Warum tun wir uns den Räbeliechtli-Stress an?, fragte ich mich in meinem Beitrag über den in unserem Quartier trostlosen Räbeliechtli-Umzug und das leidige Schnitzen der Räbe. Der Artikel wurde in den sozialen Medien rege diskutiert. Vielen Dank an dieser Stelle für eure Kommentare!
Ein grosser Teil zeigte sich empört, dass diese Tradition in einem so schlechten Licht dargestellt wurde. Andere dagegen waren froh darüber, weil es ihnen genau gleich ergeht wie mir. Doch klar, die Kritikerinnen haben recht: Nur meckern ist doof! Höchste Zeit also, für ein paar Verbesserungsvorschläge. Mit diesen fünf Tipps könnte es doch noch ein Happy End für alle Mütter geben.
Väter machen vieles anderes als Mütter. Davon können wir uns immer wieder eine grosse Scheibe abschneiden. So schlägt ein Leser vor: «Bei uns werden am Vorabend die Räben von den Vätern geschnitzt, ohne Kinder. Im Anschluss wird dann der mitgebrachte Wein und das Bier getrunken. Auch eine Käse-Fleischplatte fand den Weg in den Kindergarten.»
Eine tolle Idee! Mütter, lassen wir die Moleküle rasen! Mit ein bisschen Promille im Blut könnten auch Bastel-Banausen zu Profischnitzerinnen mutieren. Und falls das Werk doch misslingt, was solls. Lustig wars alleweil. An dieser Stelle an alle Bastel-Königinnen unter den Mamis: Schön, dass ihr so viel Talent und Freude daran habt! Doch bitte bedenkt: Es gibt da draussen tatsächlich ganz viele Mütter, denen nur schon beim Gedanken daran, die Haare zu Berg stehen. Und die andere Begabungen haben (ich kann zum Beispiel den Kopfstand und sehr lustige Spiele erfinden).
Blasmusik in Ehren (oder auch nicht. Auch hier scheiden sich bekanntlich die Geister). An der Fasnacht kann ich knapp damit Leben, aber am Räbeliechtli-Umzug? Und dann noch den Sechseläute-Marsch? Das ist wie Ostereier suchen mit Rammstein. Kind: «Mami, ich hab das Nestli gefunden!» Und aus der Musikbox: «Bück dich, dein Gesicht ist mir egal!»
Also können wir bitte, bitte, die klassischen und wunderschönen Lieder singen? Oder noch besser: Die Kinder singen sie, während die Eltern am Wegrand gerührt das Taschentuch zücken und die Tränli abwischen.
Überhaupt, warum müssen Eltern bei sämtlichen Traditionen und Schulanlässen stets so wahnsinnig fest involviert sein? Wäre es nicht für alle Beteiligten (auch für die Kinder) viel sinnvoller (und entspannter), kämen wir öfter als Zuschauer zum Einsatz? Ich würde gern am Wegrand stehen und den Räbeliechtli-Umzug in seiner ganzen Pracht bewundern: Mit Kindern, die hübsch nach Schulklasse geordnet hintereinander gehen, ihre Laternli selbst in den Händen halten und dazu die schönen Lieder singen.
Übrigens, wer sich als Mutter oder Vater gern engagieren möchte, könnte die Lehrpersonen bei der Koordination unterstützen. Wir anderen würden das grosse Fan-Jubeln und Klatschen übernehmen – und dazwischen erneut vor Rührung kräftig ins Taschentuch schneuzen.
Der Marsch durchs Quartier mit Stop vor dem Altersheim als Höhepunkt des Umzugs und gänzlich ohne Zuschauer ist bei uns alles andere als romantisch. Wie wäre es mit einer Route durch den nahegelegenen Wald? Hübsch mit Fackeln ausgesteckt, so dass alle den Weg finden? Stellt euch das in etwa so vor: Singende Kinder, die in einer Lichterkette durch den Wald ziehen. Wie schön wär das! Und anstatt auf dem Betonboden des Pausenhofs an einem Butterweggen chätschen, den Umzug mitten im Wald auf einer Lichtung beenden, wo bereits ein riesiges Feuer brennt.
Ha! Und jetzt folgt das fulminante Ende, das der trostlosen Version bei uns für immer den Garaus macht. Bei meinem Traum-Räbeliechtli-Umzug befinden wir uns also im tiefen, finsteren Wald auf einer Lichtung mit einem riesigen Feuer. Um dieses Feuer würden Mami, Papi, Kind, Lehrerinnen und das halbe Quartier einen Kreis bilden und nochmals aus vollen Kehlen und mit noch viel volleren Herzen «Ich ga mit miner Laterne» singen.
Irgendwann würden wir summend das eine Bein heben und dann das andere und so immer weiter in ein sanftes Schwanken gleiten (ganz ohne Alkohol!), das am Ende in einen wilden Wintertanz mündet, der bis in die frühen Morgenstunden dauert (okay, okay, total unrealistisch, ich weiss, aber eine herrliche Vorstellung, nicht?). Aber egal wie lang, wir feiern in diesem Land immer viel zu brav. Rockt die Räben! Wir haben sie schliesslich selbst geschnitzt!