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«Ich bin Feministin – nicht im linken Sinn»

So tickt die Generation Z

Junge Schweizer driften politisch auseinander. Eine neue Studie zeigt einen wachsenden Geschlechtergraben bei 15- bis 30-Jährigen. Junge Erwachsene über ihre Erfahrungen und Ansichten zur Gleichberechtigung.

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Melanie Racine (26) ist Vizepräsidentin der Jungfreisinnigen Schweiz. Die Solothurnerin amtet in Zuchwil SO als Gemeinderätin. Die gelernte Mediamati­kerin ist Geschäfts­führerin einer Social-Media-Agentur.

Melanie Racine (26) ist Vizepräsidentin der Jungfreisinnigen Schweiz. Die Solothurnerin amtet in Zuchwil SO als Gemeinderätin. Die gelernte Mediamatikerin ist Geschäftsführerin einer Social-Media-Agentur.

Paul Seewer

Sie sind so gleichberechtigt aufgewachsen wie keine Generation vor ihnen. Doch in Sachen Politik driften Frauen und Männer zwischen 15 und 30 Jahren zunehmend auseinander. Was sagen die Jungen selber zum Geschlechtergraben?

Melanie Racine: «Ich bin Feministin – nicht im linken Sinn»

«Ich habe einige Kolleginnen, die sich ein klassisches Rollenmodell wünschen, und das akzeptiere ich natürlich. Ich weise sie jedoch darauf hin, dass wirtschaftliche Abhängigkeit nicht ungefährlich ist. Insofern würde ich mich als Feministin bezeichnen, aber nicht im klassisch linken Sinn. Mir geht es darum, Frauen zu empowern, ihnen Mut zu machen, damit sie selber etwas erreichen können. Die Politik sollte dafür die Rahmenbedingungen schaffen und sich ansonsten mit Eingriffen zurückhalten. Grundsätzlich finde ich, dass wir unterschiedliche Meinungen akzeptieren sollten, statt einander zu canceln. Diskussionen sind doch wertvoll für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen! In meinem eigenen Umfeld nehme ich allerdings keinen Geschlechtergraben wahr, auch in der Partei sind Frauen und Männer etwa gleich vertreten.»

Flavien Gousset (27) ist Campaigner bei der SP Schweiz. Auf Instagram ­erreicht der ge­bürtige Bieler mit seinen Erklär­videos zu Ab­stimmungen mehr Leute als die «Arena» auf SRF.

Flavien Gousset (27) ist Campaigner bei der SP Schweiz. Auf Instagram erreicht der gebürtige Bieler mit seinen Erklärvideos zu Abstimmungen mehr Leute als die «Arena» auf SRF.

Paul Seewer

Flavien Gousset: «Männer sind die Entscheider von morgen»

«Hätte ich nicht in den Medien vom Gendergap bei der Gen Z gelesen, hätte ich davon wenig mitbekommen. Kritik an meinen Erklärvideos kommt zwar fast ausschliesslich von Männern. Aber in meinem engeren Umfeld sind die meisten Menschen links eingestellt, unabhängig vom Geschlecht. Trotzdem finde ich die Entwicklung besorgniserregend.Die jungen Männer von heute sind noch immer die Entscheider von morgen – wenn sie die Gleichstellung und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen infrage stellen oder sich gar rechtsextremen Ideologien zuwenden, ist das eine unschöne Vorstellung. Dass solche Bewegungen gerade erstarken, hat wahrscheinlich auch mit Verunsicherung zu tun. Wer aufwächst zwischen Klimakrise, Covidpandemie und Bankenkollaps, sucht nach Halt. Rechte Parteien nutzen das für ihre rückwärtsgewandten Projekte. Machen wir uns doch lieber daran, gemeinsam die Zukunft zu gestalten.»

Musiker Cyrill Rusch (22): Mit seinem Zwillingsbruder Simon und ­Vater Roger bildet ­er das Ländlertrio Rusch-Büeblä. Von Beruf ist der Schwyzer aus Wägital Schreiner.

Musiker Cyrill Rusch (22): Mit seinem Zwillingsbruder Simon und Vater Roger bildet er das Ländlertrio Rusch-Büeblä. Von Beruf ist der Schwyzer aus Wägital Schreiner.

Paul Seewer

Cyrill Rusch: «Junge Männer orientieren sich an Grossvätern»

«Der Geschlechtergraben überrascht mich nicht. Ich lebe in einer ländlichen Gegend, wo die Buben Landmaschinenmechaniker werden oder Lkw-Chauffeure. Natürlich hören die nicht gern, dass ihre Fahrzeuge schlecht sind fürs Klima. Auch erlebe ich es so, dass sich junge Männer noch stark an ihren Vätern und Grossvätern orientieren und dann deren konservative Haltung übernehmen. Die jungen Frauen beteiligen sich dagegen mehr an den gesellschaftlichen Diskussionen. Auch mich interessiert, wie unsere Grosseltern gelebt haben. Oft denke ich, wir müssten alle mal für ein paar Wochen in diese Zeit zurück, dann wüssten wir wieder, was richtige Probleme sind. Der Wohlstand in der Schweiz ist sehr hoch, uns geht es wohl einfach zu gut. Wenn Meinungen zu extrem werden, mag ich das grundsätzlich nicht. Politisch sehe ich mich darum in der Mitte.»

Fanny Frey (29) ist Kuratorin.

Fanny Frey (29) ist Kuratorin.

Paul Seewer

Fanny Frey: «Im Studium waren wir fast nur Frauen»

«Einen Geschlechtergraben spüre ich tatsächlich: In meinem Studium der Kunstgeschichte und der Curatorial Studies waren wir praktisch nur Frauen. Die Dozierenden allerdings waren fast alle männlich, und auch die Leiter der Museen und die Kuratoren, die derzeit gehypt werden, sind immer noch mehrheitlich Männer. Natürlich kann es sein, dass Männer heute mehr Konkurrenz haben, schliesslich ist es nicht mehr die Norm, dass Frauen den Haushalt schmeissen und Männer arbeiten. Es herrscht wohl insgesamt ein grösserer Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt. Und wenn Unternehmen mehr auf Diversity achten, finde ich das eine gute Entwicklung. Gleichstellung ist in meinem Freundeskreis ein grosses Thema. Ich schätze auch die Männer so ein, dass sie sensibel sind dafür. Ich denke, sie würden etwas sagen, wenn zum Beispiel ein sexistischer Spruch fällt.»

Reena Krishnaraja (21) ist Comedienne. Die Appenzellerin mit tamilischen Wurzeln gewann mit 19 den SRF 3 Best Talent Award. Sie studiert Sozial­wissenschaften in Bern.

Reena Krishnaraja (21) ist Comedienne. Die Appenzellerin mit tamilischen Wurzeln gewann mit 19 den SRF 3 Best Talent Award. Sie studiert Sozialwissenschaften in Bern.

TINGS GmbH

Reena Krishnaraja: «Ich versuche, andere Positionen zu verstehen»

«Klar fühle ich mich gleichberechtigt – hätte ich vor zwei Jahren gesagt. Doch je älter ich werde, desto weniger sehe ich die Gleichstellung erreicht. Es ist nur weniger offensichtlich als früher, und vielleicht spüren das drum nur die Frauen. Gerade kürzlich wurde eine Freundin von mir im Ausgang von fremden Typen angefasst, als wäre es selbstverständlich. So was kennen Männer nicht. Meinungsfreiheit hört für mich dort auf, wo andere verletzt werden. Meinungsvielfalt finde ich hingegen toll – zu Hause in Appenzell Ausserrhoden kenne ich Leute, die für die Gleichstellung sind und die LGBTQI-Bewegung unterstützen, aber Nein zur Masseneinwanderung sagen. Ich versuche, andere Positionen zu verstehen, selbst bei Leuten, die so krassen Männlichkeits-Influencern folgen. Wenn wir alle uns weniger verhärten würden, wäre schon viel gegen die Polarisierung getan.»

Von SI am 7. Dezember 2024 - 07:00 Uhr