Eltern machen sich gerne mal lustig darüber, dass das Sexleben nach der Geburt eines Kindes, nun, abnimmt. Schnell machen wir die Müdigkeit für unsere Libido verantwortlich, die sich gefühlt in die hinterste Ecke des Nirwanas verabschiedet hat.
Oft ist es nicht «nur» der Sex, der fehlt. Auch die Kuscheleinheiten mit dem Partner können kürzer und seltener werden. Im fiesesten Fall enden wir mal da, wo wir uns sogar vor unserem Partner ekeln – denken wir und irren uns hie und da zum Glück gänzlich.
Hier kommt das Overtouched-Syndrom (auf deutsch: «über-berührt») ins Spiel. Eltern, Mütter öfters als Väter, erleben ein «zu viel» an Körperkontakt. Das bedeutet keineswegs, dass sie nicht gerne ausgiebig mit ihren Kindern schmusen.
Was in den meisten Fällen sehr schön ist, kann auch mal kippen
Dennoch ist es vor allem in den ersten Lebensmonaten- und Jahren so, dass Kinder enorm viel Körperkontakt einfordern. Anfangs beim Stillen, beim getragen und gewiegt werden, später dann, wenn sie Trost brauchen, wütend oder müde sind.
Was in den meisten als sehr schön und erfüllend erlebt wird, kann aber auch mal kippen: Ist das der Fall, erleben Elternteile das unangenehme und einnehmende Gefühl, dass ständig jemand an ihnen klebt und sie ständig zum Kuscheln zur Verfügung stehen müssen. Ihre eigene Laune und ihr eigenes Wohlbefinden spielen absolut keine Rolle.
Als Folge davon kann es passieren, dass Eltern, wenn das Kind schläft oder ruhig und zufrieden spielt, einfach keine weiteren Berührungen ertragen können. Auch nicht von der Partnerin/dem Partner.
Wie kommt es überhaupt zum «Overtouched-Syndrom»?
Zum einen gibt es einen sehr simplen physischen Grund: Beim Kuscheln schüttet der Körper das Bindungshormon Oxytocin aus. Dieses ist, in einem gesunden Masse, für wohlige Gefühle wie Entspannung, Zuneigung und Wohlbefinden zuständig.
Wenn Eltern aber ständig im körperlichen Kontakt mit ihren Kindern stehen, werden sie regelrecht von Oxytocin überflutete. Das «zu viel» des Hormons führt dann dazu, dass weder der Körper, noch die Seele das Bedürfnis nach noch mehr Nähe haben. Um es etwas überspitzt zu formulieren: Der Körper schreit förmlich «Es ist genug!»
Wir sehnen uns danach, unseren Körper mal wieder für uns zu haben
Nicht nur das Oxytocin, auch die Seele spielt eine tragende Rolle beim «Overtouched-Syndrom». Während es im Wochenbett oft noch völlig okay ist, dass man als Mutter absolut keine Minute mehr für sich und seine eigene Privatsphäre hat, kann sich das Gefühl im Laufe der Zeit ändern. Dann sehnen wir uns nach «Me-Time». Danach, mal wieder für uns alleine zu sein. Unseren Körper für uns zu haben und uns ganz unseren eigenen Bedürfnissen hinzugeben. Kommt die «Me-Time» aber zu kurz, kann es ebenfalls zum «Overtouched-Syndrom» kommen.
Es ist nichts Persönliches
Ganz wichtig zu wissen ist, dass die Ablehnung des eigenen Partners, der eigenen Partnerin absolut nichts Persönliches ist. Dieses Wissen ist sowohl für denjenigen, der keine Berührungen empfangen mag als auch für den, der zurückgewiesen wird, sehr wertvoll.
Benennen und darüber reden
Habt ihr das Gefühl, dass ihr unter dem «Overtouched-Syndrom» leidet, sucht unbedingt das Gespräch mit eurem Partner/eurer Partnerin. Erklär unbedingt offen und ehrlich, wie du dich fühlst und was diese Gefühle mit dir machen. Redet gemeinsam darüber, wie du dir mehr Raum zum Auftanken in deinem Alltag schaffen kannst. Und überlegt euch, wer dir das Kind vielleicht sogar regelmässig auch tagsüber ein paar Stunden abnehmen kann.
Ein erster Schritt kann sein, dass du den Mittagsschlaf für dich alleine nutzt. Statt also den Haushalt zu schmeissen, leg dich hin, lies ein Buch oder höre deine Lieblingsmusik.
Dich selber wieder spüren
Wenn du Massagen magst, gönn dir unbedingt eine. Auch ein Besuch in der Sauna, im Hamam oder Wechselduschen können dich wieder zurück zu dir selber bringen.