Natürlich bleibt mir das Herz stehen, wenn mein kleiner Sohn alleine oben auf der Rutschbahn steht, mir zuwinkt, sich plumpsen lässt und im vollen Karacho runterdüst. Auch überkommt mich die Angst, wenn er alleine auf dem Klettergerüst Kapriolen macht oder es für eine gute Idee hält, mit Anlauf auf einen riesigen glitschigen Felsen zu springen. Logisch also, dass ich am liebsten pausenlos einschreiten und den Kleinen retten will.
Bloss: Meine Angst ist nicht sein Problem. Und genau deswegen habe ich mir in riesigen Lettern folgende Worte auf die Fahne geschrieben: Vertraue deinem Kind. Trau deinem Kind was zu. Und achte dich vor allem darauf, deine Ängste nicht auf dein Kind zu übertragen.
Ich bin bei weitem keine Super-Mom. Das ist auch gar nicht mein Ziel. Auch liegt es mir fern, hier Momshaming zu betreiben. Worüber ich mich aber freuen würde, ist mehr Mut von Eltern und weniger Helikopter-Szenen auf den Spielplätzen.
Vor ein paar Tagen zum Beispiel sitze ich mit meinem Buben im Sandkasten. Ein Mädchen darf nicht rein, weil der Sand nass und die Regenhose daheim vergessen wurde. Das Kind schreit. Die Mutter ist entnervt. Ich wiederum bin sehr sicher, dass ein bisschen nasser Sand noch keinem Kind geschadet hat.
Ein paar Meter weiter drüben schiebt ein Vater seinen sicher mindestens vierjährigen Sohn zum Spielplatz. Das, obwohl das Kind nicht nur bestens gehen, sondern auch super klettern und rennen kann. Und auch will. Bloss: Der Papa macht da nicht mit. Kaum springt sein Bub los, stoppt ihn der Vater. «Aaaaaufpassen!!!!», schreit er immer wieder. Warum erschliesst sich mir nicht. Der Boden hier ist weich, weit und breit gibt es keine Autos und auch in den Schaukeln und im kleinen Klettergerüst erkenne ich nichts, wovor das Kind so «aaaaaufpassen» muss.
Ein anderes Phänomen, das mir immer wieder begegnet, ist das der fütternden Eltern. Egal wie gross das Kind schon ist, es wird gefüttert. Wer selber Kinder hat, weiss aber: Spätestens ab ca. einem Jahr finden es die Kleinen das Grösste, selber zu essen. Ein wichtiger Schritt Richtung Selbständigkeit, wie ich finde. Und auch wenn das selber essen vor allem am Anfang gefühlt ewig dauert, sollten wir uns in Geduld üben und die Kinder machen lassen. Sowohl daheim als auch draussen.
Doch genau da sieht es oft anders aus: Ich sehe regelmässig, wie Kinder schon weit über dem Kindergartenalter auf einem Bänkli sitzen und gefüttert werden. Und statt selber mal in den Apfel zu beissen, werden ihnen dann auch noch kleine mundgerechte Stücke vor die Nase serviert. Warum?
Neulich stehe ich mal wieder da und bin vertieft ins Beobachten als ich ein lautes, mir sehr bekanntes Schreien höre: Mein Sohn ist gestürzt. Hose kaputt, Knie offen, Handgelenk aufgeschürft. Dicke Tränen rollen über sein Gesichtli. Ich nehme ihn auf den Schoss, tröste ihn und hole seine Lieblingspflaster aus dem Rucksack. Schon strahlt der Bub wieder. Das Krokodil-Pflaster auf dem Knie erfüllt ihn mit grossem Stolz. Mir ist bewusst, dass der Sturz hätte schlimmer enden können.
Und doch will ich weiter an mir arbeiten und viel Acht darauf geben, das Kind auch fallen zu lassen. Nur so lernt es das Aufstehen wieder. Mehr noch: Es lernt, dass Aufstehen stark und stolz macht. Und bis dahin horte ich einfach ein ganzes Badezimmerschränkli voll Pflaster.