Karpi: Warum muss ich sie eigentlich in die Kita bringen, und du darfst sie holen? Als Mami zählst du ja eh schon mehr, obwohl ich in den letzten beiden Jahren genauso anwesend war.
Natascha: Ich zähle wahrscheinlich nur mehr wegen meiner Brüste. Du konntest sie ja nie stillen, und das Fläschchen hat sie verweigert. Aber je älter unsere Tochter wird, desto mehr zählst auch du. Unterdessen hat sie ihre Vorliebe für Muttermilch gegen das Verlangen nach «Apéro» eingetauscht – so nennt sie gesüsste Getränke wie Fruchtschorlen oder Sirup.
Karpi: Ich finds gut, dass sie die wichtigen Wörter früh lernt. Auch wenn sie in der Kita komisch schauen, wenn eine Zweijährige dauernd Apéro verlangt.
Natascha: Sie weiss, was sie will, und kann es unterdessen auch formulieren. Ein charmantes Boss-Baby. Aber für die Kita ist das gut. Ich hätte mir nicht vorstellen können, ein hilfloses Baby nach drei Monaten in fremde Hände geben zu müssen.
Karpi: Vierzehn Wochen Mutterschaftsurlaub sind viel zu wenig. Und zwei Wochen Vaterschaftsurlaub reichen gar nirgends hin. Die ersten Monate mit Baby sind unglaublich stressig. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das allein durchstehen kann. Ich habe eingekauft, gewaschen und unzählige Windeln gewechselt.
Natascha: Ja, in der Anfangszeit herrschte Chaos, und ich fühlte mich wie eine Gefangene im Stillsessel. Die Kleine hat alle zwei Stunden dreissig Minuten lang getrunken, und ich konnte nie länger als neunzig Minuten am Stück schlafen. Das war regelrechte Folter.
Karpi: Gemäss Genfer Konvention zählt Schlafentzug ja tatsächlich als Folter. Unsere Tochter verstösst gegen internationales Völkerrecht! Wir lassen das nur zu, weil sie so unglaublich süss ist.
Natascha: Stimmt. Grundsätzlich finde ich, die einzig vernünftige Lösung wäre eine zweijährige Elternzeit, die man sich nach den eigenen Bedürfnissen aufteilen kann.
Karpi: Wir hatten Glück, dass wir es uns leisten konnten, beruflich so zu reduzieren, dass es aufgeht. Aber die Erkenntnis, dass Kinderkriegen hierzulande ein Luxus ist, ist verstörend. Auch in der Wirtschaft braucht es dringend ein Selbstverständnis, dass man die Jobs so anlegt, dass Vereinbarkeit möglich ist. Man muss ja nicht mal unbedingt Anreize schaffen, Kinder zu bekommen. Es würde schon reichen, wenn man dafür nicht bestraft wird.
Natascha: Das wäre schön. So hätten alle Kinder die Möglichkeit, ihre Eltern mal kennenzulernen. Unsere Tochter scheint unsere Anwesenheit auf jeden Fall sehr zu schätzen.
Karpi: Ich glaub, sie mag uns! Was mich aber immer wieder verblüfft, ist, wie wenige Väter ich mit Kind sehe. Ein Papi-Tag pro Woche ist für viele noch das höchste der Gefühle. Dieser scheint übrigens immer eher gegen Ende der Woche zu sein. Wenn ich am Dienstag jeweils mit meiner Tochter auf dem Spielplatz auftauche, kriege ich Standing Ovations!
Natascha: So wie im Babymassage-Kurs ...
Karpi: Ich war der einzige Papa dort. Und ich hatte das einzige Baby, das nicht geweint hat. Ich war ein Held.
Natascha: Als Vater wirst du nur schon für deine Anwesenheit bewundert. Als Mutter musst du mindestens noch eine steile Karriere und eine tolle Figur haben, um bewundert zu werden. Aber wenn Frauen der Karriere wegen abwesend sind, gelten sie schnell mal als Rabenmütter.
Karpi: Lehnst du deshalb so viele Jobangebote ab?
Natascha: Nö. Ich verbringe einfach gerne viel Zeit mit unserer Tochter. Als sie ein Baby war, hatten die Leute noch mehr Verständnis dafür, dass ich ihretwegen absage. Aber je älter sie wird, desto mehr stosse ich auf Unverständnis.
Karpi: Als ob die Kinderbetreuung mit zwei Jahren abgeschlossen wäre. Aber es ist auch für mich schwierig zu beurteilen, welche Projekte ich annehme und welche nicht. Jede Stunde ist plötzlich kostbar. Aber wenn ich etwas wirklich machen will, unterstützt du mich ja. Und du weisst, dass es in Ordnung gewesen wäre, hättest du zum Beispiel das Angebot von Netflix angenommen, in einem Writers’ Room mit internationalen Autorinnen und Autoren zu schreiben.
Natascha: Ich schreibe momentan lieber an eigenen Projekten. Ausserdem glaube ich nicht, dass ich es zurzeit schaffen würde, Deadlines einzuhalten, und ich will ja nicht meinen guten Ruf versauen.
Karpi: Das würdest du bestimmt nicht.
Natascha: Aber wenn, dann versaue ich den Ruf gleich für alle Frauen. Das ist die Verantwortung, die man als Quotenfrau trägt.
Karpi: Das Privileg in unserem Job ist, dass wir abwechselnd zurückstecken können. Das ist in anderen Branchen kaum möglich. Da verzichtet dann meist die Frau, weil sie weniger verdient.
Natascha: Eine gleichwertige Elternzeit ist in der Schweiz wohl noch lange nicht in Sicht. Aber vielleicht schaffen wir es einen Schritt näher zur Chancengleichheit, bis unsere Tochter erwachsen ist.
Dieser Artikel ist zuerst im Print-Magazin zur Ringier-Initiative EqualVoice erschienen.