr Ruf.

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Jennifer Garner and friend out for coffee in Santa Monica / 200319

«Sie hat knapp den Bus erwischt, immerhin blieb ihre Mutter souverän»: Jennifer Garner in ihrem Insta-Post.

Dukas

Es gibt Menschen, die verkleiden sich an Halloween als «übermüdete Mutter». Das Kostüm ist schnell daher gezaubert. Es braucht nicht viel (ein bisschen Lidschatten unter die Augen, ein verflecktes T-Shirt, zerzauste, leicht eingeölte Haare) und der Look ist perfekt. Das Klischee, dass sich Mütter selten duschen, kaum Zeit finden zum Haare waschen, sowieso immer leicht angeschmoddert durch die Welt galoppieren, nun, es hält sich hartnäckig. In jedem Klischee steckt aber zumindest ein Körnchen Wahrheit. Und Jennifer Garner geht gerade viral, weil sie sich in einem Insta-Post darüber lustig macht.  

Eine Stunde morgens im Bad? Nicht für mich

Da steht sie vor ihrer Villa, im Emblem-Bademantel, mit der Kaffeetasse in der Hand, nassen Haaren und Schlappen an den Füssen. Zum Bild schreibt sie: «Sie hat knapp den Bus erwischt, immerhin blieb ihre Mutter souverän.» Der Schulbus ist ein eher amerikanisches Konzept, unsereins hechtet in den frühen Morgenstunden üblicherweise auf Trams, S-Bahnen oder den stinknormalen Bus. Üblicherweise haben wir den Bademantel (aka Handtuch) durch alltagstaugliche Kleidung ersetzt.

Und doch hat sich mit dem Kindersegen so einiges verändert. Im besten Fall auch der Anspruch an uns selbst. Ich muss immer ein klein wenig (durchaus neidisch) in mich hinein lächeln, wenn ich höre, wie lange manche liebgeschätzte Mitmenschen morgens im Bad brauchen. Diese Zeit habe ich seit Kind 1 und 2 nicht mehr. Und trotzdem stehe ich nicht im Bademantel im Büro.

Kinder pfeifen darauf, ob das T-Shirt zur Hose passt

Was ich lernen musste? Alles ein bisschen entspannter anzugehen. Denn – und das ist ja das Schöne an Kindern – die pfeifen drauf, ob das T-Shirt tatsächlich zur Hose passt. Man ist sowieso und generell und immer die allerschönste Frau der Welt (diese Phase geniessen wir bitte alle sehr intensiv, spätestens mit den ersten frühpubertären Schüben kommt dann die «du bist sooooo peinlich»-Periode).

Üblicherweise habe ich morgens das übergeworfen, was einfach noch frisch war. Und bei Wäscheengpässen kamen dabei interessante Kombinationen raus. Praktischerweise wurden diese modischen Entgleisungen von meinem Umfeld als eine besonders individuelle Herangehensweise an aktuelle Trends gewertet. Ich danke euch allen dafür, auch wenn ihr mich nur trösten wolltet. Im Grossen und Ganzen wars mir eigentlich auch wurscht.

Was mir wirklich wichtig ist

In dieser Zeit habe ich herausgefunden, was mir wirklich wichtig ist. Das Morgenroutine-Zeitfenster (ausser ihr seid sowieso schon die krassen Frühaufsteher und hüpft mit dem Sonnenaufgang aus dem Bett) ist drastisch kleiner geworden. Aus Effizienzgründen befinden sich in meinem Bad nur noch die Essentials. In rund zwölf Minuten (wovon rund sieben für den Duschvorgang eingeplant sind, der einige Jahre nach der Geburt glücklicherweise wieder OHNE Zuschauer stattfindet) muss die Mutter (also moi) «’putzt und gstrählet» parat stehen.

Die nächsten 48 Minuten wird sie zusammen mit dem Partner ihren Nachwuchs präsentabel herrichten. Jede Socke verlangt die Argumentationsskills einer erfahrenen Prozessanwältin. Könnte ich für diese allmorgendliche Stunde Einsatz an der Front den Stundensatz einer erfahrenen Juristin in Rechnung stellen, hätte ich mir längst die karibische Insel meiner Träume gekauft. Leider ists ein wenig undankbarer. Der neu gekaufte (und selbst ausgesuchte) Rock ist dann doch «pipi» und die Hose ist über Nacht einen Kilometer kürzer geworden (auch ein Phänomen bei Kleinkindern: Man schickt sie abends etwa mit Schuhgrösse 29 ins Bett und morgens wachen sie mit Grösse 31 würdigen Füssen auf. Ich nenne das ein Wunder).  

Und deshalb klopfe ich mir und allen anderen Müttern (oder Vätern) die einigermassen unbeschadet aus der «Morgenroutine» (dieses Wort ist ein Witz – mit Routine hat das nix zu tun) raus finden, auf die Schulter. Denn wir kommen ganz gut ohne Bademantel zurecht.

Von Bettina Bendiner am 13. November 2019 - 08:00 Uhr