In meinem Freundeskreis haben wir zwei Zwillingspaare. Einmal zwei Mädchen, einmal einen Jungen und ein Mädchen. Die Girls, sie sind derweil sieben Jahre alt, tragen konsequent die gleichen Kleider. Und zwar von Kopf bis Fuss. Es beginnt bei der Haarschleife und endet bei den Schuhen. Alles identisch. Frisur sowieso. Das andere Zwillingspaar, es sind zweieiige Zwillinge, tragen nie dasselbe. Sie sind bald drei Jahre alt. Ihre Garderobe ist aber nicht strikt getrennt. Die Hose, die das Mädchen heute trägt, hat ihr Bruder vielleicht nächste Woche an. Praktisch. Und richtig, wie ich finde.
Bei den Mädels war das auch so. Ihre Mutter, eine Freundin von mir, war stets darauf bedacht, ihre Individualität zu fördern. Sie wollte, O-Ton «kein doppeltes Lottchen» heranzüchten. Sie wünschte sich zwei eigenständige Mädchen.
Umso erstaunter bin ich, als ich vor ein paar Monaten merke, dass die Mädchen nur noch genau gleich auftreten. Sogar die Spielsachen muss man doppelt kaufen. Will Zwilling 1 eine Meerjungfrauen-Barbie, muss Mädchen 2 auch eine solche haben. Ich spreche meine Freundin an und frage, was passiert ist: Nichts, sagt sie. Die Mädchen haben plötzlich selber gewünscht, sich gleich zu kleiden. Sie habe versucht, entgegen zu steuern – ohne Erfolg.
Ich bin hier mit meiner Freundin einer Meinung. Ich hätte auch alles versucht, um zu verhindern, dass sich die Kinder wie ein Ei dem anderen gleichen. Kinder sind einzigartig, auch wenn sie einen Zwilling haben. Mehr noch: Ich bin sicher, dass der Konkurrenzkampf und das sich aneinander messen bei Zwillingen noch grösser und härter als bei anderen Geschwistern sind. Da halte ich es für besonders wichtig, dass man als Eltern von Anfang an ein besonderes Augenmerk darauf richtet, die verschiedenen Facetten, Talente und Interessen zu erkennen und zu fördern, statt auf absolute Symbiose zu setzen.
Besagte Zwillingsmädchen übrigens haben die Phase des sich gleich Anziehens nun übrigens auch schon wieder hinter sich. Sehr zur Freude ihrer Eltern. Neulich besuche ich die Familie. Mir fällt auf, dass die eine ihr Zimmer komplett umgestellt, während die andere aktuell alle ihre Wände mit Tierpostern zugeklebt hat.
Am allermeisten aber fällt mir auf, dass sich die beiden gerade so gut verstehen wie noch nie. Ich hake nach. «Weisst du», sagt die eine, «ich bin so froh, dass ich keine rosa Röcke mehr tragen muss». Die andere setzt ein: «Und ich mochte die doofen Turnschuhe nicht, die meine Schwester immer anziehen wollte.» Sie seien in ihrem jungen Leben «noch NIE so froh gewesen, einfach wieder selber zu entscheiden, was sie wann anziehen und machen wollen».
Tja, wir Eltern denken oft, dass wir alles am besten wissen. Dabei vergessen wir manchmal: Kids know best, wie diese Geschichte beweist.
Dass Zwillinge, wie alle anderen Kinder, ab einem gewissen Alter mitreden und entscheiden, was sie anziehen möchten, ist selbstverständlich. Aber ich sehe nichts Verwerfliches daran, Zwillingskinder gleich anzuziehen, solange es ihnen egal ist oder sie dies sogar ausprobieren wollen. Ich sehe darin sogar praktische Vorteile: Alle Eltern, die wie ich Mühe damit haben, ansprechende Kinderkleidung zu finden, werden verstehen, dass Zwillingseltern lieber doppelt zugreifen, wenn sie was Passendes finden.
Zieht man die Zwillinge gleich an, wird auch die Wäsche ein Kinderspiel, weil man schneller die Farben zusammen hat, die sich gemeinsam in eine Trommel schmeissen lassen. Und obwohl die Wissenschaft warnt, den Kleinen könnte ihre Individualität abhanden kommen, so plädiere ich doch für diese Version der Wahrheit: Kleider machen keine Leute.
Solange man den Kindern keine Kleidung aufzwingt, in der sie sich unwohl oder blossgestellt fühlen, tut man ihnen keinen Schaden. Kleidung kann eine Persönlichkeit nicht einschränken. Sie macht die Individualität eines Kindes nicht aus. Sie dient höchstens später einmal dafür, diese Einzigartigkeit gegen aussen zu betonen. Zugegeben finde ich es auch etwas albern, wenn Kinder immer gleich gestylt rumlaufen. Wieso macht man das bei Kinder überhaupt? Wahrscheinlich wegen des Jö-Effekts, den man so lange wie möglich geniessen möchte. Lassen wir doch den Eltern diesen Spass.