Zwei Mobility-Autos braucht die Familie Moser-Aebischer, wenn sie einen Ausflug macht. Vom Reihenhäuschen im Berner Marzili gehts mit fünf Kindern ins Schwarzenburgerland, in die Heimat von Matthias Aebischer (55). «Als ich klein war, verstand ich nie, warum es Naherholungsgebiet heisst – heute, wo ich in der Stadt wohne, schon», sagt er schmunzelnd, während sich Lotta (4) im Kindersitz an ihren Häslirucksack klammert.
Im anderen Auto beschwert sich Moritz (13) bei Mama Tiana Angelina Moser (44) über die Musikauswahl. «Auf dem Rückweg will ich keinen indischen Sound mehr.» – «Sondern Spongebob-Musik?», fragt Ida (14) naserümpfend.
Beim Parkplatz am Waldrand angekommen, atmet Moser tief ein: «Herrlich, diese Luft. Haben wir alles?» – «Glaub schon», sagt Otto (10). «Papa hat das Essen gepackt», ergänzt Ida.
Seit rund sieben Jahren sind die Zürcher grünliberale Nationalrätin und der Berner SP-Nationalrat ein Paar. Zusammen haben sie sieben Kinder – der ehemalige «Tagesschau»- und «Club»-Moderator brachte die drei Töchter Laura (24) Gianna (21) und Ida in die Beziehung – die Umweltwissenschaftlerin die drei Söhne Moritz, Teo (12) und Otto.
Die gemeinsame Tochter Lotta komplettiert die Patchworkfamilie, die sowohl in Bern als auch in Zürich Witikon lebt. «Ich wollte immer eine grosse Familie – ich geniesse so viel Leben und unterschiedliche Charaktere um mich rum», sagt Moser, die mit einer älteren Schwester aufgewachsen ist. «Geschwister lernen, Rücksicht zu nehmen, sich einzuordnen. Es gibt ein Korrektiv, das sehr lebensnah ist», sagt Aebischer, dessen jüngerer Bruder ebenfalls fünf Kinder hat.
Ein Glück für die beiden: Alle Kinder verstehen sich abgesehen von üblichen Streitigkeiten ausgesprochen gut. «Die Buben profitieren enorm von den Mädchen. Das gibt eine andere Energie», sagt Moser. «Und Ida kann sich mit den Giele über Fussball austauschen», ergänzt Aebischer.
Der Mittelpunkt der Familie ist eindeutig das Nesthäkchen. Während Aebischer mit Moritz Holz fürs Feuer sammelt, erzählt Teo Lotta erfundene Geschichten, Otto baut für sie aus Sand eine Bahn für die Autöli, und Ida cremt ihr Schmetterlinge aus Sonnencreme auf den Arm.
Nicht nur in der Familie, auch im Bundeshaus sorgt «Löttu» (Aebischer) oder «Maus» (Moser) für viele «Jöhs». Dauert die Session länger als bis 18 Uhr, holt einer der beiden die Kleine von der Kita im Mattequartier und bringt sie ins Bundeshaus. Dort sitzt sie auf einem Bänkli in der Wandelhalle und liest Tier-Büechli, während ihre Eltern im Nationalrat an den letzten Abstimmungen teilnehmen. «Lotta hatte schon Vorleserinnen und Vorleser aus allen Parteien», sagt Aebischer. «Da sind wir demokratisch», ergänzt Moser lachend.
Von Politik versteht die Kleine, die zwischen Berndeutsch und Zürcher Dialekt hin und her springt, noch nichts, aber ihr ist klar, dass Mama und Papa im grossen Saal «schaffe».
Seit 16 Jahren sitzt Moser in der grossen Kammer, seit zwölf Jahren ist sie Fraktionspräsidentin der GLP. Aebischer hat vor zwölf Jahren den Schritt vom TV auf die Politbühne gewagt und sitzt in drei Kommissionen, wovon er eine präsidiert. Damit gehören die beiden zu den Erfahrensten im Rat – und werden regelmässig als Regierungsratskandidatin oder gar Bundesratsanwärter gehandelt.
Mosers nächstes Ziel ist klar der Ständerat, wie sie am Tag zuvor auf dem Zürcher Münsterhof betont. «Als erfahrene Politikerin und Frau mit vier Kindern stehe ich mitten im Leben und bringe eine andere Sicht ins Stöckli», sagt Moser, die den frei werdenden Sitz von FDPler Ruedi Noser (62) angreift.
Seit dem Rücktritt von Verena Diener ist die GLP ohne Vertretung in der gewichtigen Chambre de réflexion. Diese entspreche ihrem Wesen, denn obwohl sie als Fraktionschefin andere Parteien – wie jene ihres Partners – auch mal in den Senkel stellt, sieht sie sich vor allem als lösungsorientierte Politikerin. «Wir sind beide Brückenbauer, keine Ideologen», fasst Aebischer zusammen.
Auch er hätte mit dem Rücktritt von SP-Urgestein Hans Stöckli gute Chancen für einen Sitz im Ständerat. Doch nach zwölf Jahren SP-Männervertretung überlässt er mit Flavia Wasserfallen das Feld einer Frau. Dafür könnte der Deutschschweizer beim Rücktritt von Alain Berset in die Kränze kommen. «Da kommt es sehr auf die familiäre Situation an», sagt Aebischer. Grundsätzlich gelte bei ihnen: Wenn ein wichtiger Exekutivposten kommt, spiele der Partner den Raum frei.
Logistisch ist die Patchworkfamilie eine Herausforderung, wie man beim Rundgang durch Zürich spürt. Während Aebischer Ida, die ein Wochenende pro Monat in Zürich zu Besuch ist, auf den Zug nach Bern begleitet, organisiert Moser am Telefon den Fahrdienst für Otto an den Fussballmatch. «Moritz, gell, du verteilst mit mir Flyer?»
Das System der Grossfamilie funktioniert, weil das ganze Umfeld mithilft: Ex-Partnerin und -Partner, die über 80-jährigen Grosseltern, enge Freunde. «Wir machen eine Jahres- und eine Quartalsplanung», erklärt Aebischer. «Am Sonntagabend gibts noch einen Wochenabgleich», so Moser.
Neben den Sessionen gilt: Montag und Dienstag sind sie gemeinsam in Bern, Mittwoch bis Freitag ist Moser in Zürich – die Wochenenden wechseln sie ab.
Egal in welcher Stadt, im Alltag oder in den Ferien: Die beiden stehen stets um sechs Uhr auf. Dann lesen sie Zeitungen, tauschen sich aus und beantworten ihre Mails – bis zu 150 pro Tag. Zeit zusammen verbringen sie zudem beim Sport: Dreimal die Woche gehen die ehemalige Leichtathletin und der Pro-Velo-Präsident joggen. «Wir haben das gleiche hohe Tempo – beim Rennen und im Leben», sagt Aebischer. «Manchen sind wir fast etwas zu viel. Doch für uns ist es ein Glück», ergänzt Moser.
Daneben verbindet sie ihre Herkunft – auch Moser ist auf dem Land aufgewachsen, in Weisslingen bei Pfäffikon ZH. Während sie aus einem bürgerlichen Elternhaus kommt – die Mutter arbeitete in der Pflege, der Vater als Elektroingenieur –, sassen Aebischers Eltern für die SP im Gemeinderat.
Am Familientisch ist Politik immer wieder ein Thema. «Ich bin auf der gleichen Linie wie Papa», sagt Bald-Gymnasiastin Ida. «Meine Töchter sind linker als ich», sagt Aebischer. «Ich bin mehr wie Mami», so Teo.
Obwohl das Liebespaar in unterschiedlichen Parteien politisiert – zu hitzigen Diskussionen kommt es zu Hause primär bei der Wirtschaftspolitik. Wie jüngst im April bei der CS-Rettung, als sie im Parlament Ja stimmte, er Nein. «Du bist zu staatsgläubig», sagt sie. «Bin ich überhaupt nicht. Wir können doch nicht alle 15 Jahre eine Bank retten», entgegnet er. «Ich glaube, dieses Fass tun wir nun nicht mehr auf», sagt Moser und beendet die Diskussion. Was tun die beiden, wenn der Haussegen schief hängt? «Gemeinsam eins trinken!», sagt Aebischer und lacht.
Auch beim Bräteln an der Sense gibts ein Bierli. «Tiana ist sehr gesellig. Ich mag, dass ich ihr Lachen höre, bevor ich einen Saal betrete.» – «Gesellig bist du auch – und unglaublich lebensbejahend», sagt Moser. Eine Heirat schliessen beide nicht aus. «Momentan haben wir aber andere Prioritäten.»
Ida durchsucht die Rucksäcke: «Wir haben die Alufolie vergessen, sollen wir die Käsli einfach auf die heissen Steine legen?», fragt Ida. «Das funktioniert», sagt Moser, und Aebischer ergänzt: «Tiana und ich sind beide Feuerwehrtypen. Beim Improvisieren blühen wir auf.»