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Julia Panknin erlitt selbst ein Mom-Burnout

Wahlzürcherin lanciert Plattform für Working Moms am Limit

Julia Panknin hatte alles. Eine Führungsposition bei einer grossen Schweizer Tageszeitung, einen Partner und ein Kind. Wie sehr die Journalistin aber unter der Doppelbelastung litt, sagte sie lange niemandem. 2022 erkrankt Panknin an einem Parental Burnout. Heute gehts der 38-Jährigen wieder so gut, dass sie mit «mamibrennt» eine Community-Plattform für betroffene Mütter lanciert.

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Julia Pankin mit ihrer Tochter

Julia Panknin mit ihrer Tochter.

ZVG

Julia Panknin, du hattest alles. Einen Partner, ein Kind und eine Führungsposition bei einer grossen Schweizer Tageszeitung. Im Jahr 2022 wuchs dir aber alles über den Kopf. Ein Mama-Burnout hat dir den Boden unter den Füssen weggerissen. Wie hat sich das Burnout bemerkbar gemacht?
Ich weiss nicht mehr, mit was genau es anfing, weil ich damals ja nicht wusste, was mit mir geschieht. Den Begriff «Mom»-, beziehungsweise «Parental Burnout» hatte ich vor meiner Therapie noch nie gehört. An was ich mich aber gut erinnern kann, sind die Panikattacken, die plötzlich anfingen und immer häufiger auftraten. Meistens im Büro. Ich weiss nicht mehr, wie viele davon ich auf den Office-WCs überstanden habe, mir danach die verschmierte Mascara wegwischte, ein Lächeln aufsetzte und ins nächste Meeting lief. Irgendwann kamen chronische Schulterschmerzen, Herzrasen, Gedankenkreisen, Gedächtnislücken und Schlafstörungen dazu. All das schob ich weg, weil ich das Gefühl hatte, ich hätte keine Zeit, mich darum zu kümmern. Bis es mir irgendwann ganz den Stecker zog. 

Kannst du dich an den Schlüsselmoment des finalen Zusammenbruchs erinnern?
Ja. Ich sass in einem Meeting und realisierte, dass wir überzogen hatten. Wenn ich meine Tochter noch pünktlich von der Kita hätte abholen wollen, hätte ich 15 Minuten zuvor abfahren müssen. Meine Hände fingen an zu schwitzen, mein Puls ging hoch und mir stiegen die Tränen in die Augen. Ich entschuldigte mich, packte meine Tasche und konnte gerade noch das Bürogebäude verlassen, bevor ich weinend und hyperventilierend zusammenbrach. Das Weinen hörte zwei Wochen lang nicht mehr auf… bis zu dem Tag, an dem ich meinen Chef anrief und schluchzend meine Kündigung aussprach.

Wie wurde dein Burnout behandelt und wie fandest du zurück zu einem ausgefüllten Leben?
Ich hatte mich aufgrund der Panikattacken schon ein paar Monate zuvor bei verschiedenen Psychotherapeut:innen auf die Warteliste nehmen lassen und circa zwei Monate vor dem Zusammenbruch einen Platz bekommen. Seitdem ging ich wöchentlich. Es wurde mir von Anfang an geraten, mich krankschreiben zu lassen, aber da hatte ich noch zu grosse Angst vor den beruflichen Konsequenzen. Erst als gar nichts mehr ging, willigte ich ein. Wir führten die Gesprächstherapie weiter. Nach meiner Kündigung ging es mir kurzzeitig besser, aber dann öffnete sich die Falltür nochmals und ich fiel sehr tief. Suizidgedanken inklusive. Da entschieden wir gemeinsam, dass ich stationär in eine Burnout-Klinik gehen werde. Und ganz ehrlich: Das war die beste Entscheidung meines Lebens! Weil man dort intensiver an seinen ungesunden Prägungen arbeiten und wirklich aus dem Alltag aussteigen kann. Heute sehe ich mein Therapeutin noch einmal im Monat oder nach Bedarf. Die Antidepressiva nehme ich immer noch, wir werden aber versuchen, sie abzusetzen, sobald das Wetter sonniger und wärmer wird. 

Wie hat sich das Burnout auf deine Beziehung zum Kindsvater ausgewirkt?
Ich glaube, dieser schleichende Prozess bis zum Totalausfall war der Anfang vom Ende unserer Beziehung. Wir haben das mit dem Teamwork einfach nicht hinbekommen. Es blieb zu viel an mir hängen, insbesondere die Nächte. Unsere Tochter schlief bis sie zwei Jahre alt war keine Nacht durch, war oft stundenlang wach und schlief erst wieder ein, wenn ich zur Arbeit musste. Das hat mich fertig gemacht. Schlafentzug ist nicht ohne Grund eine Foltermethode. Vier Monate vor meiner Krankschreibung habe ich mich getrennt und bin ausgezogen. Die räumliche Trennung, die freie Zeit und ruhigen Nächte waren wie ein Befreiungsschlag, der mir Aufwind gab. Als es dann zu Konflikten in der Arbeit kam, ergriff mich jedoch eine grosse Existenzangst. Die Panikattacken wurden häufiger und heftiger, bis es nicht mehr ging. Zum Glück war mein Ex voll für uns da. Er hat nicht nur mich aufgefangen, sondern ist auch voll für unsere Tochter eingesprungen. Heute sind wir zwar kein Paar mehr, ich finde aber, wir kriegen das mit dem Co-Parenting vorbildlich hin. 

Wie alt war deine Tochter damals und wie ist sie mit deiner Krankheit umgegangen?
Sie war erst zwei, als es losging. Anfangs hat sie nicht viel mitbekommen, weil sich ihr Papa mehrheitlich gekümmert hat. Mein Heilungsprozess dauerte fast zwei Jahre. Sie weiss, dass es eine Zeit gab, in der Mama sehr traurig war und viel geweint hat und auch mal eine Zeitlang nur am Wochenende zu Hause war. Als sie mich gefragt hat, warum, habe ich versucht kindgerecht zu erklären, dass einem manchmal einfach alles zu viel werden kann und der Körper das dann durch verschiedene Signale versucht mitzuteilen. Und wenn man nicht richtig hinhört und einfach weitermacht, sagt der Körper «Stopp! Pause!». Das sei bei mir so gewesen und deshalb hätte ich ins Krankenhaus gemusst, hab ich ihr gesagt, und ich hatte das Gefühl, sie hat es verstanden. 

Nach all deinen Erfahrungen: Was rätst du berufstätigen Müttern?
Auch wenn man vorher nicht genau weiss, was da auf einen zukommt, rate ich beiden Elternteilen, sich schon vor dem Babymachen hinzusetzen und ernsthaft darüber zu sprechen, wie sie sich die Verteilung der Care-Arbeit vorstellen. So wie unser System heute funktioniert, können sie sich vielleicht am besten versuchen auszumalen, wie sie das handeln würden, wenn sie plötzlich neben ihren bestehenden Aufgaben nochmals einen Fulltime-Job mit sehr unberechenbaren Schichten unter sich aufteilen müssten. Denn genau das ist es, was mit einem Kind auf ein Paar zukommt. Ich würde auch beiden raten, Elternzeit zu nehmen, und zwar nicht nur gleichzeitig, sondern so, dass jeder Elternteil mal eine zeitlang auf sich gestellt ist und sieht, was das bedeutet. Wenn sie sich dazu entscheiden und vielleicht auch dazu, dass eine:r oder beide in Teilzeit wieder einsteigen wollen, würde ich das alles noch mit den Arbeitgebern abklären, bevor es mit dem Üben losgeht. Und wenn die sich querstellen, schon vorher neue Jobs suchen, die zu den Vorstellungen passen.

Schliessen sich Mutterschaft und Karriere aus?
Nein. Sonst müssten sich Vaterschaft und Karriere ja auch ausschliessen. Es ist für Mütter aktuell einfach noch mit grösseren Anstrengungen verbunden. Unter anderem, weil viele von uns noch mit den alten Rollenbildern aufgewachsen sind und sich diese bei den meisten von uns einfach immer noch im Unterbewusstsein befinden. Sich das als Paar klarzumachen, es entgegen dem Strom anders zu machen, diese neue Realität auch bei Jobverhandlungen und innerhalb der Familie durchzusetzen, ist Schwerstarbeit.

Was muss politisch passieren, damit weniger Mütter ausbrennen?
Wo soll ich anfangen? Ich finde es zum Beispiel eine Zumutung, dass werdende Mütter hierzulande arbeiten müssen, bis die Wehen einsetzen. Natürlich ist Schwangerschaft keine Krankheit, aber der Prozess, der in unseren Körpern passiert, ist immens und für viele Frauen sehr, sehr anstrengend. Trotzdem wird von uns erwartet, dass wir weiter funktionieren, als hätten wir keine dicken, schmerzenden Füsse oder Rückenschmerzen und müssten nicht jede Nacht mindestens fünf Mal aufs WC. Das führt dazu, dass viele schon total erschöpft in die Geburt und dann ins Wochenbett starten. Keine guten Voraussetzungen für das, was da auf einen zukommt. Und dann diese lächerlichen zwei Wochen Vaterschafts- und 14 Wochen Mutterschaftsurlaub! Wie sollen bitte zwei Wochen reichen, um in der Vaterrolle anzukommen und wirklich zu verstehen, was es heisst, sich 24/7 um ein Kind zu kümmern? Vor allem, wenn die Mutter in dieser Zeit aufgrund des Stillens quasi immer da sein muss. Und da kommen wir schon zum nächsten Punkt: laut WHO wäre es das beste für Kinder, sechs Monate gestillt zu werden, aber wir sollen nach 14 Wochen wieder arbeiten?! Ich könnte hier noch endlos Dinge aufzählen, aber dafür reicht der Platz nicht. Deshalb schliesse ich damit: Einer der hilfreichsten ersten Hebel wäre es, endlich eine angemessene Elternzeit für beide einzuführen. Und da soll mir keiner mit den Kosten kommen. Ein Land, das innerhalb kürzester Zeit 209 Milliarden auftreiben kann, um eine Bank zu retten, und jährlich fast 6 Milliarden in die Armee buttern kann, hat sicher auch genug Geld, um es in die Menschen zu investieren, die unsere Gesellschaft und Wirtschaft durch Nachwuchs am Leben erhalten. Und wenn wirklich keins zu finden ist, sollte man sich dringend Gedanken zur aktuellen Verteilung und Priorisierung machen.

 

 

Das Burnout hat mich wachgeküsst!

Julia Panknin


Zurück zu dir. Wie hat sich dein Leben im Vergleich zu deinem Leben vor der Diagnose verändert?
Ich sage gern, dass mich mein Burnout wachgeküsst hat. Weil es mich gezwungen hat, mich mit meinen Prägungen und Ängsten auseinanderzusetzen. Und mit den Fehlern in unserem System und den unbewussten Überzeugungen, die wir alle durch unsere Sozialisierung im kapitalistischen Patriarchat erlernt haben. Der Prozess war unglaublich schmerzhaft, aber ich würde diese Erfahrung um nichts in der Welt rückgängig machen wollen. Weil ich heute mehr Herrin meiner Entscheidungen bin, statt Sklavin alter, unterbewusster Überzeugungen, die nichts mit meinen eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen eines erfüllten Lebens zu tun haben.

Du und der Kindsvater betreut eure Tochter im 50:50-Wechselmodell. Was für Erfahrungen macht ihr damit?
Ich glaube, für mich war es von Anfang an einfacher, weil es vor allem Entlastung bedeutet. Für ihn das Gegenteil, weil er sich plötzlich nach zwei Jahren sehr abrupt tage- oder wochenweise ganz alleine um unsere Tochter kümmern musste. Ich kannte das ja schon von der Zeit nach der Geburt und dadurch, dass ich erstmal in Teilzeit wieder eingestiegen war. Heute geniessen wir beide, dass wir wochenweise einfach das machen können, wonach uns der Sinn steht. Wir beide gehen wieder unseren Hobbys nach, schlafen regelmässig, haben ein lebendigeres Sozialleben und dadurch dann auch wieder mehr Geduld und Freude, wenn die Kleine bei uns ist. Und ich wage zu behaupten, dass unsere Tochter ein sehr glückliches Kind ist. Einfach eins, das eine Woche im «Mami- und eine im Papi-Huus» ist, wie sie es ausdrückt.

Worauf musst du achten, dass es zu keinem erneuten Burnout kommt?
Ich muss meinem Körper zuhören. Wenn man sich während des Heilungsprozess darauf einlässt, lernt man die Signale bewusst wahrzunehmen und entsprechend zu reagieren, statt sie wegzuschieben. In meinem Fall heisst das, dass ich in stressigen Zeiten zum Beispiel akribisch darauf achte, regelmässig und mindestens acht Stunden pro Nacht zu schlafen. Weil ich heute weiss, dass das bei mir einer der wichtigsten Faktoren ist, um gesund zu bleiben.

Du machst dich aktuell mit «mamibrennt» selbständig. Magst du erzählen, was das genau ist und an wen sich das Angebot richtet?
Als ich anfing, offen über mein Mom-Burnout zu schreiben, ist eine grosse Welle über mich herein gebrochen. Hunderte Frauen schreiben mir bis heute ihre Geschichten via Instagram und LinkedIn. Weil sie froh sind, dass endlich jemand das Tabu bricht, und die nicht so schönen Seiten von Mutterschaft benennt. Weil ich aber nicht jeder einzelnen zur Seite stehen kann, ohne wieder auszubrennen, sie aber auch nicht im Stich lassen will, kam mir die Idee für mamibrennt, einer Community-Bewegung für berufstätige Mütter am Limit. Dazu habe ich zusammen mit Frauen aus meinem privaten Netzwerk und anderen ehemaligen Mom-Burnout-Betroffenen, die ich durch meine veröffentlichten Texte und Auftritte kennengelernt habe, eine Online-Plattform konzipiert. Diese geht am 1. März live und soll uns berufstätigen Mütter einen sicheren Raum geben, um uns zu finden und offen über unsere Struggle im Spagat zwischen Lohn und Care-Arbeit auszutauschen. 

Deshalb wird eine der wichtigsten Pfeiler von mamibrennt sein, dass wir regelmässige Live-Events für die Community veranstalten. Wir starten am 7. März mit der «mamiTanzt»-Reihe in einem Club in Zürich. Von 19:30 bis 23 Uhr können wir endlich mal wieder tanzen gehen und bekommen danach trotzdem noch genug Stunden Schlaf, um den ganz normalen Alltagswahnsinn am nächsten Tag zu überstehen. Es wird aber auch ruhigere Events in kleineren Gruppen geben. Denn der zweite sehr wichtige Pfeiler von «mamibrennt» ist die Wissensvermittlung. Deshalb wird es auch auf der Plattform regelmässig Webinare von Expertinnen aus verschiedenen Fachbereichen, sowie Bücher- und Podcastempfehlungen und eine Übersicht über neue Medienbeiträge zu Themen, die die Communtiy betreffen, geben. Interessierte können sich unverbindlich auf die Warteliste schreiben und bekommen dann ein Mail, sobald die virtuellen Tore am Freitag aufgehen. Ausserdem ist «mamibrennt« jetzt auch auf Instagram, Facebook und LinkedIn zu finden. 

Maja Zivadinovic
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Von Maja Zivadinovic am 29. Februar 2024 - 18:00 Uhr