Vor dem Waschbrünneli gibt es einen kleinen Stau: Elf Viertklässler stehen mit ihren bunten Rucksäcken – fast grösser als die Kinder selbst – an, um sich die Hände zu waschen. Wie jeden Morgen.
Seit einer Woche sind die Schülerinnen und Schüler der Primarschule Chrüzächer in Regensdorf ZH zurück im Klassenzimmer. «Ich habe mich gefreut, die Kinder wieder persönlich zu sehen – nicht nur auf dem Bildschirm», sagt die Klassenlehrerin Daniela Styger Bass, 51, die seit mehr als 15 Jahren an dieser Schule unterrichtet.
unterrichten 1490 Kinder (davon 400 Kindergärtler) an den fünf Schulhäusern in Regensdorf ZH.
sind aktuell für die Kinder und Lehrpersonen im Einsatz.
behalten die Kinder ihr Tablet, bevor sie es nach der 6. Klasse zurückgeben.
Acht Wochen lang lernten Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Schweiz von zu Hause aus. Homeschooling statt Schulbank! Die Primarschule in Regensdorf meisterte diese Herausforderung ohne gröbere Komplikationen. Auch weil die Schule schon vor der Corona-Pandemie gut gerüstet war – ja sogar eine Vorreiterfunktion hat, was die Digitalisierung betrifft.
«Bereits Kindergärtler arbeiten bei uns mit Tablets, ab der ersten Klasse hat jedes Kind ein eigenes», sagt Lehrerin Styger Bass. Die Schüler sollen lernen, mit dem Gerät umzugehen, genau wie mit Zirkel, Pinsel oder Lineal. Auch das ist Bestandteil des Lehrplans 21. Die Kosten für die digitale Ausrüstung trägt die Gemeinde.
Am ersten Tag nach dem Lockdown haben die Kinder sehr unterschiedlich reagiert. «Einige waren vorsichtig und wussten nicht recht, was sie anfassen dürfen. Andere haben es lockerer genommen. Ich habe ihnen erklärt, dass sie im Schulzimmer keine Angst haben müssen.»
Die Schülerinnen und Schüler lernten die neuen Regeln: Abstand zur Lehrerin halten, in die Armbeuge niesen und husten sowie Hände waschen. Schwierig? «Nö, ich muss mir ja sowieso jeden Tag die Hände waschen», sagt der neunjährige Jannis. «Es ist nur schade, dass die Klasse getrennt ist», findet die zehnjährige Yael. «So kann ich nicht alle meine Freunde sehen.»
Im Schulzimmer ist bis zum 8. Juni immer nur eine Hälfte der Klasse präsent, um Ansteckungen zu vermeiden und um dem Lehrpersonal die Möglichkeit zu geben, nach dem Lockdown auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen.
Ihre Arbeitsaufträge in den verschiedenen Schulfächern bekamen die Schüler während des Lockdown digital aufs Tablet zugeschickt. Ihre Lösungen mussten sie mit dem Gerät auf den Schulserver laden. Jedes Kind hat dafür einen Ordner. Die Lehrerin sieht, wer was abgegeben hat, und kann digital korrigieren und Anmerkungen dazuschreiben oder draufsprechen.
Ein Beispiel: Yael musste in Geometrie eine Figur mit dem Zirkel in ihr Aufgabenheft zeichnen. Mit dem Tablet fotografierte sie das Ergebnis und lud es auf den Server. Die Lehrerin konnte es kommentieren, und die Schülerin sah zu Hause die Anmerkung. Ist das nicht zu kompliziert für eine Viertklässlerin? «Nein, das ist gar kein Problem. Ich kenne mich damit aus», sagt Yael. Trotzdem sei sie froh, wieder in der Schule zu sein. «Meine jüngeren Geschwister haben mich zu Hause echt oft abgelenkt.»
Ihr Schulkamerad Jannis produziert während des Lockdown eine multimediale Arbeit über Atome. Mit Bildern, Videos und Sprachnotizen erklärt er die verschiedenen Atommodelle. «Wenn ich gross bin, will ich Forscher werden», weiss Jannis schon jetzt. Ab und an gab es Komplikationen beim Aufgabenraufladen. «Aber ich habe immer einen Weg gefunden.»
Wenn die Schüler zu Hause nicht weiterkamen, konnten sie ihre Lehrerin fragen. Etwa über das Programm Webex, eine Art virtuelles Klassenzimmer. Hier trafen sich alle jeweils morgens via Video, tauschten sich aus. Hatte ein Schüler während des Tages eine Frage, konnte er das virtuelle Schulzimmer betreten. Die Lehrerin war tagsüber immer online. «So konnten wir die Aufgaben gemeinsam durchgehen. Manchmal wollten die Kinder einfach von ihrem Alltag erzählen», sagt sie.
Sind die Gedanken der Kinder zu Hause nicht weit weg von Geschichte, Geografie und Grammatik? Die Schere sei weit aufgegangen, erklärt die Klassenlehrerin. «Die Kinder, die selbstständig sind und zu Hause Hilfe bekamen, hatten es leichter.» Bei anderen musste sie regelmässig nachfragen, wo die Aufgaben bleiben. «Aber das war schon vorher nicht viel anders.»
Auch die Lehrerin hat viel gelernt und neue Erfahrungen gemacht: «Einiges vom Fernunterricht wird bleiben. Aber das gemeinsame Lernen im Klassenzimmer und der direkte Kontakt fehlten mir. Das Homeoffice vermisse ich nicht.»