Lange waren es nur Gerüchte, doch mit der Veröffentlichung seiner Biografie «Spare» im Januar 2023 hat Prinz Harry (39) unmissverständlich klar gemacht, dass sie nicht aus der Luft gegriffen sind. Die Beziehung zwischen ihm und seinem Bruder Prinz William (41) ist zerrüttet. Und das bereits seit vielen Jahren. So berichtet Harry im Buch etwa von der «Trauzeugenlüge». Anders als von William dargestellt, habe er bei dessen Hochzeit mit Prinzessin Kate (41) im Jahr 2011 die Rolle des Trauzeugen nicht übernehmen dürfen. 2019 soll es schliesslich sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein.
Bereits in der Kindheit hätten sie «ständig stritten, wie viele Geschwister», enthüllte Prinz Harry einst. Tatsächlich sind Streitigkeiten unter Geschwistern nicht selten und oft tief verankert. Studien zufolge erreicht die Rivalität im Alter zwischen 10 und 15 Jahren ihren Höhepunkt – und manchmal werden die schlechten Gefühle bis ins Erwachsenenalter mitgetragen oder man entfremdet sich gleich komplett voneinander.
Wie der Psychologe Joshua Coleman gegenüber huffpost.com sagt, ist es sogar dann schwierig, Rivalitäten zwischen Geschwistern zu vermeiden, wenn die Eltern allen Kindern gegenüber fair sind und stets gute Absichten haben. Er erklärt: «Die elterliche Aufmerksamkeit ist eine relativ begrenzte Ressource, und Kinder haben ihre eigenen Bedürfnisse, so dass Kinder ständig darüber nachdenken, wie sie diese Nische besetzen können, manchmal bewusst, oft aber auch unbewusst.»
Coleman sieht in der Rivalität aber nicht nur negative Aspekte. Sie könne einen auch anspornen – etwa so, wie das bei den Tennisspielerinnen Venus (43) und Serena Williams (42)der Fall war. Er meint: «Wenn ein Geschwisterteil besonders gut ist, zum Beispiel in einer Sportart, in der Schule oder in einem Musikinstrument, kann eine Rivalität im Geiste der Zuneigung oder der Verbundenheit entstehen.» Trotzdem sollte diese positive Seite Eltern keineswegs dazu verleiten, die Rivalität unter den Kindern zu fördern. Die Gefahr ist zu gross, dass sie im Erwachsenenalter nicht beigelegt werden kann.
Manchmal hilft nur der Kontaktabbruch
Hören die Wettbewerbe dann nicht auf, habe die ganze Familie damit zu kämpfen, sagt Kiaundra Jackson, Ehe- und Familientherapeutin in Los Angeles. Unter Umständen sei es dann sogar am gesündesten, den Kontakt auf Eis zu legen. «Nur weil jemand blutsverwandt ist, heisst das nicht, dass man in einer ungesunden oder giftigen Beziehung bleiben muss», findet sie. Es sei aber auch durchaus möglich, die Streitigkeiten aus der Welt zu schaffen – wenn denn jemand den ersten Schritt macht.
Dazu sagt Jackson: «Anstatt diese Rivalitätsdynamik fortzusetzen, muss jemand bereit sein zu sagen: ‹Was ist denn passiert? Was habe ich getan? Wie kann ich das in Ordnung bringen? Wie können wir das machen? Wie können wir es besser machen?›»
Zweck der Rivalität ergründen
Der US-Psychologe John Duffy nennt ausserdem konkrete Wege aus der Praxis, anhand denen es gelingen kann, Vergangenes ruhen zu lassen. Er spreche mit seinen Klientinnen und Klienten etwa darüber, welchen Zweck die Rivalität in der Kindheit hatte. Diese würden dann oft sagen, dass sie früher motivierend und inspirierend war, heute diesen Zwecke aber nicht mehr erfülle, sondern bloss noch einen Keil in die Beziehung treibe.
Sind beide Parteien dann bereit, zu reden, sollte man dies zuerst liebevoll tun und nicht gleich Kritik äussern. Friedensgespräche würden schnell scheitern, wenn man versucht, das Unrecht und die Verletzungen, die man im Laufe der Jahre erlitten hat, zu schildern: «Wenn Sie nur darüber reden, wie missbräuchlich oder narzisstisch oder toxisch oder was auch immer Ihr Geschwisterkind war, werden sie wahrscheinlich nicht sehr interessiert sein an dem, was Sie zu sagen haben», meint er. Das Gegenüber werde empfänglicher, wenn man äussert, dass man gerne eine bessere Beziehung hätte.
Duffy stellte ausserdem fest, dass viele Rivalitäten unter Geschwistern auf einem einzigen Missverständnis basieren. Er rät deshalb: «Wenn es etwas Bestimmtes gibt, das Sie ansprechen können, sollten Sie damit beginnen und versuchen, das Gespräch auf diesen Punkt zu konzentrieren.» Er habe mit vielen Erwachsenen zusammengearbeitet, die auf diese Weise einen Waffenstillstand erzielen konnten.