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Kevin Fialas Baby wächst viersprachig auf

So lernen Kinder früh mehrere Sprachen

Das Baby von Eishockeystar Kevin Fiala wächst viersprachig auf, das von Tennis-Ass Belinda Bencic zweisprachig. Mehrsprachigkeit wird multinationalen Kindern in die Wiege gelegt. Ein Professor für Mehrsprachigkeit erklärt für SI Family die Vorteile und Herausforderungen einer mehrsprachigen Erziehung.

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Kevin Fiala mit seiner Ehefrau Jessica zu Besuch bei seinen Eltern Jan und Regula, zeigen ihr Baby Maise-Mae, im Garten seiner Eltern in Zuzwil SG, 2024, Fotos: Geri Born

NHL-Star Kevin Fiala mit seiner schwedischen Ehefrau Jessica zu Besuch bei seinen Eltern Jan und Regula. Baby Maise-Mae wird viersprachig aufwachsen: Schweizerdeutsch, Schwedisch, Englisch und Tschechisch.

Geri Born

Kevin Fiala (28) wuchs in St. Gallen auf, weil sein Vater Jan aus Tschechien stammt, zogen seine Eltern ihn zweisprachig auf. Im Frühling 2024 wurde der NHL-Eishockeystar zum ersten Mal selber Vater: mit Ehefrau Jessica (28) begrüsste er in der Wahlheimat USA Baby Masie-Mae auf der Welt. Das Paar lernte sich in Jessicas Heimat Schweden kennen. «Bei unserem ersten Treffen konnten wir uns kaum unterhalten. Aber es war Liebe auf den ersten Blick!», erinnert sich Fiala. Das gemeinsame Baby wächst nun mit vier Sprachen auf: Schweizerdeutsch, Englisch, Schwedisch und Tschechisch. 

Auch bei Belinda Bencic (27) gab es in diesem Jahr Nachwuchs, der gleich mit mehreren Sprachen aufwachsen wird. Im April 2024 kam Baby Bella zur Welt. Belinda Bencics Partner Martin Hromkovic (42) ist wie Belindas Eltern in der Slowakei aufgewachsen. Sie spricht mit Bella Deutsch, er Slowakisch. Die junge Familie wohnt derzeit in Monaco, also wird Bella auch von der französischen Sprache umgeben sein. «Ich habe selbst von einer zweisprachigen Kindheit profitiert und bin meinen Eltern dankbar dafür», erzählt der Tennis-Star.

Doch lernen Kinder eigentlich mehrere Sprachen gleichzeitig ganz automatisch, wenn die Eltern so mit ihnen kommunizieren, oder entsteht da erstmal ein grosses Durcheinander im Kopf? Raphael Berthelé ist Professor für Mehrsprachigkeitsforschung an der Universität Fribourg. Für SI Family erklärt er den Gewinn für Kinder, die mehrsprachig aufwachsen und beleuchtet die Herausforderungen für Eltern in der multilingualen Erziehung.

Was sind die Vorteile für Kinder, die mehrsprachig aufwachsen?

Raphael Berthelé: Dass die Kinder mehrere Sprachen sprechen, natürlich! Und dass sie mit Leuten kommunizieren können, die diese Sprachen sprechen. Ich sehe das sehr pragmatisch. Es gibt aber auch viele Studien, die belegen, dass sich Mehrsprachigkeit bei Kindern positiv auf die kognitiven Fähigkeiten und auf die Intelligenz auswirkt. Das ist allerdings umstritten.

Warum?

Bis weit ins 20. Jahrhundert wurde Mehrsprachigkeit in vielen europäischen Ländern fast schon als eine Art Behinderung angesehen, die man ausmerzen musste und nicht gut für die schulische Entwicklung war. Ab den 70er-Jahren zeigten Studien erstmals, dass die Effekte von Mehrsprachigkeit positiv sein könnten. Diese Studien waren eine Reaktion auf die Stigmatisierung der Zweisprachigkeit. Heute geht man davon aus, dass Mehrsprachigkeit sicher keine Schäden anrichtet und auch immer mehr die Normalität ist.

Wie können mehrsprachige Eltern das Lernen ihrer Muttersprachen bei den Kindern fördern?

Ungezwungen und pragmatisch den Familienalltag zu leben und locker in den verschiedenen Sprachen miteinander zu kommunizieren, ist ein guter Ansatz. Das Wichtige ist, nicht krampfhaft zu versuchen, irgendwelche idealisierten Zielvorstellungen zu erreichen. Das bedeutet auch zu akzeptieren, dass die Kompetenzen nicht in allen Sprachen gleich gut sind. Zu erzwingen, dass das Kind drei Sprachen perfekt beherrscht, kann kaum gut für das Familienklima sein und ist für alle Beteiligten nur mühsam. 

Macht es Sinn, dass Elternteile sich strikt je für eine Kommunikationssprache mit dem Kind entscheiden?

Das ist das «One-Person-One-Language-Prinzip», das oft in mehrsprachigen Familien angewendet wird. Ganz stur sollte man auch hier nicht sein – wenn die Eltern zusammen Englisch sprechen, mit dem Kind aber ein Elternteil zum Beispiel Französisch spricht, merkt das Kind natürlich, dass dieser auch Englisch kann. Da kann es sein, dass das Kind trotzdem auf Englisch antwortet.

Das Kind entscheidet sich also unter Umständen selber gegen eine Muttersprache?

Es gibt gut dokumentierte Fälle von Kindern, die sich weigern, bestimmte Sprachen zu erwerben. Ein Grund dafür kann sein, dass Kinder ja oft gleich sein wollen, wie Gleichaltrige. Und wenn im Umfeld keine anderen Kinder diese Sprache sprechen, können sie sie ablehnen. In so einem Fall kann man in einer Familie aber ja auch mehrsprachig kommunizieren und das Kind so antworten lassen, wie es möchte.

Wie fördern Eltern die Freude an mehreren Sprachen bei Kindern?

Auch da geht es wieder darum, möglichst unverkrampft an das Thema heranzugehen. Wenn Mehrsprachigkeit natürlich ein Teil vom Familienleben ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass auch das Kind Freude daran hat, so zu kommunizieren.

Laufen mehrsprachige Familien Gefahr, dass eine Sprache zu kurz kommt?

Die Sprache des Elternteils, der weniger Zeit mit dem Kind verbringt, und die auch nicht eine lokal gesprochene Sprache ist, wird sich wahrscheinlich weniger schnell und weit entwickeln beim Nachwuchs. Das heisst nicht, dass das Kind die Sprache nicht kann. Es versteht sie vielleicht und kann ein bisschen reden, andere Sprachen wird es aber besser können. Wenn man eine Sprache kaum benutzt, lernt man sie auch nicht. 

Was können Eltern tun, um eben diese Fremdsprache zu fördern?

Zum Beispiel Ferien in dieser Sprachregion machen oder systematisch Kontakt zu Familienmitgliedern herstellen, die dieselbe Sprache sprechen. Damit das Kind einen Bezug zur Sprache bekommt und sie präsent bleibt.

Sollten mehrsprachige Kinder in allen gesprochenen Sprachen auch schriftlichen Unterricht nehmen?

Es gibt Kinder, die haben Freude daran, wenn die Eltern am Wochenende noch Fremdsprachenunterricht machen und andere nicht. Da sollten Eltern auf die Persönlichkeit vom Kind achten. In der Sprache zu «baden» ist gut fürs Verstehen und Sprechen. Wenn man eine Sprache aber mit allen Fähigkeiten, also auch das Lesen und Schreiben, beherrschen will, braucht es mehr Training. Das kann in einer schulischen Form oder in einem Sprachkurs passieren.

Es gibt Eltern, die sprechen Englisch mit ihrem Kind, obwohl kein Elternteil diese Muttersprache hat.

Das hört man immer wieder, weil Eltern es wichtig finden, dass das Kind gut Englisch kann. Da wäre ich vorsichtig. Ich glaube, man sollte mit dem Kind in einer Sprache reden, bei der man das Gefühl hat, dass man so natürlicherweise mit dem Kind reden würde.

Haben mehrsprachige Kinder Mühe, die verschiedenen Sprachen auseinanderzuhalten?

Kinder haben anfangs vielleicht noch keine Namen für verschiedene Sprachen, verstehen aber schon sehr früh, dass es für die gleichen Sachen unterschiedliche Bezeichnungen gibt. Sie verstehen auch, dass der Vater zum Beispiel auf eine andere Art mit den Grosseltern redet, als mit der Mutter. Dass Kinder die verschiedenen Sprachen vermischen, ist völlig normal. Wir machen das ja auch und es bedeutet nicht, dass wir die Sprachen nicht unterscheiden können.

Evelyne Rollason von Schweizer Illustrierte
Evelyne RollasonMehr erfahren
Von Evelyne Rollason am 10. November 2024 - 07:00 Uhr