Hallo du Lieblingsmensch meines Lieblingsmenschen,
heimlich hoffe ich ja, dass du diese Zeilen erst in 30 Jahren liest. Einfach weil ich mir heute nicht vorstellen kann, dass mein Baby vorher nicht mehr mein Baby sein wird. Während ich diese Zeilen schreibe, ist dieses «Baby» 2 Jahre und acht Monate alt. Ich verrate dir, dass ich mir oft einen Knopf wünsche, um die Zeit anzuhalten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie herzig dein Freund (Grrrmmmpf!) nämlich gerade ist.
Wobei, vielleicht kannst du das. Etwas, das ich an dir mag, ist nämlich, dass du geschnallt hast, wie toll mein Sohn ist. Du hast dich schliesslich in ihn verliebt und er sich in dich. Ich weiss noch nicht, ob du männlich oder weiblich oder genderfluid bist. Und weisst du was? Das ist auch völlig egal.
Ich mag dich, wenn ich jetzt an dich denke, ganz unabhängig von deinem Geschlecht irgendwie ein bisschen nicht. Und das, obwohl ich mir sicher bin, dass du fantastisch bist. Lass mich ehrlich sein: Ich bin wohl einfach nur eifersüchtig. War ich lange die Nummer 1 meines Buben, bist das jetzt du.
Sei aber unbesorgt: Mit meinen Gefühlen muss und tu ich selber klarkommen. Und wenn ich diesen blöden Neid zur Seite stelle, weiss ich, dass ich es wunderbar finde, dass du da bist. Deswegen: Hallo du, ohne Scheiss, schön bist du da! <3
Natürlich hoffe ich, dass du nicht all zu fest pubertierst. Ich hoffe auch, dass Kiffen und Rauchen und viel zu viel trinken nicht mehr en vogue ist, wenn du das liest. Falls schon, dann hoff ich, dass du den Konsum einigermassen im Griff hast. Und meinem Sohn den Kopf wäschst, wenn er über die Stränge haut.
Dann müssen wir noch schnell über Sex reden. Ja. Du und ich. Schau, ich bin Mutter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Baby ein Sexleben hat. Dir geht es vielleicht ähnlich mit deinen Eltern. Familie und Sex, es ist und bleibt schräg. Aber du und ich, wir können uns darüber unterhalten. Ich will wenig: Ich will euch einfach nicht hören. Und ich will, dass ihr die Bettwäsche selber wechselt, sollte mal was daneben gehen. Und verhütet! Kinder, verhütet!
Ich werde euch kein peinliches Gespräch aufdrängen. Wenn ihr aber Fragen habt, ich bin da.
Natürlich werde ich hinter eurem Rücken über euch motzen!
Mir ist übrigens bewusst, dass du jetzt mehr oder weniger einziehen wirst. Ihr werdet ständig den Kühlschrank plündern und nichts nachkaufen. Ihr werdet die Kissen auf dem Sofa nie aufschütten. Geschweige denn mal ein Bad putzen. Ihr werdet oft zu laut sein und null Lust haben, mal einen Film mit uns zu schauen. Oder ein Gesellschaftsspiel zu spielen.
Das ist alles völlig okay. Obwohl es mich logischerweise schon maximal nervt und ich hinter eurem Rücken sehr über euch motzen werde.
Aber das soll, und wird euch sowieso, piepegal sein. Ich erinnere mich gut, dass ich genau so war.
Zum Schluss nur noch eine klitzekleine Warnung: Ich rate dir, meinem Buben das Herz nicht zu brechen. Falls schon ... nein, komm wir einigen uns darauf, dass du seines nicht brichst. Dafür tröste ich dich mit warmer Schoggi und selbst gemachtem Kuchen, falls er es ist, der mit dir Schluss macht. Da geb ich dir mein Schwiegermonster-Wort drauf.
Mit viel Liebe (und ein bisschen Vorsicht),
deine Maja