Er stand bei offiziellen Anlässen immer diskret drei Schritte hinter Dr. Beat Richner. Die Leute meinten, der grosse, gut aussehende, stets elegant gekleidete Schweizer Kinderarzt Dr. Peter Studer sei der Bodyguard des berühmten Kinderarztes, der 2018 gestorben ist. Nun ist ihm sein «Bodyguard» und Nachfolger als Leiter der Kinderspitäler Kantha Bopha nach kurzer, schwerer Krankheit am 6. Mai 2020 gefolgt.
Die Bestürzung ist gross: Kambodschas König Norodom Sihamoni hat sein Beileid bekundet, die 2500 angestellten Ärzte und Pflegepersonen tragen schwarze Schleifen. Im Herbst soll eine öffentliche Trauerfeier für den Kinderarzt ausgerichtet werden, der in Kambodscha verehrt wurde wie Richner. «Peter war für uns der zweite Beat, der gleiche Held», sagt der Chefarzt der Kinderspitäler von Phnom Penh, Prof. Ky Santy. Der neue Generaldirektor der Spitäler, Dr. Denis Laurent, formuliert es poetisch: «Beat und Peter waren das Yin und Yang von Kantha Bopha.» Der Präsident der Stiftung Kinderspitäler Kantha Bopha, Dr. René Schwarzenbach, meint: «Wir sind alle sehr traurig. Wenn Dr. Richner der Kopf und das Herz war, so war Dr. Studer die gute Seele der Kinderspitäler.»
Peter Studer hat stets erklärt, er liebe seine Rolle als Nummer 2.
«Bodyguard» von Richner war Peter Studer in mancher Hinsicht. Als diskreter Berater und Freund im Hintergrund telefonierte er täglich mit Richner, konnte ihn auch moralisch aufrichten, wenn er überarbeitet und deprimiert war. Seit 28 Jahren reiste er wohl 80 Mal für mehrwöchige Missionen nach Kambodscha. Er hat stets erklärt, er liebe diese Rolle als Nummer 2. Wenn der cholerische Richner wieder mal einen bösen Brief geschrieben oder einen Funktionär in Bern oder Phnom Penh undiplomatisch zurechtgewiesen hatte, bügelte Studer es mit seiner ruhigen Art aus.
Für das Personal der Spitäler war Peter Studer eine Art Vater oder Bruder und «das Ohr von Beat Richner», wie es Denis Laurent formuliert. Was Ärzte und Pflegende nicht dem verehrten Spitalgründer anzuvertrauen wagten, sagten sie dem diskreten Studer. Und was sie Studer nicht sagten, flüsterten sie dessen Ehefrau Geneviève F. Cattin-Studer zu, die dank ihrem kommunikativen Wesen spontan eine wichtige Beziehung zu Ärzten, Pflegepersonal und Königshaus aufbaute.
Der Bau des Spitals Jayavarman VII in Siem Reap 1999 wäre ohne seine monatelange Präsenz vor Ort nicht möglich gewesen. Die Spitalbibliothek trägt zu Recht den Namen «Dr Peter Studer Library». Das Personal erinnert sich, wie Studer jeweils schon um sechs Uhr morgens sein Frühstück nahm, mit einem Sprite und Mangofrüchten, und dann bis spätabends auf dem Bauplatz präsent war.
Weil Studer schon als junger Rotkreuz-Arzt in Flüchtlingslagern an der thailändischen Grenze und in Kambodscha gewirkt hatte, Land und Leute liebte und stets sein Interesse an der Khmer- Kultur manifestierte, sagt heute Prof. Heng Sothy: «Sein Herz war seit 40 Jahren kambodschanisch.»
Die weissen Blumen auf den Frangipani-Bäumen am Rand der Strasse, die vom Flughafen ins Stadtzentrum von Phnom Penh führt, nennt Sopheap, der Chauffeur des Spitals, die «Peter-Studer-Blumen», weil er sich jedes Mal derart über die Blumenpracht gefreut habe. Jetzt sind die weissen Blüten Trauerblumen.